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Hass gegen Kommunalpolitiker: „Das ist demokratiegefährdend“

Viele Amts- und Mandatsträger*innen erleben Anfeindungen. Was dagegen hilft, damit befasste sich die Tagung „Respekt statt Hass!“ in Berlin. Die Debatte zeigte, dass die Polizei noch nicht überall ausreichend sensibilisiert ist.

von Carl-Friedrich Höck · 11. September 2025
Aufsteller mit der Aufschrift Respekt statt Bedrohung!

Respekt statt Bedrohung: In Berlin wurde auf einer Fachtagung über Hass und Gewalt gegen Kommunalpolitiker*innen diskutiert.

Seit August 2024 gibt es die Starke Stelle. Sie ist ein unabhängiger Anlaufpunkt für kommunale Amts- und Mandatsträger*innen, die angefeindet oder bedroht werden. Finanziert wird sie vom Bundesinnenministerium.

Dass Bedarf für eine solche Einrichtung besteht, war am Donnerstag in Berlin auf der Fachtagung „Respekt statt Hass!“ zu beobachten. Zahlreiche Kommunalpolitiker*innen und Verwaltungsmitarbeitende waren in die Geschäftsstelle des Deutschen Landkreistages gekommen, um auf Einladung der Starken Stelle über den richtigen Umgang mit Gewalt und Anfeindungen zu sprechen.

Anfeindungen auch aus den Gemeinderäten

Die Starke Stelle solle eine Verweisberatung leisten, erklärte Ralf Göbel, Abteilungsleiter im Bundesinnenministerium. Sie ergänze bestehende Angebote wie das Portal „Stark im Amt“ der Körber-Stiftung und helfe Betroffenen, die richtigen Ansprechpartner*innen zu finden. Laut Göbel kommen die Anfeindungen nicht nur aus der Bevölkerung, sondern oft auch aus den Kommunalparlamenten selbst. „Das ist demokratiegefährdend.“ Hunderte Gemeinden hätten schon gar keinen Bürgermeister mehr. Das sei ein ganz kritischer Punkt. Auch früher habe man sich im Rat heftig gestritten, berichtete Göbel, der in den 1990er-Jahren selbst Kommunalpolitiker war. Damals sei es aber üblich gewesen, sich danach auf einen Wein oder ein Bier zusammenzusetzen. Diese Tradition sei ein Stück weit verlorengegangen.

Aus der Praxis berichtete Dominik Brasch, parteiloser Bürgermeister in Bad Soden-Salmünster (Südhessen). Er erzählte von einem Amtskollegen, der angefeindet wurde, nachdem es im örtlichen Schwimmbad sexuelle Übergriffe gegeben hatte. In einer Drohung sei ihm gewünscht worden, dass seine Frau und die Kinder vergewaltigt und getötet werden. „Kein Einzelfall“, merkte Brasch dazu an. Seine eigene Tochter sei schon geschlagen worden, nur weil sie die Tochter des Bürgermeisters ist.

Solidarität innerhalb der Kommunalpolitik wichtig

Eine Lösung gegen solche Anfeindungen hatte Brasch zwar nicht parat, doch er nannte einige Punkte, die aus seiner Sicht helfen könnten. Eine Ursache für den Frust vieler Menschen sei, dass die kommunale Ebene nicht mehr als handlungsfähig wahrgenommen werde. Damit spielte er auf die Finanznot der Gemeinden an. Wenn der „kleine Kosmos“ funktioniere, gehe es auch den Menschen besser. Ein zweiter Punkt: Bei verbalen Attacken gegen Kommunalpolitiker*innen sei Solidarität wichtig – zum Beispiel von Bürger*innen, die in Online-Kommentarspalten dagegenhalten, oder auch von Amtskolleg*innen, die den Betroffenen öffentlich zur Seite springen. In Organisationen wie dem „Netzwerk junge Bürgermeister*innen“ könnten sich Kommunalpolitiker*innen gegenseitig auffangen.

Darüber hinaus betonte Brasch: „Dass der Rechtsstaat konsequent reagiert und Zähne zeigt, ist Bestandteil des Weges, den wir jetzt gehen müssen.“ In seiner Stadtverwaltung werde mittlerweile jede Straftat auch zur Anzeige gebracht. Selbstverständlich sei das nicht, denn viele Kolleg*innen und Mitarbeitende seiner Stadtverwaltung dächten, dass eine Anzeige nichts bewirke.

Ohne Anzeige keine Reaktion

Dem widersprach Ines Karl. Die Oberstaatsanwältin leitet in Berlin die Zentralstelle Hasskriminalität. Es gebe Menschen, die sich in schneller Zeit radikalisieren und schließlich zuhause Bomben basteln. Deshalb sei es wichtig, dass schon die frühen Straftaten angezeigt werden, sodass die Polizei reagieren kann.

Wichtig sei, wie die Behörden mit denjenigen umgehen, die eine Anzeige erstatten, erklärte Karl. In Berlin gebe es Ansprechpersonen, an die man sich direkt wenden könne. Nicht nur für Anzeigen, sondern auch für eine Einschätzung der Situation. Die Betroffenen würden immer über den Ausgang des Verfahrens informiert. Bei Angriffen auf Amts- und Mandatsträger*innen werde in Berlin stets ein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung angenommen. Das sei allerdings nicht in ganz Deutschland so. Dies bestätigte später eine stellvertretende Bürgermeisterin aus dem Publikum: Ihr seien acht Mal die Reifen zerstochen worden, doch das Landeskriminalamt habe das nicht ernst genommen und sie im Stich gelassen.

In Bayern gebe es bei Straftaten gegen Amts- und Mandatsträger keine Opportunitätseinstellungen, versicherte Michael Weinzierl vom bayerischen Landeskriminalamt. „Es wird mindestens ein Strafbefehl erlassen, der empfindlich ist.“ So ein „Schuss vor den Bug“ führe oft dazu, dass der Täter nie wieder auffällig werde. Und er schaffe ein Bewusstsein dafür, was die Anfeindungen anrichten, dass sie in ganze Familien hineinwirken. Häufig entschuldigten sich die Täter*innen.

Für Dominik Brasch ist wichtig, dass Anfeindungen überhaupt Konsequenzen haben. „Manchmal reicht schon die Gefährderansprache durch die Polizei“, sagte er. 

 

Weiterführender Link:
stark-im-amt.de/starke-stelle

Autor*in
Porträtfoto Mann mit Brille und dunkelblonden Haaren
Carl-Friedrich Höck

ist Leitender Redakteur der DEMO. Er hat „Public History” studiert.

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