Niedersachsen

Morddrohungen: Bürgermeister Arnd Focke gibt auf

09. Januar 2020
Der niedersächsische SPD-Kommunalpolitiker Arnd Focke hat zum Jahresende seine Ämter niedergelegt.
Der SPD-Kommunalpolitiker Arnd Focke ist zum Jahresende als Bürgermeister der niedersächsischen Gemeinde Estorf wegen rechtsextremer Übergriffe zurückgetreten. Auch andere SPD-Politiker*innen erhalten immer häufiger Morddrohungen von Rechts.

Zum Jahresende war für Arnd Focke Schluss. Der niedersächsische Sozialdemokrat hat nach acht Jahren alle seine kommunalpolitischen Ämter niedergelegt. Am 31. Dezember schrieb Focke auf seiner Facebook-Seite: „Ich nehme angesichts massivster persönlicher rechter Anfeindungen, Bedrohungen und Diffamierungen meinen Hut, um mich und mein ganz privates Umfeld zu schützen.“

Hetze, Schmierereien und Morddrohungen

Rechte Hetze im Internet, Hakenkreuz-Schmierereien auf seinem Auto und ein Zettel in seinem Briefkasten, auf dem ihm die Vergasung angedroht wurde, bewogen Focke dazu, sein Amt als Bürgermeister der niedersächsischen Gemeinde Estorf aufzugeben, sagte er dem NDR. Er habe länger über seinen Rücktritt nachgedacht, angesichts der massiven Bedrohungen jedoch keine Alternative gesehen.  

Der 48-Jährige erhielt in den Tagen nach seinem Rücktritt in sozialen Medien sehr viel Zuspruch und Solidarität. Der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion Carsten Schneider kündigte an, den Paragraphen 188 im Strafgesetzbuch, der den Schutz vor übler Nachrede und Verleumdung erfasst, so verschärfen zu wollen, dass er künftig auch Kommunalpolitiker*innen umfasse.  

Maas: „Beschämend für die Demokratie“

Bundesaußenminister Heiko Maas schrieb auf Twitter: „Wenn Kommunalpolitiker, die sie sich vor Ort ehrenamtlich für unser Gemeinwesen engagieren, in den Rücktritt getrieben werden, ist das beschämend für unsere Demokratie.“ Das dürften Rechtsstaat, Politik und Zivilgesellschaft nicht tatenlos hinnehmen. Die Berliner Staatssekretärin Sawsan Chebli, die selbst bereits mehrfach Morddrohungen erhalten hatte, mahnte: „Immer mehr Kommunalpolitiker ziehen sich zurück. Nazis feiern. Wir schlafen.“

 

Bereits Ende vergangenen Jahres hatte die sächsische SPD-Politikerin Martina Angermann ihre vorzeitige Versetzung in den Ruhestand beantragt. Zuvor war die Bürgermeisterin von Arnsdorf monatelanger Hetze ausgesetzt gewesen. Die Gemeinde im Landkreis Bautzen war 2016 in die Schlagzeilen geraten, weil vier Männer damals einen psychisch kranken Flüchtling aus dem Irak mit Kabelbindern an einen Baum gefesselt hatten. Angermann hatte die Tat verurteilt und war daraufhin selbst von Rechten bedroht und verbal attackiert worden. Schon damals kündigte Bundesjustizministerin Christine Lambrecht an, Hetzer*innen künftig härter verfolgen und bestrafen zu wollen.

Politikberater lobt Kühnerts Umgang

Zuletzt hatte auch der stellvertretende SPD-Vorsitzende Kevin Kühnert über soziale Medien eine Morddrohung erhalten. Ein Nutzer postete auf Kühnerts Pinnwand in dessen privatem Facebook-Profil ein Bild von einer Pistole, die ein Projektil abfeuert. Das Bild war mit dem Spruch „Das ist die einzige Antwort auf solche Typen!“ versehen. Kühnert reagierte humorvoll mit der an den Urheber adressierten Frage: „Haben Sie in den kommenden Wochen auch wirklich genügend Zeit, sich um das zu kümmern, was meine Anzeige in Reaktion auf Ihren Beitrag so alles nach sich ziehen wird? Wenn nicht: Räumen Sie sich im Kalender lieber was frei.“

Der Kölner Politikberater Erik Flügge lobte Kühnerts Reaktion: „Eine seiner Stärken ist es, auf jeden Angriff mit einer ganz eigenen Coolness zu reagieren.“ Dennoch sei die ständige Bedrohung von politisch Aktiven im Netz nicht zum Lachen. „Es gibt viele Aktivistinnen und Aktivisten, die täglich mit Hassnachrichten und Drohungen überhäuft werden. Es ist ist richtig, all diese Drohungen zur Anzeige zu bringen“, schrieb Flügge in einem Beitrag auf seiner Facebook-Seite. Der „ständige Online-Terror“ koste den Staat jährlich Millionen von Euros für die Strafverfolgung. Flügge forderte, Opfer von Hetze durch positive Nachrichten und Kommentare zu unterstützen.

Focke will sich nicht unterkriegen lassen

Arnd Focke jedenfalls will sich auch nach seinem Rücktritt nicht der rechten Hetze beugen. Er streite seit Jugendtagen gegen Rechte und ihr Gedankengut. Das bleibe auch so, sagte er dem NDR: „Mein Engagement in diese Richtung wird definitiv so ausgeprägt bleiben, wie es war. Mindestens.“

Der Artikel erscheint mit freundlicher Genehmigung von vorwaerts.de

 

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