Was Kommunen gegen Rechtsextremismus tun können
In Spremberg wehrt sich die Bürgermeisterin gegen Rechtsextremismus. Nazi-Strukturen und rechte Aktivitäten gibt es auch in vielen anderen Städten und Gemeinden. Fünf Tipps, was Kommunalpolitiker*innen dagegen unternehmen können.
Thomas Imo/Photothek
Demonstration gegen Rechtsextremismus (Februar 2024 in Berlin): Allianzen bilden hilft im Kampf gegen rechtsextreme Aktivitäten, auch in kleinen Kommunen.
Das jüngste Beispiel ist Spremberg. Die Stadt in der Lausitz macht Schlagzeilen, nachdem die parteilose Bürgermeisterin Christine Herntier ein grassierendes Problem angesprochen hat: den Rechtsextremismus, der sich in Spremberg ausbreitet. Im Amtsblatt berichtete Herntier von „Schmierereien, verfassungsfeindlichen Symbolen, Verherrlichung von Adolf Hitler mitten in der Stadt“. Lehrer*innen und Schüler*innen der Oberschulen kämen voller Wut und Angst zu ihr. Gleichzeitig werde die Bürgermeisterin angefleht, bloß nichts zu sagen. Im Ort ist die rechtsextreme Partei „Der III. Weg“ sehr aktiv.
Damit ist Spremberg nicht allein. In vielen Teilen Deutschlands stehen Kommunalpolitiker*innen vor dem Problem, dass sich eine rechtsextreme Szene festzusetzen versucht. Die DEMO gibt fünf Tipps, was man dagegen tun kann.
Tipp 1: Das Problem nicht kleinreden
Kommunalpolitiker*innen stehen oft vor einem Dilemma: Wenn sie öffentlich darüber sprechen, dass ihr Ort ein Problem mit Rechtsextremismus hat, führt das zu entsprechenden Medienberichten. Das kann zur Konsequenz haben, dass diejenigen, die den Mund aufmachen, als „Nestbeschmutzer“ gelten. Auch Sprembergs Bürgermeisterin wird nun von einem Teil der Bürger*innen vorgeworfen, sie würde die Kommune in ein schlechtes Licht stellen.
Vorhandene Probleme zu ignorieren, ist trotzdem der falsche Ansatz. Ohnehin können das nur diejenigen, die nicht selbst von rechten Einschüchterungen oder Angriffen betroffen sind. Wenn eine Reaktion der Mehrheitsgesellschaft ausbleibt, bestärkt das die Rechtsextremen in ihren Aktivitäten.
„Es braucht ein aktives Eintreten für demokratische Werte“, betont Matthias Müller von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus Berlin (MBR). Lea Lochau von der Amadeu-Antonio-Stiftung (AAS) erklärt: „Es ist sehr wichtig, rechtsextreme Gewalt und rechtsextreme Netzwerke auf allen Ebenen erst einmal anzuerkennen und zu verstehen.“ Sie empfiehlt eine Situations- und Gefahrenanalyse. Darauf aufbauend könne man schauen, welche Bedarfe es in der Politik oder Verwaltung gibt und welche Beratung die Kommune gegebenenfalls benötigt.
Tipp 2: Solidarisch sein
Demokrat*innen sollten im Kampf gegen Rechtsextremismus zusammenhalten. Wenn eine Bürgermeisterin Probleme anprangert und sich dadurch öffentlicher Kritik aussetzt, wäre es fatal, wenn konkurrierende demokratische Parteien diese Kritik noch verstärken, um daraus einen parteipolitischen Vorteil zu ziehen. Es kann hilfreich sein, wenn sich die demokratischen Fraktionen frühzeitig auf einen Verhaltenskodex verständigen. Darin kann zum Beispiel festhalten werden: Wie reagieren wir, wenn eine*r von uns verbal oder tätlich angegriffen wird?
Solidarität ist aber auch wichtig im Umgang mit betroffenen Bürger*innen. Ein Beispiel: In Burg (Spreewald) haben zwei Lehrkräfte rechtsextreme Vorfälle an ihrer Schule öffentlich gemacht. Daraufhin wurden sie angefeindet und berichteten, sie würden selbst von einem Teil des eigenen Kollegiums nicht mehr gegrüßt. Auch in Spremberg haben sich Lehrer*innen hilfesuchend an die Bürgermeisterin gewandt.
Was können Kommunalpolitiker*innen in solchen Fällen konkret tun? Matthias Müller meint, es müsse Räume geben, „in denen sich demokratische Akteur*innen treffen, kommunizieren, austauschen und gemeinsame Handlungsstrategien planen können“. Konkret heißt das: Bürgermeister*innen, die von rechten Vorfällen erfahren, sollten demokratische Initiativen, Parteien und Vereine an einen Tisch bringen. Besonders in kleineren Kommunen sei es wichtig, sogenannte Stakeholder einzubeziehen. Damit meint Müller Menschen, die im Ort geachtet werden – zum Beispiel weil sie in der Kirche, im Sportverein oder in der Feuerwehr eine wichtige Rolle spielen.
