So machte ein Demografie-Symposium klammen Kommunen Mut
„Leere Kassen, alternde Städte – Wie bleiben Kommunen handlungsfähig?“. Das 16. Demografie-Symposium der Körber-Stiftung mit diesem Titel wollte den Teilnehmenden Zuversicht geben. Vier Bürgermeister*innen schafften das.
IMAGO / Steinach
Um die Kommunalfinanzen steht es schlecht, viele Städte und Gemeinden schreiben rote Zahlen. (Symbolfoto)
Die Rahmenbedingungen, dem demografischen Wandel optimistisch zu begegnen, sind denkbar ungünstig. Das wussten die Verantwortlichen der Körber-Stiftung, als sie das 16. Demografie-Symposium vorbereiteten. „Es geht ums Geld“ machte Stiftungsmitarbeiter Niklas Rathsmann zum Auftakt des Symposiums an diesem Donnerstag unmissverständlich klar. Seine Kollegin Julia André erklärte: „Der demografische Wandel kommt am Ende bei den Kommunen an.“ Trotz der wenig Mut machenden Begrüßungsworte zeigte sie sich hoffnungsvoll, dass die Teilnehmenden aus der kommunalen Verwaltung am Ende des Tages „mit Motivation und gute Laune aus dem Saal gehen.“
Der erste Referent hat sich in seinem Vortrag zur kommunalen Kassenlage um diese Zielvorgabe nicht gekümmert. Die Veranstalter kündigten Professor Martin Junkernheinrich als den Finanzexperten schlechthin an. Der heute 67-Jährige beschäftigte sich 1987 in seiner Dissertation mit den Gemeindefinanzen. Das Thema hat ihn nicht losgelassen. Junkernheinrich lieferte eine Menge Zahlen, Tabellen und Statistiken, die nur eine Schlussfolgerung zuließen: Die Lage der Kommunen ist nahezu hoffnungslos. Im ersten Halbjahr 2025 habe sich ein knapp 20 Milliarden Euro Defizit aufgebaut. Damit seien die Kommunen „unter Wasser“. Der Handlungsspielraum werde Schritt für Schritt kleiner.
Nur die Hälfte der Fachkräfte kann ersetzt werden
Die Verschuldung werde bis zum Ende des Jahrzehnts weiter dramatisch zunehmen, zeigte er sich überzeugt. Bund und Länder würden wegen eigener Finanznöte kaum bereit sein, über das Nötigste hinaus Geld an die Kommunen abzugeben. Folglich bleibe die Frage, wie mit Altschulden umzugehen sei, weiter akut. Steuern zu erhöhen, um frisches Geld in die Kassen zu spülen, sei momentan unpopulär und folglich schwer durchsetzbar.
Bezogen auf den demografischen Wandel, stellte der Professor fest: Altert die Bevölkerung, müssten die weichen Standortfaktoren gestärkt werden. Doch den Gemeinden fehle das Geld, um sich darauf einzustellen und für diesen Personenkreis attraktive Angebote zu machen. Eine weitere Hiobsbotschaft aus dem Mund des Wissenschaftlers an die kommunalen Führungskräfte lautete: Wegen des Fachkräftemangels könne nur die Hälfte der Verwaltungsmitarbeitenden ersetzt werden, die in den nächsten Jahren in Ruhestand gehen. Er berief sich auf eine Aussage von Uwe Zimmermann vom Deutschen Städte- und Gemeindebund. Besonders der Nordosten und der Westen seien davon betroffen, Baden-Württemberg und Bayern weniger.
Machen und nicht auf Förderprogramme warten
Junkernheinrich wollte sein Referat nicht ganz so pessimistisch enden lassen. Er verwies auf das Potenzial in der Bevölkerung, sich ehrenamtlich und aus eigenem Antrieb konstruktiv einzubringen. Ihm gelang mit dieser Feststellung – gewollt oder ungewollt – der Übergang zum nächsten Programmpunkt. Vier Bürgermeister*innen berichteten in einem Podiumsgespräch, wie Projekte gelingen, ohne auf ein entsprechendes Förderprogramm zu warten. Statt nach zusätzlichen Krediten zur Finanzierung freiwilliger Aufgaben suchen sie das Gespräch mit Bürger*innen und Firmen. Vertrauen zu schaffen und Verlässlichkeit zu gewährleisten seien die wichtigsten Zutaten für ihre Erfolgsrezepte, betonten alle vier. Ein wichtiger Aspekt sei, über die Projekte dauerhafte Treffpunkte zu schaffen.
Ferid Giebler ist seit 2017 Bürgermeister der Gemeinde Muldestausee in Sachsen-Anhalt. Dem ehemaligen Offizier der Bundeswehr gelingt es, große Fördersummen einzuwerben. Es sind fünf- und sechsstellige Beträge, die Giebler bei Firmen am Ort, aber auch bei Vereinen akquiriert. „Für mich sind auch freiwillige Aufgaben Pflichtaufgaben“, sagte er. Ihm gelingt es in Gesprächen, „alle auf ein Ziel einzuschwören“.
Alexandra Gauß ist seit 2018 Bürgermeisterin der Gemeinde Windeck in Nordrhein-Westfalen. Sie hat ein Talent, ehrenamtliches Engagement zu fördern. Ein von ihr initiierter Dorfladen, in dem sie selbst einkauft und ansprechbar ist, macht nicht nur gute Umsätze, sondern ist auch ein Treffpunkt geworden. Bei ihr gilt die 50:50-Regel. Wer einen Vorschlag vorbringt, muss die Hälfte in Eigenleistung erbringen. Den Rest übernimmt die Kommune.
„Wir sind Problemlöser“
Sandra Röse ist seit 2019 die Bürgermeisterin der Gemeinde Oyten in Niedersachsen. Sie kümmert sich besonders um die Vereine, die ein wichtiger Treffpunkt gerade für ältere Menschen seien. Damit sich die Vorstandsmitglieder auf ihre Angebote konzentrieren können, bietet die Gemeinde zur Entlastung administrative Untersetzung an.
Erik Kadesch ist seit 2021 der Bürgermeister der Gemeinde Mörlenbach in Hessen. Der ehemalige Kriminaloberrat ist ein Netzwerker. Drei Nachbarkommunen hat er ins Boot geholt, um sich Aufgaben zu teilen. Dazu gehören beispielsweise ein gemeinsames Standesamt, Ordnungsamt und eine gemeinsame digitale Entwicklung. Alle drei Monate trifft er Vorstände aus mehr als 80 Vereinen. Das Podiumsgespräch, das den Anwesenden tatsächlich Mut machte, fasste Kadesch so zusammen: „Wir müssen mit der Heulerei aufhören und zeigen, dass wir Problemlöser sind.“
Weiterführender Link:
Eine Präsentation der Projekte enthält die Broschüre der Körber-Stiftung
ist freier Journalist. Er ist Mitglied im Verein Deutsches Institut für Normung und dort im Redaktionskreis für eine DIN Einfache Sprache. Webseite: leichtgesagt.eu