Kommunalwahlen in Bayern

„Ganz oder gar nicht“

Michael Kniess04. März 2020
Thorsten Brehm hat Großes vor. Der 35-jährige Sozialdemokrat könnte am 15. März einer der jüngsten Rathauschefs in einer deutschen Großstadt werden.
Thorsten Brehm hat Großes vor. Der 35-jährige Sozialdemokrat könnte am 15. März einer der jüngsten Rathauschefs in einer deutschen Großstadt werden. In Nürnberg will er die Nachfolge von Ulrich Maly antreten, der 18 Jahre als über Partei- und Stadtgrenzen hinweg beliebter und geschätzter Oberbürgermeister die Geschicke der zweitgrößten Stadt Bayerns gelenkt hat. Über eine herausfordernde Mission und große Fußstapfen.

Vor 20 Jahren hat Thorsten Brehm bereits einmal an die Tür des Nürnberger Rathauses geklopft. Genauer gesagt an die der SPD-Stadtratsfraktion. Was sie mit einem 15-jährigen Schüler anfangen sollten, der bei der SPD mitmachen wollte, wussten sie damals nicht so genau. „Ich hatte den Eindruck, dass man von meinem Ansinnen ziemlich überfordert war“, erinnert sich Thorsten Brehm. „Mir wurde eine kopierte Seite aus dem SPD-Adressheft in die Hand gedrückt mit einem Kontakt, an den ich mich wenden soll.“ Ein ganzes Jahr lag diese Seite bei Thorsten Brehm schließlich zu Hause, ehe er sich ein Herz fasste und es wagte.

Heute, fast ein Vierteljahrhundert später, klopft Thorsten Brehm als Vorsitzender der SPD Nürnberg und langjähriger SPD-Stadtrat wieder an die Tür des Nürnberger Rathauses. Anders als damals, ist heute jedoch klar, was der 35-jährige Diplom-Sozialwirt für die Sozialdemokraten erreichen soll. Mit ihm soll ein neues Kapitel Nürnberger Stadtpolitik beginnen. Denn seine Mission ist keine Geringere, als in die großen Fußstapfen von Ulrich Maly zu treten und ihm am 15. März nachzufolgen. Kein leichtes Unterfangen, hat Ulrich Maly doch 18 Jahre als über die Partei- und Stadtgrenzen hinweg beliebter und geschätzter Oberbürgermeister die Geschicke Nürnbergs gelenkt.

Mit Optimismus und 120 Prozent Richtung Rathaus

„Zweifelsohne, Uli war ein absoluter Ausnahmebürgermeister“, sagt Thorsten Brehm. Nach einem längeren Vier-Augen-Gespräch habe er deshalb keineswegs sofort zugesagt, seinen Hut in den Ring zu werfen. Wichtig war Thorsten Brehm vor allem eines: „Ich hätte die Kandidatur nie angetreten, wenn ich nicht gewusst hätte, dass insbesondere Ulrich Maly mich dabei unterstützt.“ Am Ende sei die alles entscheidende Frage schließlich aber nur noch gewesen: „Ganz oder gar nicht.“ Seine Antwort für sich selbst und die Sozialdemokraten in seiner Heimatstadt: „Wenn, dann mit 120 Prozent.“

Dass dieses Engagement auch nötig sein wird, um Mitte März einer der jüngsten Oberbürgermeister in einer deutschen Großstadt zu werden, ist sich Thorsten Brehm bewusst. Die jüngsten Wahlergebnisse und auch der aktuelle Umfrage-Trend wecken einige Befürchtungen. „Kommunalwahlen sind Persönlichkeitswahlen. Parteipolitik spielt dabei eher eine untergeordnete Rolle und wir konnten uns von den Bayern-Trends immer positiv abheben“, gibt sich Thorsten Brehm dennoch optimistisch.

Zwischen eigenem Stil und Weiterführen

Punkten will er mit einem eigenen Stil und eigenen Akzenten, auch in Abgrenzung zu Ulrich Maly: „Uli ist mir natürlich ein wichtiger Ratgeber, aber ich schaue auch nach vorne.“ Allen voran die Themen Ökologie und Nachhaltigkeit haben in Thorsten Brehms Biografie, der selbst kein Auto besitzt, einen besonderen Stellenwert. Sie waren es auch, die ihn zur SPD gebracht haben. „Ich war immer schon einer, dem vor allem die sozialen, ökologischen und nachhaltigen Themen am Herzen gelegen sind“, sagt er. „Nachdem zur Zeit des rot-grünen Aufbruchs in den Jahren 1998 und 1999 alle großen Umweltpolitiker, angefangen von Hermann Scheer bis Ernst Ulrich von Weizsäcker, in der SPD gewesen sind, war für mich auch klar: Wenn, dann werde ich Sozi.“

Konkret auf Thorsten Brehms Agenda: eine klimaneutrale Stadtverwaltung bis 2035, neue Parks und mehr Grünflächen als bislang im Stadtgebiet, ein sicheres und durchgehendes Radwegenetz in ganz Nürnberg oder der Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs. Bei all jenen Themen will er „einen Gang zulegen“, wie er selbst sagt. Wenngleich Thorsten Brehm eines auch betont: „Alles, was Ulrich Maly an großen Linien in der Stadtpolitik wichtig war, angefangen von der Frage des gesellschaftlichen Zusammenhalts bis hin zur Entwicklung von neuen Beteiligungsformen in Bezug auf die Stadtpolitik im Dialog mit den Bürgern, hat für mich genauso höchste Priorität.“

Er fährt Riesenrad, lädt zum Bier ein, kommt ins Wohnzimmer

Überhaupt sind ihm die ständigen Vergleiche zuwider. „Man kann jemanden, der 18 Jahre an der Spitze einer Stadt gestanden hat, nicht mit jemanden vergleichen, der sich erst aufmacht, ihm in diesem Amt zu folgen.“ Wenn überhaupt, dann möge man ihn doch bitte mit dem Ulrich Maly von vor 18 Jahren vergleichen. Die Nachfolge von Ulrich Maly anzutreten empfindet er deshalb auch nicht als Bürde, sondern vielmehr als Chance. Sein Credo: „Man gewinnt keinen Wahlkampf mit einem Mühlstein um den Hals, sondern mit Witz, Esprit und Charme.“

Um die Nürnberger von sich und seinen Ideen zu überzeugen, lässt sich Thorsten Brehm deshalb auch einiges einfallen. Er fährt auf dem Nürnberger Volksfest stundenlang mit dem Riesenrad, um ins Gespräch zu kommen. Er lädt bei Kneipenbesuchen ein, „Auf ein Bier mit Thorsten Brehm“. Er geht zu Seniorennachmittagen und in Jugendclubs, ist aber immer wieder auch in Nürnberger Wohnzimmern zu Gast, um dort auf Einladung auch im kleinen Rahmen über Politik und die Welt zu sprechen. Sein Ziel ist einmal mehr die Tür am Rathausplatz 2. Thorsten Brehm will es machen wie 2008, als er erstmals für den Stadtrat kandidierte: „Damals hatte ich gesagt, dass ich diesmal stur bleibe und mich nicht wieder abwimmeln lasse, wie bei meinem ersten Besuch als 15-jähriger Schüler.“