Interview mit Stefan Pantekoek

China-Politik: „Es fehlt den Kommunen an Strukturen und Ressourcen”

Carl-Friedrich Höck07. März 2024
Stefan Pantekoek ist China-Experte bei der Friedrich-Ebert-Stiftung.
In der deutschen China-Politik werde die Rolle der Kommunen unterschätzt, meint Stefan Pantekoek. Der Experte der Friedrich-Ebert-Stiftung erklärt, welche Unterstützung Städte und Gemeinden brauchen und warum sie vor einem China-Dilemma stehen.

DEMO: Sie haben die Rolle der Kommunen in der deutschen China-Politik untersucht. Diese sollten stärker eingebunden werden, heißt es in Ihrer Studie. Warum sind die Städte und Gemeinden so wichtig?

Stefan Pantekoek: Weil die operative Politik in den Kommunen stattfindet. Dort wird entschieden, ob man eine Partnerschaft mit einer chinesischen Gemeinde eingeht. Wenn für eine chinesische Investition Flächen benötigt werden, legen die Kommunen fest, ob und wo gebaut werden darf und wie hoch die Gewerbesteuer ist. Ähnliches gilt für den Bildungs- und Kulturbereich. Zwar spielen geopolitische und geoökonomische Fragen eine zunehmende Rolle im Umgang mit China. Hier reden Bund und Land richtigerweise mit. Aber die konkreten Entscheidungen werden maßgeblich vor Ort getroffen.

In der Studie sprechen Sie von einem China-Dilemma: Einerseits will Deutschland sich von China distanzieren, andererseits kooperieren. Was bedeutet das in der Praxis für die Kommunen?

Die Kommunen stehen in einem harten Wettbewerb zueinander – und zwar im gesamten europäischen Binnenmarkt. Alle Kommunen wollen Steuereinnahmen und Wachstumsimpulse. Da sind chinesische Investoren ein willkommener Partner, gerade mit Blick auf die gegenwärtige Wirtschaftslage in Deutschland. Insbesondere im Investitionsbereich schwächelt Deutschland ja, auch im Vergleich zu den europäischen Nachbarn. Gleichzeitig führen wir eine grundsätzliche Debatte über die Neuausrichtung deutscher China-Politik. Im Mittelpunkt stehen Fragen von Resilienz, mögliche Risiken und strategische Abhängigkeiten von China. Diese Diskussion hat im Zuge des russischen Angriffs auf die Ukraine deutlich an Fahrt aufgenommen. Deshalb schauen Teile der Bundesregierung sehr kritisch auf chinesische Investitionen in Deutschland.

Zu Recht?

Es kommt immer auf den konkreten Fall an. Sei es mit Blick auf den Wirtschaftssektor, die Investitionsart oder wer sich letztlich hinter dem chinesischen Akteur verbirgt. Pauschalitäten helfen hier nicht weiter. Selbstverständlich sollte sehr sorgfältig geschaut und geprüft werden, ob chinesische Beteiligungen im Bereich kritischer Infrastruktur überhaupt ermöglicht werden sollten. Ungeachtet dessen gehört zur neuen Realität dazu, dass die Chinesen in Bereichen wie der Stahlindustrie oder der Batteriezellenfertigung Know-how mitbringen, wovon im reinen Eigeneinteresse profitiert werden kann.

In zahlreichen Interviews, die wir mit Unternehmensvertreter*innen und entsprechender Belegschaft in NRW oder Mitteldeutschland geführt haben, wurde uns ausführlich geschildert, wie von Technologievorsprüngen chinesischer Eigentümer oder Anteilseigener profitiert wird. Dadurch erzielen die Unternehmen unter anderem Wettbewerbsvorteile gegenüber ihren europäischen Konkurrentinnen, womit letztlich im Falle von Übernahmen auch Standort- und Beschäftigungssicherheit einhergehen.

Das China-Dilemma wird für Kommunen besonders dann zum Problem, wenn sie sich schon gemeinsam mit chinesischen Investoren auf den Weg gemacht haben – und die Bundespolitik erst, wenn das Geschäft fast schon abgeschlossen ist, aus Sicherheits- oder Resilienzgründen einen Riegel vorschiebt. Hier wünschen sich die Kommunen einen klaren Handlungsrahmen und einen stetigen Dialog mit der Bundesebene, damit es gar nicht erst so weit kommt. Die neue China-Strategie der Bundesregierung vom Sommer 2023 hat aus Sicht der Kommunen die Erwartungen nach einer klaren Priorisierung von Risikobereichen oder Bedingungen für Kooperation nicht erfüllt. Dadurch nimmt die bereits exzitierende Verunsicherung in Kommunen, wie sie mit China weiter umgehen sollen, weiter zu.

