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Verena Hubertz zu Smart Cities: „Staat darf nicht alles verkomplizieren“

Mit der Digitalisierung der Kommunen befasst sich eine Fachkonferenz der Bundes-SGK. Diese müsse stärker vom Nutzer her gedacht werden, forderte Bundesbauministerin Verena Hubertz. SPD-Generalsekretär Tim Klüssendorf sorgt sich um demokratische Errungenschaften.

von Carl-Friedrich Höck · 10. Oktober 2025
Bundesbauministerin Verena Hubertz (SPD) auf der SGK-Fachkonferenz am 10. Oktober 2025

Bundesbauministerin Verena Hubertz (SPD) auf der SGK-Fachkonferenz am 10. Oktober 2025

Die Digitalisierung hat viel Potenzial, die Kommunalverwaltungen zu entlasten. Darauf verwies Braunschweigs Oberbürgermeister Thorsten Kornblum zum Start der Fachkonferenz „Smarte Städte und Regionen – Kommunen auf dem Weg in eine neue Welt.“ Veranstaltet wird sie an diesem Freitag und Samstag von der Sozialdemokratischen Gemeinschaft für Kommunalpolitik (Bundes-SGK), deren Vorsitzender Kornblum ist.

Kornblum: Digitalisierung kostet

Kommunen müssen die Digitalisierung nutzen, „damit wir gemeinsam unsere Städte und Gemeinden voranbringen“, betonte Kornblum. Braunschweig setze zum Beispiel Bots ein, um die Kolleg*innen dabei zu unterstützen, Bescheide schneller zu bearbeiten oder Vorlagen zu entwickeln. 

Die Kommunen bräuchten aber zwei Dinge von den anderen staatlichen Ebenen: Zum eine Hilfe, was die Regulatorik angehe. Zum Beispiel bekämen Eltern heute fünf Geburtsurkunden, um Kindergeld und andere staatliche Leistungen beantragen zu können. Es wäre besser, wenn man stattdessen nur eine Datei in einem digitalen Bürgerkonto hätte, die man einfach für die verschiedenen Behörden freigeben könnte, meinte Kornblum. Zum anderen koste die Digitalisierung Geld, denn es müsse investiert werden, etwa in Personal oder Lizenzen. Die Kommunen seien mit ihren laufenden Aufgaben aber unterfinanziert.

Bauministerium fördert Smart-City-Modellprojekte

Bundesbauministerium Verena Hubertz hat einen ganz eigenen Blick auf das Thema Digitalisierung. Vor ihrem Einstieg in die Politik hat sie ein Start-up mitgegründet, das eine erfolgreiche Koch-App entwickelt hat. „Wir müssen die Digitalisierung vom Nutzer aus denken“, riet sie. Es reiche nicht, Rezepte einfach zu digitalisieren, indem man sie vom Papier ins PDF bringt. Und auch der Staat dürfe nicht alles verkomplizieren, wenn es darum geht, eine Wohnung oder ein KfZ anzumelden.

Das Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen fördert 73 Smart-City-Modellprojekte mit einer Gesamtsumme von 820 Millionen Euro. Es sei beeindruckend zu sehen, was in den Städten durch Digitalisierung alles passiere, sagte Verena Hubertz. „Man kann Klimadaten messen, wir können Einsatzkräfte digital viel besser planen.“ Städte ließen sich mit digitalen Zwillingen entwickeln. Damit könnten die Bürger*innen sich viel besser vorstellen, wie das geplante Einkaufszentrum oder die Kulturstätte aussehen wird, welchen Schatten die Gebäude werfen und was für Auswirkungen auf den Verkehr zu erwarten sind.

Klüssendorf stellt bei Digitalisierung Grundsatzfragen

SPD-Generalsekretär Tim Klüssendorf hat früher selbst an einem Smart-City-Modellprojekt mitgearbeitet: Als Referent von Lübecks Oberbürgermeister Jan Lindenau erstellte er Antragsunterlagen und half, 18 Millionen Euro Fördergeld in die Hansestadt zu holen. Auf der SGK-Fachkonferenz erzählte Klüssendorf: Die Stadt habe ein Warnnetz für die Notruf-App Nora aufgebaut. Gemeinsam mit den Stadtwerken sei ein Hackathon veranstaltet worden. Immer wieder habe man überlegt, wie das Thema Digitalisierung für die Menschen besser greifbar gemacht werden kann, etwa mit Sensortechnik für Parkplätze. „Das hat mich wirklich begeistert“, sagte Klüssendorf über diese Zeit.

Mahnende Worte

SPD-Generalsekretär Tim Klüssendorf kündigte an, die Digitalisierung zu einem Thema für das neue SPD-Grundsatzprogramm zu machen.

SPD-Generalsekretär Tim Klüssendorf

Der SPD-Generalsekretär schlug aber auch nachdenkliche Töne an. Heute verbrächten die Menschen acht Stunden pro Tag am Bildschirm. Das mache etwas mit der Gesellschaft. Mittlerweile informierten sich mehr Menschen über soziale Medien als über konventionelle. „Was dort passiert, das steuern ganz wenige Unternehmen“. Für die klassische Medienlandschaft mit Zeitungen und Fernsehen habe es Regelwerke gegeben. „Wir haben Vielfalt gehabt, wir haben Kontrollmechanismen gehabt, das gibt es alles kaum noch“, kritisierte Klüssendorf. Am Ende entscheide ein Unternehmen, wie wir uns informieren, wie Demokratie und menschliche Interaktionen funktionieren.

Deshalb müsse das Thema der digitalen Transformation auch an den Anfang der Debatte um das neue SPD-Grundsatzprogramm gestellt werden. „Das, was wir an Freiheit, an Selbstbestimmung, an Selbstermächtigung mal erkämpft haben in unserer Demokratie, das findet im digitalen Raum zu wenig statt. Und das wollen wir uns zurückholen!“, betont der SPD-Politiker. Man werde soziale Netzwerke nie wieder abschaffen können. Doch „wir wollen selber entscheiden, wie Algorithmen funktionieren“, so Klüssendorf. Er wolle nicht von anderen eingespielt bekommen, womit er sich den ganzen Tag informiere. Nun gehe es darum, die sozialdemokratischen Grundwerte Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität neu zu denken und an die digitalen Entwicklungen anzupassen.

Autor*in
Porträtfoto Mann mit Brille und dunkelblonden Haaren
Carl-Friedrich Höck

ist Leitender Redakteur der DEMO. Er hat „Public History” studiert.

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