Mietmarkt

Warum der Mietendeckel juristisch umstritten ist

Christian Rath16. Juli 2019
Das Land Berlin unter dem Regierenden Bürgermeister Michael Müller (SPD) plant einen Mietendeckel. Er ist juristisch umstritten.
Die Schaffung und Sicherung bezahlbaren Wohnraums gilt zur Zeit als eines der wichtigsten Politikfelder. Wer hier überzeugende Angebote hat, kann damit Wahlen gewinnen. Die rot-rot-grüne Koalition im Land Berlin plant einen Mietpreisdeckel – der aber unter Juristen umstritten ist. Eine Analyse.

Die Schaffung und Sicherung bezahlbaren Wohnraums gilt zur Zeit als eines der wichtigsten Politikfelder. Wer hier überzeugende Angebote hat, kann damit Wahlen gewinnen. Die rot-rot-grüne Koalition im Land Berlin hat mit dem Mietpreisdeckel jetzt ein interessantes Angebot auf den Weg gebracht.

Es gibt aber ein juristisches Problem. Berlin fehlt wohl die Kompetenz für ein derartiges Gesetz. Der Malus könnte jedoch politisch sogar Vorteile bringen. Falls der Berliner Mietendeckel an der Kompetenzfrage scheitert, könnte beim nächsten Bundestagswahlkampf ein rot-rot-grünes Bündnis für einen bundesweiten Mieterhöhungsstopp werben.

Eckpunkte im Juni beschlossen

Im Juni hat der Berliner Senat zunächst Eckpunkte beschlossen. Fünf Jahre lang sollen dann in Berlin Mieterhöhungen grundsätzlich ausgeschlossen sein, sowohl im laufenden Mietverhältnis als auch bei Neuvermietungen. Das entsprechende Gesetz soll bis Anfang 2020 beschlossen sein, Maßstab für die zulässige Miethöhe wäre aber dieser Dienstag. Betroffen sind 1,5 Millionen Wohnungen. Es wäre ein großes Experiment, ob der galoppierende Mietanstieg wirklich gestoppt werden kann, ohne Investoren nachhaltig zu verschrecken.

Aber wie so oft in Deutschland wird ein geplantes Gesetz nicht nur politisch diskutiert, sondern auch verfassungsrechtlich. Zentrale Frage ist hier, ob das Land Berlin dieses Gesetz überhaupt beschließen darf. In zweiter Linie geht auch um die Frage, ob zu stark in die Grundrechte der Vermieter eingegriffen wird. Der Bundesverband freier Immobilien- und Wohnungs-Unternehmen (BFW) hat ein Gutachten vorgelegt, wonach das geplante Berliner Gesetz verfassungswidrig ist. Ein anderes Gutachten im Auftrag der Berliner SPD hält die Pläne für rechtlich vertretbar.

Diskussion um Zuständigkeit

Eigentlich sind laut Grundgesetz die Bundesländer für die Gesetzgebung zuständig. Nur wenn die Verfassung dem Bund ausdrücklich eine Kompetenz zuweist, ist ein Bundesgesetz möglich. In der Praxis sieht es aber anders aus. Fast überall gibt der Bund die Regeln vor.

Auch das Mietrecht ist bisher Bundessache. Denn der Bund hat eine ausdrückliche Befugnis für das "Bürgerliche Recht", dazu gehört etwa das Kaufrecht, das Familienrecht, das Erbrecht und eben auch das Mietrecht. Wenn eine Bundesregelung "abschließend" ist, könnten Länder wie Berlin keine eigenen Gesetze in diesem Bereich mehr machen.

Wohnungswirtschaft versus SPD

Das Gutachten der Wohnungswirtschaft geht natürlich davon aus, dass die Bundesregelungen abschließend sind. Immerhin ist die Frage, wie Vermieter die Miete erhöhen dürfen, schon jetzt sehr differenziert geregelt. Bei bestehenden Mietverhältnissen ist die ortsübliche Vergleichsmiete der Maßstab, Dabei sind in der Regel maximal 20 Prozent Anstieg in drei Jahren erlaubt. Bei Neuvermietungen gibt es in Regionen mit angespanntem Wohnungsmarkt seit 2015 die Mietpreisbremse. Hier darf der Vermieter vom neuen Mieter maximal zehn Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete verlangen.

Das SPD-Gutachten sieht dagegen keine Sperrwirkung für einen weitergehenden Mietenstopp per Berliner Landesgesetz. Bei der Auslegung der Kompetenzen müsse nämlich auch die Berliner Landesverfassung beachtet werden, die ein "Recht auf angemessenen Wohnraum" vorsehe. Allerdings ist für die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern das Grundgesetz maßgeblich und nicht die Berliner Verfassung. Das Berliner Mietendeckel-Gesetz steht also auf ziemlich wackeliger Grundlage.

Der Streit wird ziemlich sicher beim Bundesverfassungsgericht landen. Bis Karlsruhe entschieden hat, dauert es allerdings meist einige Jahre. Parlamentarische Gesetze werden in der Regel nicht per Eilanordnung gestoppt. Und falls das Berliner Instrument wirkt, könnte ein bundesweiter Mietpreisdeckel dann ein attraktives Thema für die nächsten Bundestagswahlen werden.

Die Grundrechte der Vermieter müssen allerdings auch bei einem Bundesgesetz eingehalten werden. Wenn ein Vermieter fünf Jahre lang die Miete nicht erhöhen kann, sei dies eindeutig ein verfassungswidriger Eingriff ins Eigentum, sagen die Gutachter der Immobilienwirtschaft. Es gebe ja nicht einmal einen Inflationsausgleich.

Ein entsprechendes Gesetz wäre aber wohl dennoch verhältnismäßig und damit rechtmäßig, weil der Mietenstopp ja nur fünf Jahre gelten soll. Außerdem gälte der Deckel nicht für Neubauten, und Modernisierungskosten könnten weiterhin auf die Mieter umgelegt werden (hierfür soll allerdings ein Genehmigungsverfahren eingeführt werden). Für Vermieter, die in wirtschaftliche Schwierigkeiten kämen, soll es sogar eine Härtefallregelung geben, auch sie könnten sich eine Mieterhöhung genehmigen lassen.

Mietwohnungen wären also auch in Berlin weiterhin ein gutes Anlageobjekt - solange es am Kapitalmarkt kaum Zinsen gibt. Der Berliner Senat will die Mieten ja nicht auf Null senken, sondern nur weitere Anstiege ausschließen.