Bundestagswahlkampf 2021

Wie die Lausitz eine „enkeltaugliche“ Region werden soll

06. September 2021
Maja Wallstein auf dem Wochenmarkt Welzow.
Maja Wallstein führt in den Kommunen ihres Wahlkreises Cottbus-Spree-Neiße intensiv Wahlkampf. Sie macht sich für klimafreundliche Energieerzeugung in der Lausitz stark.

Maja Wallstein macht so etwas wie einen Gute-Laune-Wahlkampf. Mit ihrem einnehmenden Lächeln verteilt sie ihre Flyer und wünscht den Menschen „einen schönen Tag“. Dies sind kurze Momentaufnahmen auf dem Wochenmarkt der brandenburgischen Stadt Welzow.

Doch ganz oft unterhält sich Maja Wallstein mit den Besucher*innen. Eine Frau berichtet von ihrer Lebensgeschichte. Sie habe ihr Leben lang gearbeitet – bei der Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft, der LPG, zum Beispiel. Als Seniorin sei sie nun auf Hilfe angewiesen. Der Dame schiessen ein, zwei Mal die Tränen in die Augen. Maja Wallstein geht es ebenso nahe.

Die 35-Jährige ist seit Wochen unterwegs, um bei der Bundestagswahl am 26. September das Direktmandat für die SPD im Wahlkreis 64 Cottbus-Spree-Neiße
zu holen.

Flyer mit Gummibärchen, Plakate, Social-Media-Aktivitäten und vor allem intensive Gespräche mit den Menschen vor Ort sind Wallsteins Mittel der Wahl. Die Reaktionen an diesem Tag sind positiv. „Ich kenne sie von den Plakaten“, sagt eine Dame mit dem Flyer in der Hand. Ähnliches bekommen Helmut Franz, stellvertretender Vorsitzender des SPD-Ortsvereins Welzow und Reinhard Franke, Chef der SPD-Fraktion in der Stadtverordnetenversammlung, am kleinen Infostand zu hören.

„Maja oder die AfD“

Ob es allerdings reicht, wird sich wohl erst am Wahlabend zeigen. Vor vier Jahren holte Klaus-Peter Schulze das Direktmandat für die CDU. Sein direkter Konkurrent, SPD-Mann Ulrich Freese, schaffte es über die Landesliste. Doch jetzt könnte alles anders werden. Laut dem privat betriebenen Portal election.de wird die CDU gerade noch 19 Prozent der Erststimmen erreichen. Dagegen gibt es ein Rennen zwischen Maja Wallstein und AfD-Kandidat Daniel Münschke. Er hat derzeit einen Vorsprung in den Prognosen. „Maja oder die AfD“, bringt sie es auf den Punkt.

Die Lausitz muss den Strukturwandel bewältigen, der den Ausstieg aus dem Braunkohletagebau begleitet. Für eine nachhaltige Zukunft kämpft Maja Wallstein. Foto: Ulf Buschmann

Dass die AfD hier im Südosten des Landes so stark ist, hat unter anderem mit dem Ende des bisherigen wirtschaftlichen Rückgrats der Region zu tun: dem Braunkohleabbau und ihrer Verstromung. Damit soll wegen des Klimaschutzes bis 2038 Schluss sein. So sieht es das Zeitfenster der Kohlekommission vor. Die Menschen in der Lausitz spaltet das absehbare Ende des Braunkohleabbaus: Einerseits sehen sie die Notwendigkeit, andererseits haben sie Angst um ihren Arbeitsplatz. Davon versucht die AfD zu profitieren. Ihr Versprechen: Alles geht weiter wie bisher.

„Es soll eine Energieregion bleiben“

Maja Wallstein macht ihren Wählerinnen und Wählern ein anderes, in die Zukunft gerichtetes Angebot. Ihr Motto: Die Lausitz solle „Enkeltauglich“ werden. Heißt: Auch die Kinder sollen eine Perspektive haben. Was sie darunter versteht, macht Maja Wallstein klar, während sie ihre Flyer mit angehefteten Gummibärchen in Welzow in die Briefkästen steckt oder den Menschen gleich in die Hand drückt: „Es ist eine Energieregion, und es soll eine Energieregion bleiben.“ Strom werde die Menschen immer brauchen. Und Jobs werde es im Energiesektor immer geben.

Zwischen zwei Briefkästen erklärt Maja Wallstein, wie wichtig vor diesem Hintergrund die klimafreundliche Energieerzeugung ist. Als Beispiel für ein schon jetzt in die Zukunft gerichtetes Projekt nennt die Cottbuserin das „Praxislabor für Kraft- und Grundstoffe aus grünem Wasserstoff“, das PtX Lab Lausitz. Es ist eine Gründung der Zukunft-Umwelt-Gesellschaft, die im Auftrag des Bundesumweltministeriums tätig ist. Auch das Wasserstoffnetzwerk Lausitz, zu dem sich die Industrie- und Handelskammer Cottbus, das Centrum für Energietechnologie Brandenburg (Cebra) und das Fraunhofer Institut für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik (IWU) in Zittau zusammengetan haben, gehört als wichtiger Player für die Zukunft der Region dazu.

Neues schon vor der Kraftswerksschließung

Diese und andere Einrichtungen stehen für Maja Wallstein für das, was für die Zukunft der Lausitz unter anderem notwendig ist: „Wir müssen in Wissenschaft und Forschung gut buttern.“ Dazu gehören aus ihrer Sicht auch Investitionen in die medizinische Ausbildung an der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg (BTU). Aber nicht nur dort müsse etwas geschehen Deshalb freut sich Maja Wallstein, dass im Bahnausbesserungswerk in der Lausitz-Metropole 1.200 zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen werden: „Bezahlt nach Tarif!“ Und: „Noch bevor das letzte Kraftwerk schließt, geht’s da schon los.“

Ortswechsel: Die SPD-Kandidatin ist zu Gast beim traditionellen Dämmerschoppen des SPD-Ortsvereins Welzow. Im Kultur- und Begegnungszentrum „Alte Dorfschule“ haben die etwa 30 Besucher die Möglichkeit, ihr mit Fragen auf den sprichwörtlichen Zahn zu fühlen. Eine der ersten Fragen ist die nach der kommunalpolitischen Erfahrung. Nein, gibt Maja Wallstein zu, sie habe noch nie ein entsprechendes Mandat innegehabt. Dafür kann die 35-Jährige mit Erfahrung zum Beispiel als ehemalige Landesvorsitzende der Brandenburger Jusos punkten.

Die Zuhörer sind sehr kritisch gegenüber der Politik, und ihnen gegenüber macht Maja Wallstein keinen Hehl aus dem, was die Menschen erwartet: „In den kommenden Jahren sind viele Entscheidungen zu treffen, die die Lausitz betreffen und die wehtun.“ Darauf habe die AfD keine Antwort. Am Bau der Lausitz der Zukunft wolle sie sich beteiligen, und zwar an exponierter Stelle: Sollte Maja Wallstein es in den Bundestag schaffen, strebt sie einen Platz im Haushalts- und Finanzausschuss an. Dort, so ihre Begründung, lasse sich auch etwas für die Region bewegen, wenn die SPD nicht an der nächsten Bundesregierung beteiligt sei. Aber Opposition ist eher der Plan B – lieber wäre es der Sozialdemokratin natürlich, wenn der nächste Bundeskanzler Olaf Scholz heißt.