Start nach den Sommerferien

Corona: „Eine erneute Schulschließung wäre ein heftiger Schlag.“

Kai Doering14. August 2020
Schule in Corona-Zeiten: Es muss darum gehen, möglichst lange einen normalen Schulbetrieb zu gewährleisten, sagt René Mounajed, Leiter der Robert-Bosch-Gesamtschule in Hildesheim.
Während in einigen Bundesländern die Schule bereits wieder begonnen hat, wird in anderen noch an Unterrichtskonzepten gearbeitet. René Mounajed, Leiter der Robert-Bosch-Gesamtschule in Hildesheim, plädiert dafür, sich auf die Kernfächer zu konzentrieren.

Mit welchen Gefühlen blicken Sie auf den Schulstart Ende August?

Insgesamt habe ich das Gefühl, dass wir trotz der schwierigen Umstände gut aufgestellt sind. Die verschiedenen Bundesländer agieren inzwischen ziemlich einheitlich und ohne, dass sich einzelne Landespolitiker besonders profilieren wollen. Auch die Umsetzung der drei Szenarien nach Höhe der Fallzahl scheint mir plausibel und machbar zu sein, sodass ich den Start mit einer Vollbeschulung für sinnvoll halte. An der Robert-Bosch-Gesamtschule versuchen wir so in ein Schuljahr zu starten, das funktionieren kann, natürlich in Abhängigkeit der Fallzahlen.

Sorgen haben Sie keine?

Doch, natürlich. Sorgen bereitet uns Schulleitungen vor allem die Entwicklung, die sich aus den Reiserückkehrern ergibt. Zurzeit gehen die Fallzahlen überall hoch und es ist kaum vorherzusagen, wie die Situation in Niedersachsen in drei Wochen sein wird. Das macht die Planung so schwierig.

René Mounajed, Leiter der Robert-Bosch-Gesamtschule in Hildesheim

Was würde eine erneute Schulschließung bedeuten?

Das wäre ein heftiger Schlag. Schon allein, wenn unsere Schule nur zur Hälfte den Betrieb einstellt, werden dadurch Schüler abgehängt – und zwar meistens die, die die Schule besonders brauchen, etwa weil sie zuhause nicht die notwenige Unterstützung erhalten oder über die technische Ausstattung verfügen. Manche Schüler kommen mit dem digitalen Unterricht gut klar, andere brauchen den Pädagogen, der neben ihnen sitzt. Sollte es zu einem erneuten Lockdown kommen, würden wir auf jeden Fall versuchen, bestimmte Schüler trotzdem in die Schule zu holen. Insgesamt muss es aber jetzt darum gehen, möglichst lange einen normalen Schulbetrieb zu gewährleisten, um die im Frühjahr entstandene Defizite aufzuholen.

Das niedersächsische Kultusministerium geht davon aus, dass das neue Schuljahr „im eingeschränkten Regelbetrieb“ starten wird. Was bedeutet das für den Schulalltag?

Auch wir gehen erstmal davon aus, dass das Schuljahr 2020/2021 weitgehend im Präsenzbetrieb stattfindet und höchstens vorübergehend zum Teil durch das Homeschooling ergänzt werden muss. Ein weiterer Lockdown sollte unbedingt verhindert werden. Eine praktische Konsequenz ist, dass nur diejenigen die Schule betreten dürfen, die dort arbeiten oder unterrichtet werden. Alle anderen müssen ihr Kommen anmelden und ihre Kontaktdaten hinterlegen. Zudem herrscht auf Fluren, in Toiletten und der Mensa Maskenpflicht. Auf Klassenfahrten verzichten wir bis auf weiteres komplett. Auch Praktika wird es wohl nicht geben.

Die Schulen sind insgesamt gut beraten, wenn sie ihr Hauptaugenmerk auf den Pflichtteil legen. Das bedeutet, dass sie gewährleisten sollten, dass der Unterricht in den Hauptfächern regulär stattfinden kann, damit kein Schüler abgehängt wird. Alles andere wie Arbeitsgemeinschaften ist die Kür, auf die im Zweifelsfall verzichtet werden sollte. So handhaben wir es an der RBG und setzen dabei auch auf die Rückendeckung der Landespolitik.

Im Frühjahr mussten hunderttausende Schüler*innen mehr oder weniger von einem Tag zum anderen vom Präsenzunterricht ins digitale Lernen wechseln. Hat das an der RBG gut geklappt?

Ja, technisch gab es bei uns kaum Probleme. Das liegt vor allem daran, dass wir schon vorher Ipad-Jahrgänge hatten und seit Jahren mit einer digitalen Bildungsplattform arbeiten. Bei uns sind alle Schülerinnen und Schüler miteinander vernetzt und es gibt digitale Arbeitsgruppen. Auch Videokonferenzen konnten wir nutzen. Pädagogisch mussten wir allerdings im Laufe der Zeit ein wenig nachjustieren etwa als es um die Frage ging, wer wann welche Aufgaben stellt, damit die Schüler im Homeschooling nicht über- aber auch nicht unterfordert werden. All das hat eine Arbeitsgruppe in den Ferien ausgewertet, sodass wir zum neuen Schuljahr mit einem geprüften Standard starten können. Das gibt uns auch die Sicherheit, nahtlos in eine andere Arbeitsweise wechseln zu können, wenn es die Corona-Situation erfordert.

Welche Lehren ziehen Sie sonst aus der Phase im Frühjahr als die Schulen über Wochen geschlossen waren?

Das Entscheidende war sicher die Auswertung, was im Homeschooling gut geklappt hat und wo Verbesserungsbedarf besteht. Wir haben aber auch die Lehrpläne angepasst und Inhalte gestrichen, um den Unterricht im kommenden Schuljahr zu entlasten. In der Sekundarstufe eins konnten die Schulen darüber selbst entscheiden, in der Sekundarstufe zwei hat das das Kultusministerium übernommen. An der RBG treffen wir uns zum Ende der Ferien und werden ausgiebig darüber beraten, wie die Lehrinhalte im neuen Schuljahr aussehen werden.

Gibt es an der RBG Pläne für den Fall, dass Corona-Fälle bei Schüler*innen oder Lehrer*innen auftreten?

In so einem Fall übernimmt das Gesundheitsamt und entscheidet, welche Bereiche der Schule geschlossen werden und wer in Quarantäne kommt. Aufgabe der Schule ist, ein gutes Krisenmanagement zu gewährleisten, indem wir etwa Infektionsketten nachvollziehbar machen. Deshalb sind wir angehalten, die Anwesenheit der Schülerinnen und Schüler noch sorgfältiger zu dokumentieren und Sitzpläne verlässlich einzuhalten. Die Schulen werden in die Verantwortung genommen und das ist auch richtig so, denn die Schulleitungen kennen die Verhältnisse vor Ort am besten. Dafür brauchen sie aber auch den starken Rückhalt und das Vertrauen der Politik. Den Vorstoß, wie er in Niedersachsen vor kurzem aus der Verwaltung kam, dass doch die Schulleiter finanziell mit Bußgeldern belangt werden sollten, wenn etwas nicht klappt, halte ich daher auch für falsch. Anstelle einer Sündenbocksuche wären Wertschätzung und Anerkennung für die Aufrechterhaltung des Bildungsbetriebes nötig gewesen: Viele Schulleiter*innen haben ihren Dienst all die Wochen und Monate versehen, obwohl sie selbst zur Risikogruppe gehören.

Das Interview ist zuerst auf vorwaerts.de erschienen.

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