Diese fünf Kommunen zeigen, wie gute Bürgerbeteiligung gelingt
Das Kompetenzzentrum Bürgerbeteiligung hat fünf herausragende Projekte ausgezeichnet. Sie kommen aus Bielefeld, Aspach, Berlin-Neukölln, Heidelberg und Marburg.
Tanea Sommer/Kompetenzzentrum Bürgerbeteiligung
Vertreter*innen der Preisträger-Kommunen Bielefeld, Aspach, Neukölln, Heidelberg und Marburg sowie die Moderatoren Nora Regös und Andreas Paust
Was gute Bürger*innenbeteiligung ausmacht, ist eine Frage, über die sich trefflich streiten lässt. Im Kern geht es darum, die Bürger*innen aktiv in politische Entscheidungsprozesse einzubeziehen. Doch wenn Kommunen einen Beteiligungsprozess starten, heißt das noch lange nicht, dass alle Bürger*innen später auch den Eindruck haben, ausreichend einbezogen worden zu sein. Ein Stück weit liegt das in der Natur der Sache. Denn eine Beteiligung führt nicht automatisch dazu, dass das Ergebnis allen gefällt.
Es braucht also andere Kriterien. „Die Allianz vielfältige Demokratie“ hat zehn Grundsätze für gute Bürger*innenbeteiligung definiert (hier nachzulesen). Dazu gehören zum Beispiel klare Ziele und Mitgestaltungsmöglichkeiten, die gemeinsame Verständigung auf Verfahrensregeln oder Transparenz und verlässlicher Informationsaustausch.
Fünf Projekte mit vorbildlicher Beteiligung
Das „Kompetenzzentrum Bürgerbeteiligung“ orientiert sich ebenfalls an diesen Grundsätzen. Nun hat es zum dritten Mal Projekte ausgezeichnet, welche die Kriterien in vorbildlicher Weise erfüllen. Die Preisverleihung fand am 3. November 2025 in Berlin statt.
Diese Projekte überzeugten die Jury:
Die Stadt Bielefeld hat gemeinsam mit ihren Bürger*innen verbindliche Grundsätze für künftige Beteiligungsverfahren entwickelt. Das geschah in einem umfassend partizipativen Prozess zwischen November 2022 und Juni 2024. Mehr als 400 Menschen wirkten mit. Dabei wurden auch gezielt schwer erreichbare Zielgruppen angesprochen, wie Menschen mit Behinderung oder Migrationsgeschichte.
Die Gemeinde Aspach hat sich mit der Zukunft der Pflege und Daseinsvorsorge befasst. Dazu wurde ein dialogischer Beteiligungsprozess gestartet. So konnten Pflegebedürftige, ihre Angehörigen, Fachkräfte, Ehrenamtliche und weitere Gruppen ihre Perspektive einbringen. Damit möglichst viele Menschen mitwirken konnten, wurden Angebote wie Kinderbetreuung oder Fahrdienste organisiert. Zudem wurde auf alltagsnahe Sprache geachtet. Erste Ergebnisse wurden bereits umgesetzt: Ein Pflegewegweiser, ein Bürgercafé und eine Koordinationsstruktur für ehrenamtliche Pflege.
Der Berliner Bezirk Neukölln hat ein Verkehrskonzept für den Körnerkiez entwickelt. Dazu gab es Präsenveranstaltungen, Online-Beteiligung, einen Kiezspaziergang und weitere Formate. Menschen mit Lese- und Schreibschwäche wurden gezielt auf die Beteiligung vorbereitet und im Prozess begleitet. Mit einem „Mitmach-Laden“ hat der Bezirke eine Anlaufstelle geschaffen, die während des gesamten Prozesses an Werktagen erreichbar war. Insgesamt konnten rund 700 Menschen einbezogen werden, darunter auch Kinder und Jugendliche.
Mehrere tausend Menschen wirkten in Heidelberg an einem neuen Stadtentwicklungskonzept mit. Es wurde zwischen 2022 und 2025 entwickelt. Zu den mehr als 30 Formaten zählten große Aktionstage, Workshops mit ausgewählten Bürger*innen oder aufsuchende Beteiligung. Um den Prozess inklusiv zu gestalten, wurde der Beirat für Menschen mit Behinderung eingebunden. Es gab Videos in einfacher Sprache und Gebärdendolmetscher*innen bei Veranstaltungen.
Die Universitätsstadt Marburg hat im sozial heterogenen Stadtteil Richtsberg innovative Beteiligungsformate erprobt, sogenannte Stadtlabore. Das Spektrum reichte von Theater- und Graffitiprojekten über Müllsammelaktionen bis zu einem Stadtgestaltungsprojekt mit dem Computerspiel Minecraft. Besonders junge Menschen und sozial Benachteiligte konnten so erreicht werden, teilt das Kompetenzzentrum Bürgerbeteiligung mit. 2.500 Menschen nahmen an den Laboren teil. Die Ergebnisse flossen in eine Bewerbung für das Städtebauförderungsprogramm „Soziale Stadt“ ein.
„Hürden für Bürgerbeteiligung senken”
Der Vorsitzende des Kompetenzzentrums Bürgerbeteiligung Andreas Paust wies im Zuge der Auszeichnung darauf hin, dass Beteiligung auch ein breites zivilgesellschaftliches Engagement braucht. „Es gibt bei der Bürgerbeteiligung Menschen, die nicht mitmachen wollen, die nicht mitmachen dürfen und die nicht mitmachen können. Gute Bürgerbeteiligung muss alle drei Gruppen im Blick haben.“
Das Engagement der Bürger*innen verdiene Wertschätzung, so Paust. Es müssten Gestaltungsspielräume geschaffen, Ressourcen bereitgestellt und Verbindlichkeit hergestellt werden. „Bürgerbeteiligung, verstanden als zivilgesellschaftliches Engagement, muss mitunter hohe Hürden überwinden. Es ist unsere Aufgabe, diese Hürden zu beseitigen oder wenigsten so zu senken, dass sie nicht unüberwindbar sind.“
Video von der Preisverleihung:
DEMO
Die Redaktion der DEMO - Das sozialdemokratische Magazin für Kommunalpolitik