Fachkonferenz Digitale Agenda

Dulig warnt davor die Digitalisierung zu verschlafen

Carl-Friedrich Höck31. März 2017
Martin Dulig in Leipzig
Martin Dulig (SPD) auf der Fachkonferenz "Digitale Agenda in den Kommunen. Infrastruktur für morgen - heute gestalten!"
Der digitale Wandel muss in den Kommunen gestaltet werden, betonte der SGK-Vorsitzende Frank Baranowski zum Auftakt einer Fachkonferenz in Leipzig. Und Sachsens Wirtschaftsminister Martin Dulig zeigte sich besorgt: Manche Unternehmen hätten noch gar nicht begriffen, was auf sie zukommt.

„Wir alle wissen, dass da eine ziemlich wuchtige, streckenweise auch faszinierende Entwicklung am Werk ist“, sagt Frank Baranowski, der Vorsitzende der Sozialdemokratischen Gemeinschaft für Kommunalpolitik (Bundes-SGK). Wir, das sind rund 200 Zuhörer aus der ganzen Republik, die sich auf Einladung der Bundes-SGK in einem Leipziger Hotel  eingefunden haben. Sie wollen über die Digitalisierung der Kommunen sprechen. Ein Thema, „das allgegenwärtig ist“, wie Baranowski betont. Der digitale Wandel betreffe alle Lebensbereiche.

Baranowski: Hotspots sind nur ein Anfang

Frank Baranowski
Frank Baranowski ist Vorsitzender der Bundes-SGK und Oberbürgermeister von Gelsenkirchen.

Und diesen Wandel müssen die Kommunen aktiv mitgestalten, meint der SGK-Vorsitzende. „Sind die persönlichen Daten, die ich bei der öffentlichen Verwaltung habe, noch sicher? Warum bekomme ich kein schnelles Internet da, wo ich wohne? Welche Apps könnt ihr mir anbieten, die das Leben in meiner Heimatstadt erleichtern?“ Das seien die Fragen, die Bürger stellen und auf die Kommunen antworten müssten.

Ja, mancherorts gebe es bereits kostenfreie WLAN-Hotspots im öffentlichen Raum oder Mängelmelder-Apps. Das sei aber nur „ein allererster Anfang“, warnt Baranowski vor Genügsamkeit. „Es wird kaum ein Aufgabenfeld der Kommunalpolitik geben, das von den Entwicklungen unberührt bleiben wird.“

Digitaler Wandel wirft neue Fragen auf

Eine Gebrauchsanleitung für den Wandel müssen die Kommunen erst erstellen, Schritt für Schritt. Und so stehen am Anfang der Konferenz vor allem Fragen: Wie verändert sich die Arbeitsweise in den Behörden? Was für personelle und finanzielle Ressourcen braucht es für die neuen Technologien? Was bedeutet der digitale Wandel für Weiterbildungen und den Umgang mit älteren Mitarbeitern, die in der analogen Welt gelernt haben?

Die Bürger entwickeln neue Ansprüche, hat Baranowski festgestellt. „Natürlich gehen die Bürger davon aus, dass vieles heute digital geht. Zugleich erwarten sie höchste Datensicherheit.“ Und auch beim Thema Open Data entstehe eine Bringschuld: Plötzlich müssen sich Kommunen rechtfertigen, wenn sie eigene Datensätze nicht öffentlich verfügbar machen.

Bewusstsein für Digitalisierung noch mangelhaft

Dass nicht nur die kommunalen Verwaltungen, sondern auch die örtlichen Wirtschaftsunternehmen sich auf den Wandel einstellen müssen, macht der sächsische Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) anschließend deutlich. Ein Schlüsselerlebnis sei für ihn eine Debatte mit Unternehmern vor zweieinhalb Jahren gewesen. Der Großteil der sächsischen Unternehmen habe weniger als zehn Mitarbeiter. „Da sagten viele, die Digitalisierung spielt für unser Unternehmen keine Rolle. Was sie meinten war: Wir brauchen keinen Online-Shop.“

Die Digitalisierung verändere aber – ähnlich wie die industrielle Revolution – alle Lebensbereiche, nur vollziehe sie sich viel schneller. „Die Entwicklung ist in dieser Dynamik beispiellos“, meint Dulig. Als Beispiel nennt er das „Internet der Dinge“: In Zukunft werde der Großteil der Online-Kommunikation nicht mehr zwischen Menschen, sondern zwischen Maschinen stattfinden, weil dann auch der heimische Kühlschrank und andere Geräte an das Netz angeschlossen sind.

Sachsen reagiert auf den Wandel

Noch immer meine ein Drittel der sächsischen Unternehmen, das Thema würde sie nicht betreffen, berichtet Dulig. „Da stellt sich die Frage, ob sie überlebensfähig sein werden.“ Um ein besseres Bewusstsein für den digitalen Wandel zu schaffen, setze die sächsische Landesregierung jetzt auf Beratungsangebote.

Darüber hinaus hat das Bundesland eine Digitalisierungsstrategie beschlossen. Wichtige Eckpunkte sind laut Dulig die Entwicklung der Infrastruktur, Cybersicherheit, gute Arbeit im digitalen Zeitalter, die Förderung der Innovationskraft und die Digitalisierung der Verwaltung.

50 Mbit zu verlegen lohnt nicht mehr

Beim Breitbandausbau hinke Sachsen leider noch immer hinterher, gibt Dulig zu. Nur knapp 58 Prozent der Haushalte hätten Bandbreiten von mindestens 50 Mbit. Wo die Landesregierung mit Fördermitteln nachhilft, dränge sie aber darauf, dass gleich 100 Mbit-Leitungen verlegt werden, ergänzt Dulig: Denn das „Internet der Dinge“ komme mit 50 Mbit nicht aus, solche Leitungen zu verlegen sei deshalb auf Dauer investitionshemmend.

Städte wie Leipzig und Dresden boomen, hier siedeln sich auch viele Start-ups und andere junge Unternehmen an, die Arbeitslosigkeit sinkt. Doch die Digitalisierung produziert nicht nur Gewinner, ruft Dulig ins Bewusstsein. „Wir sollten immer die gesellschaftspolitische Dimension berücksichtigen. Das ist auch ein Prozess, der Angst macht – manche Leute fragen sich, ob sie ihm gewachsen sind.“ Die SPD dürfe deshalb nicht nur eine technische Diskussion führen. Darauf hat zuvor auch Baranowski hingewiesen: Der Mensch müsse im Mittelpunkt stehen. Es sei auch eine Frage der Gerechtigkeit, dass alle Menschen die neuen Möglichkeiten nutzen können – indem sie Zugang zum schnellen Netz erhalten, aber auch die nötigen Kompetenzen erwerben können.

„Zu glauben, man kann den Wandel aufhalten, ist naiv“, merkt Dulig noch an. „Wir sind ja mittendrin.“

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