Demo-Kommunalkongress 2017

Anpacken statt Aufregen

Markus Hüttmann 20. November 2017
Teilnehmer des DEMO-Kommunalkongresses 2017 diskutieren Fragen des Flüchtlingsmanagements in der Praxis.
In den gescheiterten Sondierungsgesprächen zwischen CDU/CSU, Grünen und FDP wurde viel über Obergrenzen und Grundrechte für Flüchtlinge diskutiert. Aber wie sieht es eigentlich mit dem alltäglichen Flüchtlingsmanagement dort aus, wo es darauf ankommt: In den Kommunen? Darüber sprachen auf dem Berliner DEMO-Kommunalkongress Vertreter aus der kommunalen Praxis.

Im Umgang mit Flüchtlingen vor Ort muss „die Menschlichkeit im Mittelpunkt stehen“, sagt Mario Abl mit fester Überzeugung in der Stimme. Der sozialdemokratische Bürgermeister der österreichischen Gemeinde Trofaiach ist zusammen mit weiteren SPÖ-Genossen extra aus der Steiermark angereist. Nun berichtet er in einem Workshop auf dem Regionalkongress der DEMO unter dem Motto „Kommunale Steuerung: Flüchtlingsmanagement in der Praxis“ über die alltägliche Arbeit mit Flüchtlingen in seiner Gemeinde.

Flüchtlinge: „Ganze Gemeinde einbeziehen“

Abl gehe es darum, die ganze Gemeinde in den Integrationsprozess einzubeziehen: „Kommunikation ist ganz entscheidend.“ Auch in seinem Verantwortungsbereich hätte es vor allem zu Beginn der Flüchtlingskrise „schwierige Bürgerversammlungen“ gegeben. Nun sei in Trofaiach ein Internat für unbegleitete männliche Flüchtlinge vorhanden, die so genannten „UMF’s“. Von den 30 Internatsschülern seien mittlerweile 20 auf Gymnasien oder in Lehrberufen untergekommen. Vor dem Hintergrund des Wahlerfolgs für rechte Parteien bei der letzten Nationalratswahl im Oktober kritisiert Abl auch: In den Medien herrsche um die insgesamt etwa 95.000 Flüchtlinge in Österreich oft ein viel größerer Aufruhr als in der praktischen Realität vor Ort.

Das bestätigt Dietmar Molthagen der für die Friedrich-Ebert-Stiftung empirisch im Integrationsbereich forscht, auch für Deutschland: Die Ergebnisse einer Befragung zur Flüchtlingsintegration in den Kommunen zeigten, dass die Skepsis nach dem Zuzug der Flüchtlinge oft kleiner sei als vorher: Im persönlichen Kontakt „wird der Muslim zum Mensch“, sagt Molthagen. Der oft geäußerten These von unvereinbaren Kulturen erteilt er eine Absage: Die Forschung zeige, dass „Differenzen bei Bildung und sozioökonomischem Status oft wichtiger als kulturelle Unterschiede“ seien.

Kompetenzteam Kommunales Flüchtlingsmanagement

Aus der deutschen Praxis berichtet Matthias Kreutzer vom Kompetenzteam Kommunales Flüchtlingsmanagement (KGSt): Vor allem zur Hochphase der Flüchtlingskrise hätte man zu sehr auf Effizienz statt Effektivität gesetzt. Menschen aus sehr unterschiedlichen Kulturkreisen unter schwierigen Bedingungen „zusammenzupferchen“, führe natürlich zu Problemen, bemängelt Kreutzer. Überhaupt, heißt es da aus der Runde der Zuhörer: Die Flüchtlingskrise sei ja bei weitem nicht das erste Mal, dass Menschen in großer Zahl nach Deutschland fliehen: In einigen Orten habe es immer noch erfahrene Asylinitiativen aus der Zeit der Jugoslawienkriege gegeben, dass habe sich als große Hilfe herausgestellt.

Ein Stichwort, dass oft fällt, ist das der „Sozialräume“. Man müsse immer auf die jeweiligen Gegebenheiten und Akteure vor Ort in der Gemeinde eingehen, erklärt Matthias Kreutzer. Es gelte zu überlegen: „Wo finde ich den Kontakt?“ Statt auf schlecht besuchten Veranstaltungen im Rathaus könne man die Leute auch mal beim Metzger ansprechen. Mario Abl erklärt, dass in der Flüchtlingsarbeit ganz viel über Sport- und Kulturvereine laufe. Und natürlich sei „Arbeit die beste Integration“.

Gute Erfahrungen mit offenen Foren und Info-Tischen

Katarina Niewiedzial, Integrationsbeauftragte des Berliner Bezirks Pankow, hat gute Erfahrungen mit offenen Foren und Informationstischen gemacht: Die hätten sich als viel konstruktiver erwiesen als Bürgerversammlungen, in denen von bestimmten Leuten nur gepöbelt werde. Was die Flüchtlinge selbst angeht: Die würden teilweise offensiv eine Wertevermittlung einfordern – statt „Wollsockenpädagogik“.

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