Perspektiven

Von der Krise zur Chance: Europas Plan für bezahlbaren Wohnraum

Die EU muss in der Wohnungspolitik eine zentrale Rolle spielen. Ein Gastbeitrag von Jaume Collboni (SPE), Bürgermeister von Barcelona.
 

von Jaume Collboni · 4. April 2025
Collboni

Jaume Collboni (SPE) ist Bürgermeister von Barcelona und Mitglied in der ­Fachkommission COTER im Europäischen Ausschuss der ­Regionen.

Vorbemerkung der Redaktion: Jaume Collboni (SPE) ist Bürgermeister von Barcelona und Mitglied in der ­Fachkommission COTER im Europäischen Ausschuss der ­Regionen sowie Berichterstatter für eine von der SPE-­Fraktion vorgeschlagene Initiativstellungnahme zum EU-Plan für bezahlbaren Wohnraum. Der Plan basiert auf der jahrelangen Zusammenar­beit mit sozialdemokratischen und ­sozialistischen Parteien in der gesamten EU in Wohnungsfragen.

Im Jahr 2024 gab es in ganz Europa eine wahre Welle von Protesten, bei denen die Bürger*innen auf die Straße gingen, um eine Entlastung von steigenden Mieten und unbezahlbarem Wohnraum zu fordern. Die Krise ist unbestreitbar: 10,6 Prozent der Europäer*innen, die in Städten leben, haben mit überhöhten Wohnkosten zu kämpfen, und mehr als 900.000 sind von Obdachlosigkeit bedroht. Der Mangel an bezahlbarem Wohnraum gefährdet die Grundlagen unserer Demokratien und des europäischen Projekts, die gleichzeitig durch den Aufstieg autoritärer Regime und Techno-Oligarchien in Europa und weltweit infrage gestellt werden.

Als Bürgermeister von Barcelona hat der Wohnungsbau für mich deshalb oberste Priorität. Nicht nur auf lokaler Ebene, sondern auch in der gesamten EU. Seit der Ernennung des ersten Kommissars für Wohnungswesen (Dan Jørgensen, Red.) und der Ankündigung des EU-Plans für bezahlbaren Wohnraum im Juli 2024 arbeite ich daran, diese historische Chance in greifbare Ergebnisse umzusetzen. Als Mitglied im Europäischen Ausschuss der Regionen und eines Bündnisses von elf europäischen Hauptstädten mit 14,5 Millionen Einwohner*innen setze ich mich dafür ein, dass die EU-Ziele im Plan auch wirklich den Bedürfnissen der Städte und Regionen entsprechen. Wohnungspolitik wird in erster Linie von nationalen, regionalen und lokalen Regierungen gestaltet, aber die EU muss eine zentrale Rolle spielen.

Was ist zu tun? 

Erstens stehen wir als lokale und ­regionale Gebietskörperschaften an vorderster Front, um den Zugang zu menschenwürdigem, erschwinglichem und sozialem Wohnraum durch unsere Zuständigkeiten bei Stadtplanung, Flächennutzung, Bauvorschriften, Baugenehmigungen, Mobilität und anderen öffentlichen Dienstleistungen zu gewährleisten. Deshalb muss die Europä­ische Union die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften systematisch einbeziehen, damit alle aus EU-Mitteln ­finanzierten Wohnungsbauprojekte auch mit den umfassenderen Strategien wie Klimapolitik, Mobilitätsplanung oder der Entwicklung öffentlicher Infrastruktur in Einklang stehen.

Zweitens brauchen wir einen EU-weiten Ansatz für menschenwürdigen und erschwinglichen Wohnraum, der die unterschiedlichen regionalen und lokalen Bedingungen in Europa widerspiegelt. Darüber hinaus ist die Reform der EU-Beihilfevorschriften von entscheidender Bedeutung: Öffentliche Finanzierung muss über benachteiligte Gruppen ­hinausgehen können, um auch Arbeitnehmer*innen mit mittlerem Einkommen wie Lehrer*innen, Kassierer*innen, Landwirt*innen oder Polizist*innen zu unterstützen, die zunehmend aus den städtischen Zentren verdrängt werden.

Geld für Investitionen

Drittens erfordert die Schließung der geschätzten jährlichen Investitionslücke von 270 Milliarden Euro in bezahlbaren Wohnraum mutige finanzielle Maßnahmen. Die Verdoppelung der Mittel der Kohäsionspolitik für den Wohnungsbau im laufenden Programmplanungszeitraum ist unzureichend und birgt die Gefahr, dass die Nutzung der Mittel für die zuständigen Verwaltungsbehörden noch komplexer wird. Stattdessen wären die Erschließung ungenutzter Mittel aus der Aufbau- und Resilienzfazilität (ARF) bis 2026, eine massive Erhöhung von Darlehen der Europäischen Investi­tionsbank für den Wohnungsbau und die Erhebung von „Zugang zu bezahlbarem Wohnraum” zu einem expliziten Ziel des nächsten Mehrjährigen Finanzrahmens (MFR) sehr wichtig. Gleichzeitig müssen der Zugang von Städten zu den EU-Kohäsionsfonds vereinfacht und erweiterte Finanzierungsmöglichkeiten für neue Wohneinheiten geschaffen werden. Öffentliche Investitionen bleiben zentral, um nicht-spekulative Wohnungsbaumodelle zu unterstützen, die langfristige ­Erschwinglichkeit garantieren.

Regulierung durchsetzen

Viertens muss der EU-Rahmen zur Regulierung von Kurzzeitvermietungen und zur Begrenzung der Auswirkungen der entsprechenden digitalen Plattformen auf den Wohnungsmarkt nachhaltig umgesetzt werden. Dies bedeutet, dass die großen Plattformen den lokalen und regionalen Gebietskörperschaften umfassende Informationen zur Verfügung stellen müssen. Die EU braucht robuste Vorschriften, um diese Plattformen zu kontrollieren, die Transparenz bei Immobilientransaktionen zu erhöhen und Wohnlösungen zu fördern, bei denen Menschen Vorrang vor Profit haben. Wir in Barcelona waren hier Vorreiter, da die Lizenzen für touristische Apartments bis 2028 vollständig auslaufen werden.
Für mich ist der Europäische Plan für bezahlbaren Wohnraum deshalb mehr als eine politische Initiative – er ist ein moralischer Imperativ, das soziale Gefüge unserer Gemeinschaften zu erhalten und sicherzustellen, dass wir niemanden zurücklassen. Durch die „Mayors for Housing Alliance” setzen wir uns dafür ein, echten Wandel voranzutreiben. Ich fordere alle Bürgermeister*innen in der gesamten EU auf, ihre Kräfte mit uns zu bündeln – denn Wohnraum muss für die Menschen sein, nicht für den Profit!

 

Dieser Artikel wurde zuerst in DEMO-Ausgabe 2/2025 veröffentlicht.

Autor*in
Collboni
Jaume Collboni

(SPE) ist Bürgermeister von Barcelona und Mitglied in der ­Fachkommission COTER im Europäischen Ausschuss der ­Regionen sowie Berichterstatter für eine von der SPE-­Fraktion vorgeschlagene Initiativstellungnahme zum EU-Plan für bezahlbaren Wohnraum. Der Plan basiert auf der jahrelangen Zusammenar­beit mit sozialdemokratischen und ­sozialistischen Parteien in der gesamten EU in Wohnungsfragen.

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