Anhörung im Bundestag

Kommunen wünschen Nachbesserungen bei Straßenverkehrsgesetz

Carl-Friedrich Höck17. Oktober 2023
Parkscheinautomat in Berlin: Bei Themen wie Bewohner*innenparken oder Geschwindigkeitsvorgaben sollen Kommunen mehr Handlungsfreiheit bekommen.
Ein neues Straßenverkehrsgesetz soll Kommunen mehr Handlungsspielräume eröffnen. Der Entwurf stieß bei einer Expertenanhörung im Verkehrsausschuss auf Lob und Kritik. Kommunalverbände hoffen auf einen Paradigmenwechsel in der Verkehrsregelung.

Noch in dieser Woche will der Bundestag ein neues Straßenverkehrsgesetz (StVG) beschließen. Bisher galt als Maßstab für alle verkehrsrechtlichen Regelungen: Der Verkehr soll sicher sein und flüssig fließen. Die zweite Vorgabe wird in der Praxis meistens zugunsten des Autoverkehrs ausgelegt. Mit der Reform werden nun weitere Ziele ins Straßenverkehrsgesetz aufgenommen: Der Klima- und Umweltschutz, die Gesundheit und die städtebauliche Entwicklung.

Damit wird die rechtliche Grundlage für Verordnungen wie die Straßenverkehrsordnung (StVO) auf neue Füße gestellt. Mit dem Gesetz will die Bundesregierung Ländern und Kommunen zusätzliche Entscheidungsspielräume eröffnen. Noch bevor das neue StVG beschlossen ist, hat das Kabinett auch eine StVO-Novelle auf den Weg gebracht. Die Straßenverkehrsbehörden sollen mehr Möglichkeiten zur Anordnung von Tempo 30, von Bewohner*innenparken, von Sonderfahrspuren und zur Bereitstellung von Flächen für den Rad- und Fußverkehr erhalten.

Kommunen halten Reform für notwendig

Im Verkehrsausschuss des Bundestages äußerten sich am Montag Verbände und Expert*innen zum Straßenverkehrsgesetz. Aus Sicht der kommunalen Spitzenverbände geht die vorgeschlagene Änderung des StVG „in die richtige Richtung“, heißt es in einer schriftlichen Stellungnahme. Sie könne einen Paradigmenwechsel in der Verkehrsregelung einleiten.

Das sei auch dringend notwendig, erklären der Deutsche Städte- und Gemeindebund, der Städtetag und der Landkreistag. Sie berichten von zahlreichen Hinweisen von Kommunen aus dem ganzen Bundesgebiet, „dass trotz breiten politischen Konsenses vor Ort verkehrliche Maßnahmen nicht umsetzbar sind“. Das betreffe zum Beispiel das Parkraummanagement, Regelungsmöglichkeiten für den Fuß-, Rad- und öffentlichen Verkehr, die Verkehrslenkung oder die Anordnung von ortsangepassten Geschwindigkeiten.

Eine runde Sache ist das neue Gesetz aus Sicht der Kommunen aber noch nicht. Deutliche Kritik üben sie am Verkehrsministerium: Die Länder und kommunalen Spitzenverbände seien vorab nicht eingebunden worden. Und zur Kommentierung des fertigen Referentenentwurfs sei ihnen eine Frist von kaum mehr als einem Tag eingeräumt worden. Das Ministerium habe die zwei Jahre seit Veröffentlichung des Koalitionsvertrages ungenutzt verstreichen lassen, statt sie für eine vertiefte Diskussion zu nutzen.

Rechtsunsicherheiten befürchtet

Einer der Kritikpunkte der Kommunalverbände: Die offenbar intendierte Gleichrangigkeit der neuen Ziele mit den bisherigen sei im Gesetz rechtlich nicht eindeutig geregelt. Es drohten Rechtsunsicherheiten. Aus Sicht der Städte, Landkreise und Gemeinden sei entscheidend, „dass eine integrative Abstimmung von Verkehrsplanung und Städtebau, Straßenverkehr und Umwelt, Klima und Gesundheit erfolgen kann“, heißt es in der Stellungnahme.

Änderungsbedarf sehen die kommunalen Spitzenverbände auch bei den Vorgaben für die Parkraumbewirtschaftung. Der Bundesrat hatte gefordert, dass künftig neben den Bewohner*innen auch gebietsansässige Unternehmen, Institutionen und Organisationen – zum Beispiel Sozialeinrichtungen – Parkausweise beantragen können. Das hat die Bundesregierung aber abgelehnt. Die Kommunen stellen sich hinter die Forderung des Bundesrats: Die vielerorts gebräuchlichen „Handwerkerparkausweise“ würden damit auf eine solide rechtliche Grundlage gestellt. Die Städte, Gemeinden und Landkreise wünschen sich außerdem eine Rechtsgrundlage, um sozial abgestufte Gebühren erheben zu können.

Eine andere Grundlage für das Bewohner*innenparken wünscht sich auch der Zentralverband des Deutschen Handwerks. Dessen Vertreter Carsten Benke argumentierte, dass ansässige Betriebe verdrängt würden, wenn sie ihre Fahrzeuge nicht abstellen könnten. Das widerspreche dem Leitbild der nutzungsgemischten Stadt.

Gehört der Umweltschutz ins Verkehrsrecht?

Zu den größten Kritikern des Gesetzes gehörte im Verkehrsausschuss Michael Brenner, Verfassungs- und Verwaltungsrechtler an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Der Entwurf der Regierung breche mit der bisherigen Ausrichtung, das Verkehrsrecht als Gefahrenabwehrrecht zu begreifen. Wenn man das tue, „dann bricht man gewissermaßen einen Damm und öffnet das Straßenverkehrsrecht für straßenverkehrsrechtsfremde Belange“, insbesondere das Umweltrecht. Dem widersprach Stefan Klinski von der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin. Das Verkehrsrecht ziele schon seit Jahrzehnten nicht nur auf die Verkehrsteilnehmenden. Es solle auch Dritte vor Gefahren schützen, die vom Verkehr ausgehen. Verfassungsrechtlich sei es sogar geboten, Klimaschutzbelange zu berücksichtigen, meinte Klinski.

Als „deutliche Verbesserung des Status quo“ lobte Rechtsanwalt Roman Ringwald den Gesetzentwurf. Gerhard Hillebrandt vom ADAC kritisierte die Erweiterung des StVG um neue Ziele. Dem Fahrrad-Verband ADFC dagegen geht die Neuorientierung nicht weit genug, wie Angela Kohls deutlich machte.

In der Nacht zu Freitag soll das neue Straßenverkehrsgesetz vom Bundestag beschlossen werden. Vorher tagt der Verkehrsausschuss noch einmal in nicht öffentlicher Sitzung, um über letzte Änderungen zu beraten.

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