Uwe Zimmermann (DStGB) über das Wachstumschancen-Gesetz

„Lindner-Entwurf legt Axt an Finanzierung der Kommunen”

Uwe Roth30. Juli 2023
Uwe Zimmermann
Der Entwurf zum Wachstumschancen-Gesetz hat die Kommunalverbände kalt erwischt, sagt Uwe Zimmermann, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebunds (DStGB). Drohende Einbußen bei der Gewerbesteuer träfen Städte und Gemeinden ins Mark.

DEMO: Herr Zimmermann, Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) plant Steuersenkungen zum Teil wohl auf Kosten der Kommunen. Was er vorhat, steht im geplanten Wachstumschancen-Gesetz. War der Städte- und Gemeindebund in die Vorberatungen zum jetzt veröffentlichten Referenten-Entwurf einbezogen?

Uwe Zimmermann: Nein, waren wir nicht. Wir haben aus den Medien von diesem Referentenentwurf erfahren. Kurze Zeit später hatten wir das Dokument auf dem Tisch mit der Möglichkeit, eine Stellungnahme gegenüber dem Ministerium abzugeben. Aber das ist ein üblicher Vorgang. Obwohl die Kommunen vom geplanten Gesetz wesentlich betroffen sein werden, war im Vorfeld mit der kommunalen Seite nichts abgesprochen.

Aus dem Entwurf, der am 16. August das Kabinett passieren soll, geht hervor, dass die Steuerausfälle bei den Kommunen auf jährlich knapp zwei Milliarden Euro geschätzt werden. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung hält in seiner Stellungnahme die voraussichtlichen Verluste der Kommunen für „augenblicklich verschmerzbar“. Die Begründung: Die Einnahmen aus der Gewerbesteuer seien in den vergangenen zwei Jahren deutlich gestiegen. Ist die Aussage belastbar?

Aus unserer Sicht ist die Summe keinesfalls verschmerzbar. Etwa zwei Milliarden Euro Mindereinnahmen in Summe ab dem kommenden Jahr sind für die Kommunen heftig. Es ist richtig, dass wir vor und während der Corona-Pandemie Einnahme-Rekorde und unterm Strich Überschüsse zu verzeichnen hatten. Das hat damit zu, tun, dass der Bund und die Länder den Kommunen in den schweren Zeiten wirklich geholfen haben. Sie haben zum Beispiel die Gewerbesteuer-Verluste kompensiert.

Corona ist vorbei und was ist mit den Überschüssen?

Die Überschüsse der Vergangenheit helfen uns leider nicht in die Zukunft hinein. Die schwarzen Zahlen wurden teuer erkauft. Denn die Kommunen konnten während Corona eigentlich dringend notwendige Investitionen nicht tätigen. Das Geld blieb im Haushalt liegen. Der Investitionsrückstand beläuft sich – nur im Bestand – auf über 160 Milliarden Euro. Die nötigen Zukunftsinvestitionen sind in dieser Summe noch nicht berücksichtigt. Stichworte dafür sind die Transformation, die Bekämpfung des Klimawandels und damit zusammenhängend die Finanzierung der Wärmewende.

Ließ sich das Bundesfinanzministerium von der Finanzstatistik blenden?

Das ist so. Die Finanzstatistik, die sich das Finanzministerium offensichtlich zur Grundlage genommen hat, gibt die Realität verzerrt wieder. Darin stehen bundesweite Zahlen. Die finanzielle Situation ist allerdings sehr heterogen. Es gibt Kommunen mit Überschüssen. Aber es gibt genauso eine große Zahl Kommunen mit erheblichen Defiziten und mit zum Teil hohen Altschulden. Ein Teil der auf den ersten Blick in der Finanzstatistik als Überschüsse dargestellten Zahlen ist tatsächlich ein teuer erkaufter Verlust-Effekt, weil man nicht in dem Umfang investiert hat, wie man es hätte müssen.

Was erwidern Sie dem Finanzministerium?

Für die kommenden Jahre rechnen wir jedenfalls nicht mit Überschüssen, sondern mit kommunalen Defiziten. Die Finanzprognose sieht aus unserer Sicht nicht gut aus. Viele Faktoren kommen zusammen. Die Wirtschaft schreibt keine guten Zahlen. Corona-Ausgleichsmittel sind aufgezehrt. Allgemeine Kostensteigerungen, zunehmende Sozialausgaben und hohe Flüchtlingszahlen machen den Kommunen zu schaffen. Und sie müssen einen sehr hohen Tarifabschluss finanzieren. Allein der verursacht in diesem Jahr knapp fünf Milliarden Euro, ab 2024 über elf Milliarden Euro jährliche Mehrausgaben. Nehmen wir das alles zusammen, müssen wir mit einem deutlichen Rückgang der kommunalen Investitionen rechnen. Kürzungen und Streichungen gib es noch an anderen Stellen. Und dann zu behaupten, die Kommunen könnten locker fast zwei Milliarden Euro verschmerzen, um die Wirtschaft anzukurbeln, das ist eine glatte Falschaussage.

Der Finanzminister will die Wirtschaft für mehr Klimaschutz mit Investitionsprämien belohnen. Könnte davon die Kommunen nicht profitieren?

