DEMO-Kommunalkongress

Michael Häupl: „Mimikry machen geht schief“

Carl-Friedrich Höck21. Juni 2018
Michael Häupl
Michael Häupl auf dem DEMO-Kommunalkongress 2018
Erster Redner auf dem DEMO-Kommunalkongress 2018 war am Donnerstag Michael Häupl. Der langjährige Bürgermeister und Landeshauptmann von Wien erklärte, was in der österreichischen Hauptstadt besser gelaufen ist als anderswo – und welche Prinzipien ihn geleitet haben.

Wenn in Deutschland über kommunale Maßnahmen gegen Wohnungsnot diskutiert wird, ist es meist nur eine Frage der Zeit, bis jemand auf dieses leuchtende Vorbild verweist: Wien. Die österreichische Hauptstadt hat es geschafft, Probleme zu umgehen, die viele andere Großstädte in Atem halten. Und Wien wurde in den vergangenen Jahrzehnten besonders von einem Mann geprägt: Michael Häupl. 24 Jahre lang regierte der Sozialdemokrat die Stadt als Bürgermeister und Landeshauptmann. Erst im Mai hat er sein Bürgermeisteramt niedergelegt.

Seine Erfahrungen und Erkenntnisse teilte Häupl am Donnerstag mit den Teilnehmenden des 13. DEMO-Kommunalkongress. Der SPÖ-Politiker hielt die Auftaktrede zur Veranstaltung unter dem Motto „Der kommunale Weg nach vorne“.

„Tendenzen nicht nachgegeben“

Das Erfolgsgeheimnis seiner Stadt beschrieb Häupl so: „Wir haben den modernistischen Tendenzen, was die Daseinsvorsorge betrifft, zu keinem Zeitpunkt nachgegeben“. Während andere Kommunen ihre Wohnungsunternehmen oder Stadtwerke privatisierten, hielt Wien an ihnen fest. Ein Kommunalpolitiker mache sich handlungsunfähig, wenn er sich seiner Instrumentarien beraube, ist Häupl überzeugt. „Wir sind Herr im eigenen Haus“. Ein Ergebnis dieser Politik: Wien verfügt noch immer über 220.000 gemeindeeigene Wohnungen. Zwei Drittel der Wiener wohnen in preisgebundenen Wohnungen, in denen die Miete nicht viel mehr als sieben Euro pro Quadratmeter betragen darf.

Doch auch in anderen Bereichen sei es wichtig, bedeutende Institutionen in der öffentlichen Hand zu behalten. Häupl verwies etwa auf die staatlichen Krankenhäuser in Wien, deren Qualität – so legten es jedenfalls seine Anekdoten nahe – besser sei als die der privaten Spitäler. Und auch in der Schulpolitik müsse der Staat sich engagieren, damit die modernen pädagogischen Konzepte nicht nur in privaten, katholischen Schulen umgesetzt werden. Auch Kinder aus ärmeren Familien müssten zu guter und zeitgemäßer Bildung Zugang haben, stellte Häupl klar. Alles andere sei eine „soziale Ungerechtigkeit allererster Güte, die wir nicht zulassen dürfen.“

Und noch ein drittes Beispiel nannte Häupt: Die Universitäten. So gebe es etwa für den Arztberuf nicht zu wenig Studenten, sondern zu wenig Ausbildungsplätze. Auch hier also lautet Häupls Lehre: Der Staat darf diese Felder nicht allein der Privatwirtschaft überlassen.

Demokratischer Sozialismus wird von Menschen gemacht

Er selbst habe im Laufe seines Lebens einen Lernprozess durchgemacht, berichtete Häupl. Als junger Mensch habe er Sozialdemokratie als eine große Vision betrachtet. Doch diese entstehe nicht durch „die objektiven Gesetze der Geschichte“. Es gehe vielmehr darum, Menschen zu überzeugen und der sozialdemokratischen Idee auch Gesichter zu geben. Und man müsse sich immer wieder neu mit der Wirklichkeit auseinandersetzen. „Das Proletariat hat in Wien zu 80 Prozent einen Migrationshintergrund“, nannte er ein Beispiel. So sehe die Gesellschaft heute aus, und nicht wie vor 100 Jahren.

Häupl selbst hat nach eigener Aussage Politik nach der Parole „Humanität und Ordnung“ betrieben. Menschenrechte, Frauenrechte und Kinderrechte seien für ihn nicht verhandelbar – und das vermittele er den Zugewanderten ebenso wie allen anderen.

Vertrauen aufbauen statt Mimikry

Sozialdemokraten müssten ihr Grundnarrativ von der Sozialen Gerechtigkeit an die Leute herantragen, indem sie mit ihnen reden. „Das heißt nicht, belehrend und überheblich die eigene Meinung durchsetzen zu wollen“, stellte Häupl klar. Man müsse in einen Dialog treten, „reden, reden, reden“, auch mit denjenigen, „die nicht völlig frei sind von Alkohol“. Das sei nicht immer einfach, aber da müsse man durch.

Das reden auf Augenhöhe helfe auch dabei, den Menschen ihre Ängste zu nehmen – auf einer emotionalen Ebene und nicht nur mit Fakten. „Skepsis, Verlustängste, Ohnmachtsgefühle und am Ende Aggressionen – aus diesem Stoff sind AfD- und FPÖ-Wähler gestrickt“, merkte Häupl an. Die Aufgabe der Sozialdemokraten sei es, Vertrauen aufzubauen, mit großer Offenheit und Ehrlichkeit. Und damit verbunden hatte Häupl einen letzten Rat an seine Zuhörer: Sie sollen die Konservativen nicht nachahmen. „Mimikry machen geht schief!“

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