Verdi beklagt bundesweite Kürzungswelle im Kulturbereich
Die schlechte Finanzlage der Kommunen wirkt sich auf Kunst- und Kulturbetriebe aus. Die Gewerkschaft Verdi spricht von einem „Kürzungswahn“. In einer Online-Veranstaltung suchte sie nach Wegen, die Kulturförderung wieder zu stärken.
Felix Zahn/Photothek
Aufführung der „Zauberflöte” in der Berliner Staatsoper: Auch die Bundeshauptstadt setzt im Kulturbereich den Rotstift an.
Kultur wird in Deutschland größtenteils aus öffentlichen Geldern finanziert. Doch diese Geldquelle droht mehr und mehr zu versiegen. Ein Grund dafür sind die Löcher in den kommunalen Haushalten. Für das laufende Jahr erwarten die Städte, Gemeinden und Landkreise ein Rekord-Defizit von 35 Milliarden Euro.
„Kommunen und Länder tragen die Hauptlast der Kulturfinanzierung“, erklärt Lisa Mangold. Sie ist bei Verdi verantwortlich für den Kunst- und Kulturbereich. Auf einer Online-Veranstaltung der Dienstleistungsgewerkschaft belegte Mangold das mit Zahlen der Statistikämter. Demnach fließen aus den Gemeindekassen 5,8 Milliarden Euro in die öffentliche Kulturfinanzierung. Die Bundesländer (einschließlich Stadtstaaten) geben 5,6 Milliarden Euro und der Bund 3,5 Milliarden.
Gewerkschaft spricht von „Kahlschlag”
Die Gewerkschafterin berichtete: „Bundesweit finden zurzeit gravierende Kürzungen im Kulturbereich statt.“ Eine ähnliche Botschaft sendete bereits der Titel der Verdi-Veranstaltung: „Kürzungswahn: Kahlschlag in den Ländern und Kommunen“. Die Gewerkschaft ist von dieser Entwicklung direkt betroffen, denn sie vertritt auch 20.000 Beschäftigte aus den Bereichen Bühne, Musik, Musikschulen und Bildende Kunst. Hinzu kommen noch die Mitarbeiter*innen von Museen und Bibliotheken.
Lisa Mangold nannte als Beispiel die Stadt München. Dort seien bereits in den vergangenen Jahren immer wieder Gelder im Kulturbereich eingespart worden. Nun seien für 2026 erneut Kürzungen in Höhe von 18 Millionen Euro geplant. Viele Stellen würden nicht nachbesetzt, etwa im Bereich der Bibliotheken. Es gehe nicht nur um temporäre Kürzungen, sondern ganze Programme würden eingestellt. Wenn Strukturen aber erst einmal zerstört seien, könne man sie nicht so einfach wieder zurückbekommen.
Kulturschaffende zensieren sich laut Verdi selbst
„Die Kürzungen haben ein enormes Spaltungspotenzial“, warnte Mangold. Das betreffe verschiedene Ebenen: Intendant*innen erklärten, dass wegen Tarifsteigerungen für die technischen Berufe kein Geld mehr für Bühne und Künstler*innen da sei. Kommunalpolitiker*innen würden Radwege gegen Theater ausspielen und Schwimmbäder gegen den Musikunterricht. Die AfD und andere rechte Akteur*innen nutzten das Spaltungsklima, hinterfragten die Kulturförderung grundsätzlich, forderten Informationen über die Hintergründe der Beschäftigten. Die veränderte Stimmungslage führe dazu, dass die Inhalte von Kunst vor der Finanzierung verstärkt geprüft würden. „Kulturschaffende berichten, dass sie zweimal überlegen, ob sie kritische, eingreifende Kultur machen“, berichtete Mangold. Sie hätten eine „Schere im Kopf“.
Verdi will gegensteuern und plädiert dafür, Kulturförderung zu einer kommunalen Pflichtaufgabe zu machen. Bisher gilt dieser Bereich mit wenigen Ausnahmen als freiwillige Leistung. Deshalb tendieren Kommunen dazu, den Rotstift eher hier als anderswo anzusetzen.
Forderung nach Umverteilung verfängt nicht
Wie schwer es ist, diese Entwicklung aufzuhalten, erläuterte Kalle Kunkel als Pressesprecherin von Verdi Berlin/Brandenburg. In der Bundeshauptstadt seien ebenfalls viele Kulturbetriebe von Sparmaßnahmen betroffen. Die betroffenen Projekte würden davon teilweise erst sehr spät erfahren, kritisierte Kunkel und begründete das mit einer intransparenten Haushaltsführung durch den Senat.
Proteste gegen die Kürzungen habe es in Berlin zwar gegeben, berichtete der Verdi-Sprecher weiter. Es sei aber in der Debatte nicht gelungen, den Fokus auf konkrete Alternativen zu richten. Aus Sicht der Gewerkschaft könnten diese darin bestehen, die Einnahmen der öffentlichen Haushalte zu erhöhen: Beispielsweise durch eine höhere Grunderwerbssteuer, Gewerbesteuer, Parkraumbewirtschaftung, Verpackungssteuer oder Verbesserungen in der Steuerverwaltung. Der Gewerkschaft sei es jedoch nicht gelungen, um solche Forderungen herum ein Bündnis zu schmieden. Ein Grund: Die potenziellen Bündnispartner sahen keine Erfolgsperspektive für ihre konkreten Projekte.
Kunkel verdeutlichte damit ein Dilemma der Gewerkschaft: Man könne Akteur*innen, die gerade unter die Räder geraten, nicht mit einer allgemeinen Forderung nach Umverteilung für sich gewinnen. Dennoch hält er es für notwendig, diesen Konflikt zu führen. „Wenn wir das auf der lokalen Ebene halten, werden wir alle einzeln für uns sterben“, meinte Kunkel.
Dirk Bleicker
ist Leitender Redakteur der DEMO. Er hat „Public History” studiert.