Tipp 3: Den Rechten keine Lücke lassen
Wenn der Staat aus Geldnot Sportanlagen oder Jugendclubs zusammenstreicht, entstehen Lücken. Hier stoßen Rechtsextreme häufig rein und schaffen eigene Freizeitangebote.
Das sollten Kommunen im Blick haben, wenn sie ihre Haushaltsmittel verteilen. „Wir brauchen auch Investitionen in die soziale, demokratische Infrastruktur, um genau diese Form von rechtsextremer Landnahme zu verhindern“, sagt Matthias Müller. Damit meint er zum Beispiel gute Schulen mit engagierten Lehrkräften, Jugendeinrichtungen und Demokratieprojekte.
Gleichzeitig müssen Kommunen ein Auge darauf haben, dass vorhandene Einrichtungen nicht von rechts gekapert werden. In den 1990er Jahren war der Ansatz der „akzeptierenden Jugendarbeit“ sehr verbreitet. So sollten auch rechtsextreme Jugendliche erreicht werden. Doch die rechte Szene wurde dadurch nicht geschwächt, sondern teilweise gestärkt, weil sie in den Jugendclubs Nachwuchs rekrutieren konnte. Lea Lochau rät dazu, aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen und auf eine wertebasierte „demokratische Sozialarbeit“ zu setzen. Best-Practice-Beispiele aus anderen Kommunen könnten helfen, einen geeigneten Ansatz für die eigene Gemeinde zu entwickeln.
Tipp 4: Augen auf bei Immobilienkäufen
So manche Kommune war zunächst froh, Interessent*innen für eine leerstehende Immobilie gefunden zu haben – um dann festzustellen, dass Rechtsextreme hier ein Schulungszentrum oder Parteibüro planen.
Damit das gar nicht erst passiert, kommt es auf einen guten Informationsfluss an. Das Personal in den Behörden sollte für das Thema Rechtsextremismus sensibilisiert werden, etwa im Rahmen von Schulungen. Wird ein Verwaltungsmitarbeiter im Vorfeld eines Immobilienverkaufs hellhörig, müssen auch andere Verwaltungsbereiche einbezogen werden. Im Zweifel hilft eine Anfrage bei der Polizei oder dem Verfassungsschutz.
Wenn die Immobilie nicht der Kommune selbst gehört, sind die Einflussmöglichkeiten der Kommune beschränkt. Ganz machtlos ist sie aber oft nicht. Unter Umständen besteht ein Vorkaufsrecht für die Kommune. Oder sie kann das Gebäude planungsrechtlich umwidmen.
Tipp 5: Unterstützung suchen
Wie wichtig Netzwerke und Zusammenhalt im Kampf gegen rechts sind, wurde oben bereits erwähnt. Wer sich öffentlich gegen Rechtsextremismus positioniert, läuft Gefahr, selbst zur Zielscheibe von Anfeindungen zu werden. Lokale Bündnisse können sich untereinander ermutigen, einen gewissen Schutz und Rückendeckung bieten.
Unterstützung kann auch von außen kommen. In Spremberg hat Brandenburgs Innenminister René Wilke (parteilos) seine Unterstützung angeboten. In allen Bundesländern gibt es mobile Beratungen gegen Rechtsextremismus. Dort findet man Hilfe bei der Erstellung von Schutzkonzepten oder Tipps für die eigene Öffentlichkeitsarbeit. Wer bereits angefeindet wird, kann sich an eine Opferberatungsstelle wenden. Speziell für Kommunalpolitiker*innen wurde die „Starke Stelle“ eingerichtet, eine bundesweite und unabhängige Ansprechstelle.
Weiterführende Links:
Starke Stelle: stark-im-amt.de/starke-stelle/
BEWARE – das Praxistool zur bedarfsorientierten Strategieentwicklung für den Umgang mit Bedrohungen: hs-niederrhein.de
Kurzbericht „Bedrohung der zivilgesellschaftlichen Demokratiearbeit“ aus dem Projekt BEWARE: hs-niederrhein.de
„Bedroht zu werden, gehört NICHT zum Mandat“ Ein Ratgeber zum Umgang mit rechten Bedrohungen und Angriffen für Kommunalpolitiker*innen und Kommunalverwaltung (2021): mbr-berlin.de
Wichtiger denn je: Wir lassen uns das Wort nicht nehmen! Empfehlungen für die Durchführung störungsfreier Veranstaltungen 2024: mbr-berlin.de
Amadeu-Antonio-Stiftung „Das können Sie gegen Rechtsextremismus und -populismus tun“: amadeu-antonio-stiftung.de
Dirk Bleicker
ist Leitender Redakteur der DEMO. Er hat „Public History” studiert.