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Hohe Sozialkosten: Städte hoffen auf den „Herbst der Reformen“

Die Kommunen schreiben tiefrote Zahlen. Ein Grund sind die gestiegenen Sozialausgaben. Der Deutsche Städtetag will den Sozialstaat reformieren und kritisiert eine Schieflage in der Debatte: Es werde zu viel übers Bürgergeld geredet.

von Carl-Friedrich Höck · 16. September 2025
Burkhard Jung und Uwe Conradt sitzen an einem Tisch

Der Präsident des Deutschen Städtetages Burkhard Jung (l.), hier neben Vizepräsident Uwe Conradt, machte drei Reform-Vorschläge.

Oberbürgermeister*innen aus ganz Deutschland haben sich in Potsdam zu einer Präsidiumssitzung des Deutschen Städtetages getroffen. Was der Verbandspräsident Burkhard Jung danach zu berichten hatte, klang dramatisch: „Die kommunalen Haushalte kollabieren gerade.“ Damit sei auch die kommunale Selbstverwaltung gefährdet. Es fehle Geld für Schulen, Straßen, Brücken, Spielplätze, Wirtschaftsförderung und vieles mehr.

25 Milliarden Euro Defizit haben die Städte, Gemeinden und Landkreise im vergangenen Jahr eingefahren. Schon das war ein neuer Negativrekord. In diesem Jahr könnte das Defizit laut Städtetag sogar auf 30 bis 36 Milliarden Euro steigen. Angesichts dieser Entwicklung müsse die Bundesregierung jetzt gemeinsam mit den Ländern und Kommunen „die richtig großen Räder drehen“, forderte Jung. Bei den Sozialkosten müssten die Städte entlastet werden.

Sozialstaat besteht aus mehr als Bürgergeld

Die schwarz-rote Bundesregierung hat bereits einen „Herbst der Reformen“ angekündigt. Anfang September hat eine Kommission ihre Arbeit aufgenommen, die bis Ende des Jahres Vorschläge für einen modernen Sozialstaat vorlegen soll. Aus Sicht des Städtetages geht die öffentliche Debatte allerdings am Kern des Problems vorbei: „Das Bürgergeld ist bei uns in den Städten nicht der Haupt-Kostentreiber“, betonte Jung. Sprunghaft gestiegen seien dagegen die Kosten in der Kinder- und Jugendhilfe sowie bei der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderung.

Ein Beispiel seien auch die „Hilfen zur Pflege“ – eine Sozialleistung für Menschen, die ihre Pflegekosten nicht aus eigener Tasche bezahlen können. Die Sozialämter seien eigentlich dazu da, als letzter Ausfallbürge einzuspringen, wenn es einem Menschen schlecht gehe, merkte Jung dazu an. „Wir erleben, dass die Regelfinanzierung des Sozialamtes für ältere Menschen Einzug hält“, kritisierte er. In Leipzig seien die Ausgaben für Hilfe zur Pflege in den letzten fünf Jahren von 50 auf 100 Millionen gestiegen. Ältere Menschen seien zunehmend nicht mehr in der Lage, ihren Eigenanteil für das Pflegeheim aufzubringen. Die Kosten der Kommunen gingen „durch die Decke“ und sie bekämen dafür keine Erstattung.

Kommunen wollen höheren Steueranteil

Nun hoffen die Städte, dass der „Herbst der Reformen“ auch für sie eine Entlastung bringt. Dazu präsentierte Jung drei Vorschläge: Zum einen müsse der kommunale Anteil an der Umsatzsteuer erhöht werden. Denn Bund und Länder hätten immer wieder Aufgaben an die Kommunen übertragen, ohne dies entsprechend gegenzufinanzieren. Christian Schuchardt, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages und bis vor kurzem Oberbürgermeister von Würzburg, nannte als Beispiel die Wohngeldreform. Weil damit die Zahl der Menschen gestiegen ist, die Anspruch auf Wohngeld haben, habe er in Würzburg sechs Personen mehr einstellen müssen.

Der zweite Vorschlag des Städtetages: Die staatlichen Aufgaben müssten so neu organisiert werden, dass die Städte entlastet werden. Verwaltungsaufgaben, bei denen die Kommunen ohnehin keinen Ermessensspielraum hätten, könnten bundesweit über eine zentrale digitale Plattform bearbeitet werden. Konkret nannte Burkhard Jung die Kfz-Zulassung, Anträge auf Wohn- und Elterngeld sowie BAföG.

Städte klagen über bürokratischen Aufwand

Drittens wünschen sich die Städte weniger Bürokratie und mehr Digitalisierung. „Neue Gesetze müssen von Anfang an mit digitalen Lösungen gedacht werden – mit einfachen und automatisierbaren Verfahren“, erklärte der Städtetagspräsident. Fördergelder könnten den Städten in Form von festen Budgets „ohne komplizierte Anträge und Mittelnachweise“ zur Verfügung gestellt werden. Aktuell seien kleinere Kommunen teilweise gar nicht in der Lage, die Förderungen abzurufen, weil der Aufwand zu groß sei.

Hauptgeschäftsführer Schuchardt ergänzte: „Die Pflegeversicherung sollte zu einer Vollversicherung ausgebaut werden.“ Dann hätte das Nebeneinander von Pflegeversicherung und Hilfen zur Pflege ein Ende. 

Autor*in
Porträtfoto Mann mit Brille und dunkelblonden Haaren
Carl-Friedrich Höck

ist Leitender Redakteur der DEMO. Er hat „Public History” studiert.

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