Teilhabe

Besserer Durchblick dank Leichter Sprache

Uwe Roth14. September 2020
Ziel der Leichten Sprache ist es, kommunikative Barrieren für Menschen mit Lese- und Verstehenseinschränkungen abzubauen.
Behinderte haben Anspruch auf verständliche Information – Doch nicht alle finden die geltende Verordnung BITV 2.0 gut

Inklusionsbeauftragte kennen das Datum 23. September 2020. Von diesem Tag an gilt für die Betreiber kommunaler Internetseiten die Barriere-­freie-Informationstechnik-Verordnung 2.0 (kurz BITV 2.0.). Bislang hatte die Bundesverwaltung ­darauf zu achten, dass deren Onlineportale für Menschen mit einer Seh-, Hör- oder geistigen Behinderung zugänglich sind. Nun sind die Gestaltungsvorschriften, die auf eine EU-Richtlinie von 2016 zurückgehen, in den Bundesländern angekommen. Zum einen geht es dabei um Gestaltungsaspekte: So können im Browser die Schrift größer gesetzt und der Kontrast schärfer gestellt werden. Es gibt eine Lupe-Funktion. Vor allem größere Verwaltungen bieten den neuen Service bereits an. In den neuen Versionen der Standardbrowser sind solche Funktionen integriert. Das hilft etwa Menschen mit einer Sehschwäche.

Nur eine Webseite verständlich

Doch solche technischen Hilfen bringen jenen Besuchern wenig, die schlecht lesen und verstehen können. Das sind nicht nur Menschen mit Lernschwierigkeiten/geistiger oder einer psychischen Behinderung. Dazu gehören ebenfalls Senioren im hohen Alter oder Bürger, deren Deutsch nicht Muttersprache ist. Für diesen Personenkreis gibt die BITV die Leichte Sprache als weiteren Baustein der Barrierefreiheit vor. Doch dieser Teil der Vorschrift hat einen entscheidenden Haken: Leichte Sprache kann auf eine einzige Webseite beschränkt bleiben. Auf dieser müssen lediglich „Informationen zu den wesentlichen Inhalten der Internetseite“ in der verständlichen Sprachform stehen; die übrigen Seiten können in schwerer Sprache so bleiben, wie sie sind.

Fünf Prozent des Inhalts in Leichter Sprache und der Rest in Verwaltungssprache: Der Gesetzeber hat den Portalbetreibern eine Hintertüre offengelassen, um deren Aufwand für die Barrierefreiheit zu minimieren. Was das für Menschen mit Verständnisproblemen bedeutet, lässt sich mit einem Rollstuhlfahrer verdeutlichen: Wenn dieser über eine Rampe zwar ins Foyer eines öffentlichen Gebäudes kommt, er die übrigen Etagen wegen zu enger Aufzüge aber nicht erreicht, ist von Barrierefreiheit nicht die Rede.

Kritik: BITV 2.0 ist zahnloser Tiger“

Für Bettina Mikhail vom Verbund Leichte Sprache Braunschweig ist die BITV 2.0 nicht mehr als „ein zahnloser Tiger“. Sie erläutert die Unzulänglichkeit der Vorschrift an einem Beispiel: Eine Person, die auf Leichte Sprache angewiesen ist, erfährt auf der Erklärseite, über welche Pfade sie einen Antrag auf Elterngeld ausfüllten könnte, wenn sie die Anleitung und das Formular in Standardsprache lesen könnte. Das sei nicht sehr hilfreich, findet Mikhail. Zudem seien Buttons für Angebote in Leichter Sprache oft weit unten in der Fußzeile angebracht oder sind die Informationen „tief in der ­Seitenstruktur verborgen“, wie der Verbund kritisiert.

Ein Grund für die aus Sicht der Betreiber großzügigen Regelungen ist sicher, dass die Umsetzung von Verwaltungstexten in die Leichte Sprache Geld kostet. Das bestätigt Ursula Frenz. Sie ist die Inklusionsbeauftrage der Stadt Mannheim. Davor war sie mit dem Thema beim Städtetag Baden-Württemberg beschäftigt. Auf der städtischen Webseite ist das Angebot an Informationen in Leichter Sprache vergleichsweise groß. Franz sorgt dafür, besonders jene Themen in den Webauftritt zu bringen, die für den Personenkreis interessant sind. In den Fachbereichen wirbt sie für die Leichte Sprache. Anstrengend sei auch, die Menschen auf das Informations­angebot aufmerksam zu machen. „Von allein kommt niemand auf diese Seite.“

Wichtig für Teilhabe

Da hilft der Zuspruch durch ihren Oberbürgermeister Peter Kurz (SPD), der sagt: „Die Teilhabe aller Menschen an unserer Stadtgesellschaft ist nur möglich, wenn die notwendigen Informationen in der richtigen Form und Verständlichkeit zugänglich sind. Nur so können wir uns gemeinsam über die Herausforderungen des Alltags austauschen, Argumente miteinander abwägen und Ziele gemeinsam formulieren.“ Die kontinuierliche Sensibilisierung von Verwaltung und Zivilgesellschaft sei bei der immer schneller werdenden Kommunikation „ungeheuer wichtig“.

In Deutschland haben Behinderte einen Anspruch auf verständliche Information. Die USA sind hier schon etwas weiter, indem Bundesbehörden angewiesen sind, mit allen Bürgern in Plain Language (Einfache Sprache) zu kommunizieren, die etwas komplexer als Leichte Sprache ist.

Problem: Zielgruppen erreichen

Die Corona-Krise hat gezeigt: Die Verwaltung informiert die Bürgerinnen und Bürger – meistens in knapper Form – oft online, aber auch auf einem Infoblatt oder per Pressemitteilung. Doch viele Familien haben keine Lokalzeitung, in der sie etwas über Hintergründe zur Schließung öffentlicher Einrichtungen erfahren könnten oder sie informieren sich nicht aktiv. Anstatt Informationen in Einfache Sprache zu bringen, werden schwere Texte in die Muttersprache von Migranten übersetzt. Doch das Ergebnis ist wieder schwere Sprache. In der Konsequenz wären Kommunen gut beraten, ihre Kommunikation um Leichte/Einfache Sprache zu erweitern, um mit wichtigen Informationen mehr Bürgerinnen und Bürger zu erreichen.