Neuer Disparitäten-Bericht der Ebert-Stiftung

Kommunen in Deutschland: Zukunft ist ungleich verteilt

Uwe Roth20. Oktober 2023
Die FES-Studie untersucht, wie es um Deutschland steht und wie Armut und Reichtum verteilt sind.
Geht es den Kommunen gut, dann geht es Deutschland gut. Das ist ein Fazit, das FES-Referentin Vera Gohla aus ihrer aktuellen Studie „Ungleiches Deutschland“ zieht. Doch nicht überall sieht die Zukunft rosig aus.

Die Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) veröffentlicht in vierjährigen Abständen eine Studie, die der Frage nachgeht, wie sich in den Regionen Deutschlands Arm-Reich verteilt und ob die Strukturpolitik Erfolge aufweist. Nun liegt der dritte Sozioökonomische Disparitäten-Bericht vor. Er liefert insgesamt keine Überraschungen: Dem Land geht es gut – auch nach überstandener Corona-Pandemie. Deutschland ist aber ein Staat sozialer Ungleichheiten geblieben. Diese seien sogar etwas größer geworden, stellen Autorin Vera Gohla und ihr Kollege Martin Hennicke fest. Die Ergebnisse zeigten jedoch, dass das Bild oft differenzierter sei, als die öffentliche Debatte es suggeriere. Es gebe keinen einfachen Stadt-Land-Gegensatz. Städte seien nicht grundsätzlich gut und ländliche Regionen nicht grundsätzlich schlecht aufgestellt.

Einen Grund zur Panik gebe es im Moment nicht. Etwa die Hälfte der Deutschen lebt in Gebieten, die die Studie als „solide Mitte“ bezeichnet. Auf die Zukunft betrachtet ist das allerdings weder ein gutes noch ein schlechtes Ergebnis aus der Statistik-Analyse. Die Lebensverhältnisse sind so weit in Ordnung. Der Bericht stellt jedoch ein geringes Innovationspotenzial fest. In der Folge gibt es zu wenig hochqualifizierte Beschäftigung. Und die Daten lassen keine Schlüsse zu, wohin die Entwicklung gehen könnte.

Osten: „strukturschwache Räume mit Aufholerfolgen“

Die 223 Kreise mit ihren knapp 40 Millionen Bewohner*innen der „soliden Mitte“ befinden sich in den westlichen Bundesländern sowie im weiteren Umland von Berlin und in den Küstenregionen Mecklenburg-Vorpommerns. 55 Landkreise (8,2 Millionen Einwohner) in den östlichen Bundesländern werden hingegen als „strukturschwache Räume mit Aufholerfolgen“ bezeichnet. Problem: Es fehlt an jungen und gut ausgebildeten Fachkräften, weil es an lukrativen Beschäftigungsmöglichkeiten mangelt. Die Autor*innen sehen den Grund in den „sehr unterdurchschnittlichen Gehältern“.

Besser sieht es in den 49 Landkreisen (elf Millionen Einwohner*innen) aus, in deren Zentrum sich Großstädte befinden, die man als Boomtowns bezeichnet. Berlin, Leipzig, Dresden, München, Stuttgart, Frankfurt, Hannover, Hamburg und weitere Städte erhalten in der Studie das Prädikat „dynamische Städte“. Allerdings mit Einschränkung. Großstädte scheinen „überlastet zu sein“, stellt Gohla fest. Wie in anderen Untersuchungen ergeben auch ihre Statistiken, dass Menschen ins mittlerweile wohlhabende Umland abwandern. Das profitiert wirtschaftlich, hängt aber vom Wohl und Wehe des urbanen Zentrums ab.

Insgesamt steht der Süden Deutschlands besser da

In die fünfte Kategorie fallen die „altindustriell geprägten Städte“ (38 Kreise, knapp sieben Millionen Einwohner*innen). Die Gebiete befinden sich im Saarland, Ruhrgebiet und in Bremen. Lichtblick dort: Während der industriellen Krisen wurden Hochschulen eingerichtet, und der ÖPNV ist gut ausgebaut, weil es früher das Fortbewegungsmittel der Beschäftigten war. Das wiederum sind Pluspunkte in der weiteren Entwicklung. Insgesamt steht der Süden Deutschlands besser da, zeigt sich resilienter gegenüber Krisen. Allerdings zehrt er von Reserven. Menschen haben beispielsweise ein größeres Vermögen, weil sie viel vererbt bekommen haben. In den östlichen Bundesländern war zu DDR-Zeiten das Erbe eher gering.

Für FES-Referentin Gohla liegt der Schlüssel zum Abbau sozialer Ungleichheiten in den Kommunen. „Kommunen stärken“ lautet ihre erste von sieben Handlungsempfehlungen an die Politik. Die zweite „Daseinsvorsorge sichern“. Eine gute Infrastruktur, öffentliche Gebäude, die in Schuss sind, und gute Schulangebote stärkten die Zufriedenheit in der Bevölkerung und somit die Attraktivität einer Kommune. Aus diesem Grund muss nach ihrer Auffassung eine ausreichend finanzielle Ausstattung kommunaler Haushalte oberste Priorität haben. Sie verweist darauf, dass eine gute Sozialpolitik einen positiven Struktureffekt haben können. Die öffentliche Förderung nach dem Prinzip „Wer hat, dem wird gegeben“ müsse neugestaltet werden. Ihr Stichwort: Reform des „Königsteiner Schlüssels“.

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