Sozialpolitik in den Kommunen

Mehr Anerkennung für das Ehrenamt

Karin Billanitsch17. Januar 2020
Peter Neher, Präsident des Deutschen Caritasverbandes, will ein Zeichen für soziales und politisches Engagement setzen. In Berlin hat er seine sozialpolitischen Forderungen zur Stärkung des Ehrenamtes vorgestellt.
In Zeiten von Hate Speech und einer immer größeren Spaltung der Gesellschaft will der Deutsche Caritasverband freiwilliges Engagement würdigen. Auch die Kommunen können die Attraktivität des Ehrenamtes steigern.

Trainer im Sportverein, ehrenamtliche Bürgermeister und Flüchtlingshelfer, Nachbarschaftshelfer, Lesepaten oder Kinderbetreuung: Ehrenamt ist vielfältig. Die Caritas möchte die Aufmerksamkeit auf all jene lenken, die sich freiwillig oder beruflich für Andere engagieren. „Gesellschaftlicher Zusammenhalt ist auf das solidarische Handeln eines Jeden angewiesen“, sagte Peter Neher, Präsident des Deutschen Caritasverbandes, am Donnerstag in Berlin zum Auftakt der neuen Jahreskampagne „Sei gut, Mensch“.

„Gute Menschen haben es heutzutage schwer“

Doch gute Menschen haben es heutzutage schwer, konstatiert der Prälat. Hinter dieser Aufforderung steckt für ihn also auch eine politische Botschaft: „Sie ist eine Reaktion auf politische, gesellschaftliche Entwicklungen, die uns nicht gleichgültig sind.“ Zum Beispiel sieht Neher mit Sorge, dass ehrenamtliche Bürgermeister*innen zurücktreten, weil sie immer häufiger mit Stalking und Beschimpfungen bedroht werden und die Zahl rechtsextremer Gewalttaten zunimmt.

Schon vor 20 Jahren kam das Wort vom „Gutmenschen“ auf, damals eher als bösartige Witzelei. Der Duden bemerkt dazu, dies sei jemand, der sich in einer eher als unkritisch oder übertrieben empfundenen Weise emphatisch und tolerant verhält, sich für Political Correctness oder Ähnliches einsetzt. Das Wort findet sich dort erst seit dem Jahr 2000. Doch mittlerweile ist „Gutmensch“ auf der politischen Bühne zum oft verwendeten Kampfbegriff mutiert: um den politischen Gegner zu diffamieren, als realitätsfern, moralisierend, selbstgerecht und naiv zu beschimpfen.

Unwort des Jahres 2015

2011 und 2015 landete der Begriff auf dem zweiten, dann ersten Platz der Aktion „Unwort des Jahres“ – nicht zuletzt deshalb, weil er in Internet-Foren immer häufiger verwendet und dadurch sein Diffamierungspotenzial stärker wurde. In der Flüchtlingskrise 2015 kam das zu einem Höhepunkt, als Hilfsbereitschaft gegenüber Flüchtlingen pauschal als naiv, dumm und weltfremd diffamiert wurde. Zu den Grundprinzipien der Demokratie gehört notwendigerweise eine Orientierung politischen Handelns an ethischen Prinzipien und das Ideal der Aushandlung gemeinsamer gesellschaftlicher Wertorientierungen in rationalen Diskussionen, argumentierte die Jury damals. Aber wer „Gutmensch“ sagt, hat kein Interesse mehr daran, Argumente auszutauschen – das ist bis heute so. 

Warum wirbt die Caritas ausgerechnet mit diesem Begriff? Es geht um die Deutungshoheit darüber, was „gut“ ist und was ein „guter Mensch“ ist. „Wir wollen und dürfen das nicht denen überlassen, die den Begriff lächerlich und verächtlich machen“, ist Neher überzeugt und verweist auf das Unverständnis und die Ablehnung, die Beleidigungen und Verunglimpfungen, denen Ehrenamtliche vielerorts ausgesetzt sind. Im Bistum Essen hat der Caritasverband nach eigenen Angaben bereits 2016 ein Programm aufgesetzt, das Akteur*innen dafür wappnet, auf Hate Speech zu reagieren.

Caritas fordert bessere Rahmenbedingungen

Die Caritas fordert auch bessere Rahmenbedingungen für freiwilliges Engagement: Schon kleine Änderungen, könnten einen bedeutenden Unterschied machen. Zum Beispiel sollte die Aufwandsentschädigung die Hartz-IV-Empfänger*innen für freiwilliges Engagement erhalten, nicht als Erwerbseinnahme angerechnet werden, forderte Neher.

Außerdem trat er dafür ein, mehr Geld für die Freiwilligendienste bereit zu stellen. „Alle, die derzeit einen freiwilligen Dienst leisten wollen, sollten das auch tun können. Das ist aber derzeit nicht der Fall.“

Forderung an die Politik: Freiwilligendienste besser finanziell stützen

Im Bundeshaushalt 2020 sind derzeit etwa 335 Millionen Euro für die Freiwilligendienste eingestellt (über die Posten „Freiwilligendienste“ und „Bundesfreiwilligendienst“). Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) hatte schon Ende 2018 Vorschläge gemacht, um die Attraktivität von Freiwilligendiensten zu steigern. Nach überschlägigen Berechnungen würde das knapp 1 Milliarde Euro zusätzlich kosten, teilt die Caritas mit.

Auch Kommunen können nach Vorstellungen der Caritas viel dazu beitragen, die Attraktivität des Engagements zu steigern bzw. ihre Anerkennung zum Ausdruck bringen: etwa durch ermäßigten bzw. kostenfreier Eintritt in die diversen kommunalen Einrichtungen oder die Darstellung und Würdigung des vielfältigen Engagements in den regionalen Medien.

Neher brachte auch kostenlose ÖPNV-Fahrten „als willkommenes Zeichen der Anerkennung“ für Ehrenamtliche ins Gespräch. Mit Blick auf die Freiwilligendienste wären auch eine Anrechnung auf Studienvoraussetzungen und ein einheitliches Taschengeld von 400 Euro monatlich denkbar. Überhaupt sei Ermutigung und Anerkennung wichtig – gerade in Zeiten, in denen „solidarisch sein zum Vorwurf wird“.