Flüchtlingskinder

Warum Kitas so wichtig sind für die Integration der Flüchtlinge

Carl-Friedrich Höck09. Dezember 2015
Garderobe einer Kindertagesstätte: Frühkindliche Bildung spielt eine Schlüsselrolle bei der Integration.
Garderobe einer Kindertagesstätte: Frühkindliche Bildung spielt eine Schlüsselrolle bei der Integration.
Mit der Zahl der Flüchtlinge steigt auch der Bedarf an Kita-Plätzen. Der Bund hat zusätzliche Millionen für die Integration der Kinder zugesagt, aber ob das Geld für die Kinderbetreuung ausreicht, ist offen.

Tobias Hannig weiß, was frühkindliche Bildung für die Integration leisten kann. Er leitet den Kindergarten „Haus der kleinen Naturforscher“ im brandenburgischen Sedlitz. Seit drei Jahren arbeitet die Einrichtung verstärkt mit einer nahe gelegenen Asylbewerberunterkunft zusammen: Eltern, die dort wohnen, können ihr Kind in die Kita geben. Dort spielt der Nachwuchs aus deutschen und eingewanderten Familien zusammen. „Das Spannende ist“, sagt Hannig, „dass das für die Kinder noch gar kein großes Thema ist.“ Als Spielpartner würden alle Kinder gleich akzeptiert, auch wenn sie noch kein Deutsch sprechen. Hannig: „Die Kinder werden für eine offene Kultur, für ein Leben mit ganz vielen Facetten geprägt.“

Flüchtlinge haben Rechtsanspruch auf Kita-Platz

Wenn die nach Deutschland geflüchteten Menschen langfristig in die Gesellschaft integriert werden sollen, kommt den Kindertagesstätten eine wichtige Rolle zu. Klar ist bereits: Der Bedarf an Kita-Plätzen steigt. Kinder von Asylbewerbern und Flüchtlingen haben den gleichen Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz wie alle anderen auch: Sobald sie das erste Lebensjahr vollendet und „rechtmäßig ihren gewöhnlichen Aufenthalt in einer Kommune begründet haben“, wie das Bundesfamilienministerium mitteilt. Also dann, wenn die Familie einen Asylantrag gestellt und die Erstaufnahmeeinrichtung verlassen hat.

„Wichtig ist, dass die Flüchtlingsfamilien mit den Familien vor Ort bei der Suche nach einem freien Kita-Platz nicht konkurrieren müssen“, betont Stephan Articus, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetags. Die Städte hätten beim Ausbau der Kinderbetreuung in den vergangenen Jahren viel geleistet. Jetzt müssten sich Bund und Länder an den Investitionskosten und an den zusätzlichen Betriebskosten beteiligen, die den Kommunen durch den Zuzug entstehen. Hinzu komme ein zusätzlicher Aufwand für die Sprachförderung.

Bund zahlt zusätzliche Millionen an die Kitas

Im Bundesfamilienministerium macht man dazu folgende Rechnung auf: Geht man von 800 000 Flüchtlingen aus, die in diesem Jahr nach Deutschland kommen, werden rund 70 000 neue Kitaplätze benötigt. Allein die jährlichen Betriebskosten hierfür beziffert das Ministerium auf mehr als 500 Millionen Euro. Der Bund will nun die Mittel, die durch den Wegfall des Betreuungsgeldes frei werden, den Ländern zur Verfügung stellen, damit sie die Kinderbetreuung ausbauen können. Im kommenden Jahr fließen so 339 Mil­lionen ­Euro an die Länder, bis 2018 soll die Summe auf 870 Millionen Euro steigen. Ob das ausreicht, ist offen. Ein Ministe­riumssprecher sagt auf Anfrage der ­DEMO, die Gesamtkosten für die Versorgung von Kindern mit Flüchtlingserfahrung in Kitas ließen sich bisher nur schätzen.

Geld für zusätzliches, auf Traumatherapien oder Sprachunterricht speziali­siertes Personal erhält der Sedlitzer Kindergarten bisher nicht. Trotzdem gelingt es den Mitarbeitern, die Sprachbarrieren zu überbrücken. „Wir arbeiten viel mit Bebilderung, auch Gestik und Mimik spielen eine große Rolle“, erklärt Hannig. Zum Beispiel können die Kinder morgens oft selbst entscheiden, an welchen Ort die Gruppe an diesem Tag einen Ausflug machen soll – indem sie Bilder von dem Ort malen. So klappt die Verständigung – und mit etwas Zeit lernen die Kleinen so auch die Sprache. Eng wird es aber, wenn jemand mal etwas mehr Aufmerksamkeit benötigt. „Es gab Fälle, da hat die Eingewöhnung nicht funktioniert, und das Kind wurde auch nicht verstanden“, berichtet der Kita-Leiter. Die Reizüberflutung, dazu vielleicht schlimme Erlebnisse auf der Flucht, das kann ein Kind überfordern. „Da wäre eine zusätzliche Kraft gut, damit es langsam in die Gruppe integriert werden kann“, sagt Hannig.

Kitas helfen auch bei Integration der Flüchtlings-Eltern

Von der Politik wünscht sich Hannig mehr Unterstützung. Dort scheint man das Problem erkannt zu haben. Das Bundesfamilienministerium fördert bereits rund 4000 Kitas bundesweit mit dem Programm „Schwerpunkt-Kitas Sprache und Integration“. 2016 startet das Nachfolgeprogramm „Sprach-Kitas“, das noch stärker auf die besonderen Bedarfe von Flüchtlingskindern ausgerichtet ist. Die teilnehmenden Einrichtungen erhalten Geld für zusätzliche Fachkräfte. Bis zu 100 Millionen Euro pro Jahr investiert der Bund hierfür.

Wie das Familienministerium betont auch der Städtetag: Kitas fördern nicht nur die Integration der Kinder, sondern auch die ihrer Eltern. Während die Kinder betreut werden, können sie Sprach- und Integrationskurse besuchen, eine Ausbildung oder einen Job beginnen. „Den Städten ist es wichtig, wenn die Eltern es wünschen, rasch Angebote der Kinderbetreuung zu machen“, sagt Hauptgeschäftsführer Articus.