Ungelöste Finanzierungsfragen

Kaum Geld für weitere Frauenhaus-Plätze

Uwe Roth17. August 2023
In Deutschland fehlen 14.000 Frauenhaus-Plätze. Die Finanzierung zusätzlicher Kapazitäten ist kompliziert. Bund, Länder und Kommunen müssen sich über die jeweiligen Anteile einigen. Ein Treffen am Runden Tisch soll Abhilfe schaffen.

Nach Angaben des Vereins Frauenhaus-Koordinierung sollte es in Deutschland 21.000 Übernachtungsmöglichkeiten geben, um den Bedarf zu decken. Tatsächlich vorhanden seien etwa 7.000 Plätze, heißt es aus der Berliner Geschäftsstelle. Das ist lediglich ein Drittel. Um die benötigten Räume zu schaffen, müssen die Träger-Institutionen an- oder neu bauen. Das geht in der Regel nicht ohne öffentliche Investitionsprogramme. Doch die sind rasch ausgeschöpft. Im April teilte das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) mit, dass die Mittel im Bundesförderprogramm „Gemeinsam gegen Gewalt an Frauen“ ausgeschöpft seien. Im Zeitraum von vier Jahren hatten 120 Millionen Euro zur Verfügung gestanden. Die hätten bis Jahresende reichen sollen. Aber bereits im Frühjahr hieß es: „Wir möchten Sie bitten, aktuell keine neuen Förderanfragen einzureichen.“

Die Enttäuschung nach dieser Nachricht war groß. Im Juli erfolgte der Hinweis, dass das Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB) ebenfalls „Unterstützungsmöglichkeiten für den Bau- und Umbau von Schutz- und Beratungseinrichtungen für gewaltbetroffene Frauen und ihre Kinder“ bietet. Im Rahmen der Städtebau-Förderung sind demnach „die Sanierung, Ertüchtigung, Erweiterung und Umwidmung bestehender baulicher Strukturen“ förderfähig. Voraussetzung der Förderung sind laut der Internetseite des Ministeriums „die förmliche Abgrenzung eines Fördergebiets durch die Kommune sowie ein integriertes städtebauliches Entwicklungskonzept (ISEK), das unter Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger erstellt wird“.

Weitere 30 Millionen Euro für 2024?

Ursprünglich sollte das Bundesförderprogramm „Gemeinsam gegen Gewalt an Frauen“ über das Jahr 2023 hinaus nicht fortgeführt werden. Laut einem Sprecher geht das BMFSFJ „vorbehaltlich der Zustimmung des Haushaltsgesetzgebers zurzeit davon aus, dass für die Fortführung der Förderprogramms im Bundeshaushalt 2024 erneut Mittel in Höhe von 30 Millionen Euro bereitgestellt werden. Konkret handelt es sich um das „Bundesprogramm zur Förderung von Innovationen im Hilfesystem zur Unterstützung gewaltbetroffener Frauen mit ihren Kindern – Bau, Modernisierung und Sanierung“. Nach BMFSFJ-Angaben wurden bislang mehr als 60 Anträge auf Förderung von (Kauf- und) Bauvorhaben bewilligt. 20 Vorhaben seien abgeschlossen. Weitere Förderanfragen und Förderanträge befänden sich noch in der Prüfung bei der zur Verwaltung des Programms eingerichtete Bundesservicestelle (BSS).

Die Bundesservicestelle „Gemeinsam gegen Gewalt an Frauen“ gehört zum Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben (BAFzA), das wiederum dem BMFSFJ zugeordnet ist. Ein Beispiel: Der Ludwigsburger Verein Frauen für Frauen hatte im Mai vergangenen Jahres einen Förderantrag gestellt. Der Verein plant die Anmietung und Sanierung sowie den Umbau eines neuen Frauenhauses, das als „offenes" Frauenhaus betrieben werden soll. Es sollen Plätze für 15 bis 18 Frauen entstehen, die jeweils in Einzelappartements untergebracht werden. Gesamtkosten werden auf 2,9 Millionen Euro geschätzt, wovon 2,5 Millionen Euro aus Bundes-, 283.000 Euro aus Landes- und 100.000 Euro aus Eigenmitteln finanziert werden sollen. Nach über einem Jahr steht der Bescheid aus. Auf Anfrage teilt das BMFSFJ mit: „Alle Akteure haben ein erhebliches Interesse an der Realisierung des Vorhabens und sind um eine sehr zeitnahe Entscheidung bemüht.“

Ungeklärte finanzielle Zuständigkeiten

Deutschland hat sich mit der der Istanbul-Konvention verpflichtet, aktiv gegen Gewalt an Frauen vorzugehen. Dazu gehört der Ausbau des Angebots an Frauenhäusern. Doch dieses zu finanzieren, ist wegen ungeregelter Zuständigkeiten kompliziert. Für Kommunen ist dies keine Pflichtaufgabe. Viele sehen sich dennoch in der Verantwortung und reservieren Jahr um Jahr Mittel im Haushalt. Dazu kommen Spenden und Bußgelder aus Gerichtsverfahren. Das reicht mehr oder weniger fürs Personal, das sich um die Frauen und deren Kinder kümmert, und für die laufenden Kosten, nicht aber um zusätzlichen Wohnraum zu schaffen. Manches Frauenhaus ist renovierungsbedürftig und viele sind nicht barrierefrei.

Kommunen und Träger-Einrichtungen erhoffen sich bei baulichen Investitionen eine finanzielle Unterstützung des Bundes und des jeweiligen Bundeslands. Doch auch dort gehört der Bau solcher Schutzeinrichtungen nicht zu den Pflicht-, sondern freiwilligen Aufgaben. Die Gleichstellungs- und Frauenministerinnen und -minister sowie -senatorinnen und -senatoren der Länder (GFMK) hatten bei ihrem Treffen im Juni den Ausbau an Frauenhäusern gefordert. Nun ist ein Runder Tisch mit Vertreter*innen von Bund, Ländern und kommunaler Ebene geplant, der eine einheitliche Regelung finden soll.

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