Krankenhausreform

Kliniken vor dem Umbruch

Carl-Friedrich Höck04. September 2023
Medizinische Leistungen vorzuhalten, kostet Kliniken viel Geld – auch dann, wenn sie gerade nicht oder selten benötigt werden.
Die geplante Krankenhausreform soll die Finanzierung der Kliniken neu regeln. Derweil bangen viele Häuser um ihre Existenz.

In der Theorie ist die Finanzierung von Krankenhäusern klar geregelt. Investitionskosten wie Neubauten oder medizinische Geräte sollen von den Bundesländern getragen werden. Das Geld für die Betriebskosten kommt von den Krankenkassen, vor allem in Form von sogenannten Fallpauschalen (DRGs): Für jede medizinische Behandlung gibt es einen festgelegten Betrag, der sich nach dem durchschnittlichen Aufwand der Behandlung richtet. Kosten für das Pflegepersonal wurden vor drei Jahren aus dem DRG-System herausgenommen und werden seitdem über das „Pflegebudget“ finanziert.

Das Geld reicht nicht

Doch das System funktioniert nicht. Beide Säulen seien unterfinanziert, kritisiert Braunschweigs Oberbürgermeister Thorsten Kornblum (SPD). Die niedersächsische Großstadt verfügt über ein Städtisches Klinikum mit derzeit noch drei, nach einem groß angelegten Umbau- und Modernisierungsprojekt künftig zwei Standorten. Im laufenden Haushaltsjahr muss die Kommune das Klinikum mit 30 Millionen Euro stützen. „Das war vor Corona nicht der Fall“, sagt Kornblum. Die Pandemie habe wie ein Brennglas gewirkt und vorhandene Strukturprobleme verstärkt. Das System sei völlig überbürokratisiert. „Unabhängig davon, wie gut die Performance des einzelnen Hauses ist, wie effizient die Strukturen gestaltet werden: Es ist derzeit kaum möglich, Krankenhäuser wirtschaftlich zu betreiben“, meint der Oberbürgermeister.

Eines der Probleme: Als Maximalversorger ist die Braunschweiger Klinik auch auf komplexe Behandlungen spezialisiert. Die dafür notwendigen Geräte kosten viel Geld. Die Vorhaltekosten werden nur unzureichend erstattet. Bleiben die Fälle und damit die Fallpauschalen aus, fehlen Einnahmen. Genau das ist in der Corona-Pandemie passiert, als viele Menschen aus Sorge vor Ansteckung Krankenhäuser mieden.

Viele Häuser bangen um ihre Existenz

Braunschweig ist kein Einzelfall. Die Stadt Mannheim muss ihr Universitätsklinikum seit Jahren mit größeren Millionenbeträgen am Leben halten. Potsdam plant, bis 2025 mehr als 58 Millionen Euro in das Klinikum Ernst von ­Bergmann zu stecken, um es finanziell zu stabilisieren. Eine Umfrage der Deutschen Krankenhaus-Gesellschaft ergab, dass mehr als zwei Drittel aller Kliniken ihre wirtschaftliche Existenz kurz- oder mittelfristig gefährdet sehen.

Um aus den roten Zahlen zu kommen, nehmen auch kleine Kliniken häufig schwierige Operationen in ihr Leistungsspektrum auf. Denn diese bringen über die Fallpauschalen viel Geld ein. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach sieht das kritisch. „Komplizierte Eingriffe sollten ausschließlich in spezialisierten Kliniken und durch sehr gute Mediziner erfolgen“, meint er.

Reform mit drei Zielen

Nun will der SPD-Politiker die Krankenhausfinanzierung grundsätzlich neu regeln. Ausgangspunkt dafür ist der Vorschlag einer Expertenkommission. Darauf aufbauend haben sich Bund und Länder am 10. Juli 2023 auf Eckpunkte für die Reform geeinigt. Zum 1. Januar 2024 soll sie in Kraft treten. „Wir brauchen eine gute und schnell erreichbare Grundversorgung. Aber nicht jedes Haus muss auch jede medizinische Behandlung anbieten“, erklärt der Bundes­gesundheitsminister.

Drei Ziele hat Lauterbach für die Reform definiert: Sie soll ökonomischen Druck von den Kliniken nehmen, Bürokratie abbauen und die Qualität der Versorgung verbessern. Ein Kernelement: Die umstrittenen Fallpauschalen sollen nur noch eine untergeordnete Rolle spielen. Stattdessen erhalten die Krankenhäuser künftig eine Vorhaltevergütung dafür, dass sie bestimmte medizinische Behandlungen anbieten – unabhängig davon, wie oft diese tatsächlich in Anspruch genommen werden. Die Planungsbehörden der Länder weisen den Kliniken Leistungsgruppen zu. Dafür müssen die Häuser entsprechende Qualitätskriterien erfüllen.

Braunschweigs Rathauschef ­Kornblum findet den Ansatz der Reform richtig. Es sei sinnvoll, dass nicht jedes Krankenhaus alle Fachbereiche abdecke. Die Häuser sollten sich auf die Behandlungen konzentrieren, die sie besonders gut können. Sorgen macht ihm, dass die Reform erst in den Jahren 2025 oder 2026 wirke. „Bis dahin werden viele Kliniken große wirtschaftliche Probleme bekommen“, sagt Kornblum. Für ihre aktuellen Geld­probleme könnten die Krankenhäuser wenig. Gründe dafür seien zum Beispiel steigende Zinsen, Strompreise und Baukosten sowie Gelder aus dem Pflege­budget, die in einem hochbürokratischen Verfahren zu spät ausgezahlt würden. Er unterstützt deshalb die Forderung der Länder und Kommunen nach einem Vorschaltgesetz. Es soll Liquiditätshilfen für die Kliniken regeln. Andernfalls – so warnt auch die Deutsche Krankenhausgesellschaft – könnten viele Häuser die Reform gar nicht mehr erleben.