Wenn vom Gesetz Impulse ausgehen, die die Wirtschaft stimulieren, dann ist das volkswirtschaftlich betrachtet positiv. Das wirkt sich immer positiv auf die Konjunktur und damit auf die Steuereinnahmen der Kommunen aus. Der Wirtschaft Freiräume für Investitionen in den Klimaschutz zu schaffen, ist selbstverständlich nicht verkehrt. Doch die Kommunen am stärksten zu belasten, ist nicht fair. Es gibt ein Missverhältnis zwischen den Finanzierungsanteilen von Bund, Ländern und Kommunen. Wir haben ausgerechnet, wie die Haushalte belastet werden. Bund und Länder werden in einem Bereich von 0,64 Prozent des Steueraufkommens belastet. Die Mindereinnahmen im kommunalen Bereich liegen aber bei 1,39 Prozent des Steueraufkommens. Das ist mehr als doppelt so viel. Konjunktur-Impulse für die Wirtschaft auf Kosten kommunaler Steuermindereinnahmen zu finanzieren, das finden wir nicht sachgerecht.

Fordern Sie, dass die Kommunen von der Finanzierung des Wachstumschancen-Gesetz ausgenommen werden?

Nein. Uns ist völlig klar, dass die Kommunen da mitziehen müssen. Das machen die Städte und Gemeinden ja immer. Wir wollen zwischen der kommunalen und föderalen Ebene aber eine Ausgewogenheit sehen. Schließlich haben wir im kommunalen Bereich kaum eigene Stellschrauben, um Einnahmeausfälle zu kompensieren.

Sollte die Gewerbesteuer-Entlastung tatsächlich zum Gesetz werden, müssten die Kommunen nicht einen Ausgleich verlangen, um weiterhin Sonderausgaben wie die Kommunale Wärmeplanung oder auch den Kita- und Schulausbau finanzieren zu können?

Wir werden im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens selbstverständlich eine Kompensation einfordern. Aber Förderprogramme als Ausgleich sind aus unserer Sicht nicht das vernünftige Mittel. Förderprogramme legen den Kommunen viele Einschränkungen auf und sind an Auflagen gebunden. Das Geld kann oft so nicht eingesetzt werden, wie dies notwendig wäre. Zudem gibt es Ko-Finanzierungspflichten.

Förderprogramme klingen doch als potenzielle Geldquelle verlockend.

Fördermittel werden in der kommunalen Szene zunehmend kritisch betrachtet. Es gibt mittlerweile eine Reihe von Städten und Gemeinden, die sagen, liebe Europa-, Bundes- und Landespolitik macht uns nicht dauernd Förderprogramme, die immer komplizierter und komplexer werden, sondern ermöglicht uns Kommunen, dass wir aus eigenen Einnahmen das Notwendige finanzieren können. Hinzukommt, dass Fördermittel oftmals an sogenannte goldene Zügel gebunden sind. Es hat in den vergangenen Jahren Programme gegeben, bei denen jedes Jahr Milliarden liegengeblieben sind, weil die Prozedere zu kompliziert sind oder finanzschwache Kommunen die Ko-Finanzierung nicht stemmen können. Die Kommunen, die das Geld am dringendsten brauchen, haben oftmals die größten Probleme, an die Mittel heranzukommen.

Das Wachstumsfördergesetz würde die Kommunen doppelt bestrafen. Weniger Einnahmen bei den Gewerbesteuern und mehr Einfluss von Bund und Ländern über Förderprogramme.

Eigene Steuereinahmen zu verlieren und dafür Fördertöpfe zur Entlastung zu schaffen, ist das Prinzip, rechte Hosentasche, linke Hosentasche. Kommunalpolitisch ist das nicht der beste Weg, weil man vor Ort nicht eigenständig entscheiden kann, wo das Geld am besten investiert ist. Das stellen wir uns so nicht vor. Die geplanten Neuregelungen bei der Mindestgewinnbesteuerung im Rahmen der Einkommen-, Körperschaft- und Gewerbesteuer bringt den Kommunen eine doppelte Gefahr. Derzeit lassen sich Verluste einer Firma aus der Vergangenheit nur beschränkt mit aktuellen und künftigen Gewinnen verrechnen. Knapp die Hälfte der Gewinne muss in jedem Fall versteuert werden. Diese Regelung soll für die Jahre 2024 bis 2027 wegfallen. Daraus ergeben sich nicht nur Mindereinnahmen bei der Gewerbesteuer.

Wirkt sich das Gesetz auch auf die Schätzung der Einnahmen aus der Gewerbesteuer aus, die für die Planung des Haushalts so wichtig ist?

Ja sicher. Die Kommunen können nicht wissen, welche Verluste und Gewinne die Firmen geltend machen. Folglich können sie die Einnahmen nur schwer kalkulieren. Die gewerbesteuerliche Mindestbesteuerung ist daher unverzichtbar für die Stabilität des örtlichen Gewerbesteueraufkommens und damit die Verlässlichkeit der Gewerbesteuer als entscheidender Steuer für die Gemeinden. Hier legt der Gesetzesentwurf die Axt an die Kommunalfinanzierung.

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