Kommunale Partnerschaften mit der Ukraine

Gezielte Hilfe beim Wiederaufbau

Ulf Buschmann18. Dezember 2023
Ukraine-Kommunale Partnerschaften-Ausschuss der Regionen
Die AdR-Delegation zu Besuch in Lwiw mit Antje Grotheer (7. v.l.).
Zum Wiederaufbau der Ukraine sind kommunale Partnerschaften unbedingt notwendig – mit dieser Erkenntnis ist Antje Grotheer, Vorsitzende der deutschen Sozialdemokrat*innen im Ausschuss der Regionen, von einer Reise nach Lwiw zurückgekommen.

Antje Grotheer ist sich mit Witalij Wolodymyrowytsch Klytschko einig. Der Oberbürgermeister der ukrainischen Hauptstadt Kyjiw machte bei einem Treffen der Bürgermeister seines Landes mit ihren deutschen Amtskollegen im November in Leipzig deutlich: Der Wiederaufbau seines Landes sei nur mit kommunaler Unterstützung möglich. Eine Auffassung, die Grotheer uneingeschränkt teilt. Sie ist nicht nur Präsidentin der Bremischen Bürgerschaft, sondern auch Vorsitzende der deutschen Sozialdemokrat*innen im Ausschuss der Regionen (AdR). Das ist die Versammlung der Regional- und Kommunalvertreter in der Europäischen Union.

Grotheer war Mitte Oktober als Mitglied einer Delegation der Arbeitsgruppe Ukraine der Fachkommission Civex zu Gast in Lwiw, auf Deutsch Lemberg, der größten Stadt im Westen des Landes. Der zweitägige Besuch auf Einladung von Bürgermeister Andrij Sadowyj sei „eine meiner beeindruckendsten Reisen“ der letzten Zeit gewesen, sagt die Bremerin. Einerseits wirke Lwiw wie eine moderne Großstadt, andererseits sei der Krieg mit Russland, in dem sich das Land seit fast zwei Jahren befindet, auch im Westen präsent.

Unterschiedliche Prioritäten

Die AdR-Mitglieder müssten darauf achten, dass der Wiederaufbau der Ukraine „nicht nur auf nationaler Ebene geplant wird“. Die Kommunen müssen selbst entscheiden, was sie brauchen und was Priorität hat", betonte Grotheer. Alle kommunalen Vertreter*innen würden betonen, dass der Wiederaufbau der Schulen und ein regulärer Unterricht am vordringlichsten seien. Doch darüber hinaus gebe es viele unterschiedliche Prioritäten, hat Grotheer als Erkenntnis aus Lemberg mitgebracht.

Beim Wiederaufbau der völlig zerstörten Städte habe die Ukraine die Chance, „nicht die gleichen Fehler zu machen, die wir gemacht haben“. Eine Stadt könne nicht wie vor 100 Jahren wieder aufgebaut werden, so Grotheer. Damals hätten Themen wie die Organisation des öffentlichen Personennahverkehrs, Energiesparen, Klima- und Ressourcenschutz überhaupt keine Rolle gespielt. Zudem habe die Ukraine die Chance, ihren europäischen Partnern zu zeigen, wie eine Smart City funktioniert. Um das alles leisten und organisieren zu können, sei es notwendig, dass die Städte und Regionen des Landes direkten Zugang zum Geld der Europäischen Union haben, ist Grotheer überzeugt.

Eine Frage der zukünftigen Struktur

Eine weitere Frage, die sich für das Land in Zukunft stellt, ist die nach dem politischen System: Setzt die Ukraine auf eine starke föderale Struktur wie Deutschland oder orientiert sie sich am Zentralismus à la Polen oder Frankreich? Dahinter steht für Grotheer und alle anderen kommunalen Akteure die Frage: „Wie kann eine demokratische Struktur in den Regionen aufgebaut werden?“

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In einem der Reha-Zentren werden verwundete Soldaten behandelt. Foto: European Union / Vlad Musienko

Aktuell aber, so Grotheer, stehe für die Menschen die Bewältigung des Krieges im Vordergrund. In Lemberg etwa versuchten die Menschen, ein halbwegs normales Leben zu führen. So seien beispielsweise Cafés und Restaurants geöffnet. Dass Lemberg für die gesamte Ukraine eine überaus wichtige Rolle spielt und der Krieg doch ganz nah ist, beschreibt die Bremerin anhand von zwei Besuchen: „Man kommt in dieses Krankenhaus mit unglaublich vielen Menschen ohne Gliedmaßen.“ Gemeint ist die Universitätsklinik der Stadt Lemberg.

Wie eine Notaufnahme funktioniert

Vor Ausbruch des Krieges wurden hier jährlich rund 100.000 Menschen behandelt, seit Kriegsbeginn waren es bis Mitte Oktober es rund 560.000. Die kommunalen Partnerschaften in der Europäischen Union sind für die Mediziner wichtig, weil sie bei ihren Partnern Jungmediziner*innen in größerer Zahl ausbilden können als es in der Heimat zurzeit möglich wäre. Unter anderem lernen sie, wie Notfallbehandlungen funktionieren. Bei den Menschen ohne Gliedmaßen handelt es sich laut Grotheer vor allem um verwundete Soldaten. Sie werden an der Frontlinie notversorgt und dann in Lwiw behandelt. Dort gebe es inzwischen auch eine große Abteilung für Traumabehandlung – nicht nur für Soldaten, sondern auch für die Zivilbevölkerung.

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Die AdR-Dlegeation auf einem der Friedhöfe in Lwiw. Foto: European Union / Vlad Musienko

Die Nähe zum Krieg erlebte die AdR-Delegation auch beim Besuch eines Friedhofs. Dieser war neben einer Gedenkstätte neu angelegt worden und füllt sich täglich. Auf jedem Grab, so sahen es die EU-Besucher*innen, weht eine ukrainische Flagge. Und jeden Tag um 12 Uhr werden die gefallenen Soldaten zu Grabe getragen. Je nachdem, in welcher Kirche die Totenmesse stattfindet, stehen die Menschen Spalier, um ihren Soldaten die letzte Ehre zu erweisen.

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