Was raten Sie den Kommunen, die chinesische Investitionen anlocken wollen? Auf was sollten sie achten und was vermeiden?

Wichtig ist immer, dass man sich vorab ganz dezidierte Informationen einholt, mit was für einem chinesischen Akteur die Kommune es zu tun hat. Gerade bei chinesischen Unternehmen ist nicht immer leicht zu durchblicken, wer letztlich dahintersteckt. Politik und Wirtschaft sind in China eng miteinander verflochten. Besonders kleinere Städte und Gemeinden brauchen hier Unterstützung, weil sie keine große internationale Abteilung im Rathaus beschäftigen können im Vergleich zu einer Landeshauptstadt. Solche Kommunen brauchen Informationsquellen, wo sie Wissen und Empfehlungen an die Hand bekommen, wie chinesische Investoren agieren etc.

In der Studie sprechen wir übrigens nicht nur von Kommunen, sondern von kommunalen Akteuren. Wir haben uns auch im gewerkschaftlichen Milieu umgehört. Was bedeutet es für eine Belegschaft, wenn sie es plötzlich mit einer chinesischen Geschäftsführung zu tun bekommt? Zu Beginn fehlt es der neuen Unternehmensführung oft vollständig am Verständnis, wie innerbetriebliche Mitbestimmung in deutschen Unternehmen funktioniert. Und die Betriebsräte werden dann mit diesem Problem alleingelassen. Das kann ein Unternehmen ins Wanken bringen. Auch da empfehlen wir, dass Anlaufstellen geschaffen werden, wo kommunale Akteure sich Chinakompetenz heranholen können.

Was empfehlen Sie der Bundesregierung?

Sie könnte ein zentrales „China-Hub” schaffen und auch dezentrale Ableger in Kooperation mit Ländern und Kommunen fördern. Also eine klare und vertrauensvolle Anlaufstelle, wo man nicht nur allgemeine Informationen bekommt, sondern auch ganz konkret auf Einzelfälle eingehen kann. Zweitens könnte der Bund einen Beitrag zum Aufbau samt finanzieller Unterstützung von interkommunalen Netzwerktreffen mit einem Fokus auf China leisten – weniger um Wettbewerb zwischen den Kommunen zu reduzieren, sondern vielmehr um die administrativen wie politischen Probleme im Umgang mit China zu besprechen. In den Niederlanden gibt es beispielsweise bereits eine offizielle Informations- und Anlaufstelle für Kommunen.

Wenn die Bundesregierung ihre China-Politik neu ausrichtet, sollte sie nah an den Kommunen dran sein und ein besseres Gespür dafür entwickeln, welche Sorgen sie umtreiben und welche Potenziale sie in einer Zusammenarbeit mit China sehen. Ohne die Einbeziehungen von Interessen und Aufgaben der Kommunen, verhindern wir letztlich, dass Vorteile der Kooperation mit China im wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bereich strategisch genutzt sowie Risiken offengelegt und minimiert werden können. Auf Bundesebene wird den Kommunen immer wieder eine gewisse Naivität im Umgang mit China vorgeworfen. Diese Naivität sehen wir so nicht. Es fehlt den Kommunen wie gesagt an Strukturen und Ressourcen, um so einem großen Akteur wie China Herr zu werden. Entsprechend hegen wir mit unserer Studie die Hoffnung einen Beitrag zu leisten, dass die Bedeutung der Kommunen für die deutsche China-Politik nicht weiter unterschätzt wird.

Die Studie zur China-Politik

„Kommunen – Kernstück deutscher China-Politik“ ist der Titel einer aktuellen Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung. Die Autorinnen und Autoren haben anhand von drei Untersuchungsregionen (Großraum Düsseldorf/Duisburg, Metropolregion Hannover, Braunschweig, Göttingen, Wolfsburg sowie Mitteldeutschland) – untersucht, wie unterschiedliche Akteure aus den Bereichen Verwaltung, Politik, Wirtschaft und Bildung die deutsch-chinesischen Kommunalbeziehungen charakterisieren und wie dies im Kontext der Debatte um eine Neuausrichtung der deutschen China-Politik zu bewerten ist. Unter anderem wurden für die Studie mehr als 80 Interviews geführt.

Eine Zusammenfassung der Ergebnisse und die Studie zum Download gibt es hier:
fes.de/studie-kommunen-kernstueck-deutscher-china-politik

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