Buchrezension „Sozialdemokratie wagen!“

Neues Buch: Wie Simone Lange die SPD verändern möchte

Kai Doering12. Dezember 2018
„Wir sind zurzeit das Gegenteil von progressiv.“ Simone Lange will die SPD reformieren und Vertrauen zurückgewinnen.
Urwahl von Parteivorsitz und Kanzlerkandidat, Entschuldigung für Hartz IV und eine offene Diskussion über das bedingungslose Grundeinkommen: In einem neuen Buch macht Flensburgs Oberbürgermeisterin Simone Lange zahlreiche Vorschläge für eine Neuausrichtung der SPD.

Eigentlich sollte das Buch von Simone Lange schon früher erscheinen. So zumindest wollte es der Verlag. Doch Lange, seit Januar 2017 Flensburger Oberbürgermeisterin und Kandidatin für den SPD-Bundesvorsitz auf dem Parteitag im April dieses Jahres, setzte sich durch. Erst sollten die Landtagswahlen in Bayern und in Hessen stattgefunden haben. Und so stellte sie Ende Oktober ihr Buch „Sozialdemokratie wagen!“ in Berlin vor. Der Titel ist bewusst an Willy Brandts Forderung „Mehr Demokratie wagen“ angelehnt.

Lange: Die Menschen haben kein Vertrauen in die SPD

„Wir sind zurzeit das Gegenteil von progressiv“, lautet Langes Bestandsaufnahme der SPD. Und: „Wenn wir uns nicht ändern, werden wir in einigen Gegenden Deutschlands nicht mehr vorhanden sein.“ Dabei sei die Ausgangslage der Partei eigentlich gar nicht so schlecht. „Vieles, was bei der SPD im Programm steht ist gut“, sagt Simone Lange, „aber uns hört niemand mehr zu; das Vertrauen der Menschen fehlt“.

Um dieses zurückzugewinnen, macht Simone Lange in ihrem knapp 180 Seiten starken Buch konkrete Vorschläge – von der Finanzpolitik, über Rente und Integration bis zu Hartz IV. „Mit der Agenda 2010 hat die Sozialdemokratie ihre Werte verraten“, sagt Lange bei der Buchvorstellung. Die SPD müsse sich deshalb bei den Betroffenen entschuldigen. Dies sei „ein erster Schritt, um das verlorene Vertrauen wieder herzustellen“. Danach müsse die SPD  „eine echte Reform der Sozialgesetzgebung“ in Angriff nehmen und den „Sozialstaat der Zukunft beschreiben“. Dabei setzt Lange auch auf die das Bedingungslose Grundeinkommen. „Wir müssen uns endlich öffnen, um die Idee des Grundeinkommens zu diskutieren“, fordert die Flensburger Oberbürgermeisterin.

Urwahl für Parteivorsitz und Kanzlerkandidat

Doch auch strukturell müsse sich die SPD dringend reformieren. „Wir haben ein Strukturproblem“, sagt Lange. Wenige bestimmten über die Geschicke der Partei in Personalunion, etwa wenn die Vorsitzenden der Landesverbände gleichzeitig auch im Vorstand der Bundespartei vertreten seien. Lange plädiert deshalb für eine Trennung von Amt und Mandat – bis hin zu den Delegierten von Parteitagen.

Überhaupt will die Flensburgerin die rund 450.000 Mitglieder viel mehr direkt mitbestimmen lassen. Bei zwei Mitgliederentscheiden über die große Koalition 2013 und 2018 habe die SPD doch sehr gute Erfahrungen gemacht. „Warum fragt man sie nicht auch bei Personalfragen?“ So will Lange die Parteimitglieder etwa darüber entscheiden, wer die SPD als Spitzenkandidat in die Bundestagswahl führt und wer der Partei vorsitzt. Bei der Pressekonferenz spricht sie von „beteiligen ohne Ende“.

Ob sie selbst bei einer solchen Urwahl über den Parteivorsitz noch einmal antreten würde, lässt Simone Lange am Dienstag offen. Sie wolle aber auf jeden Fall „den Weg ebnen für andere, die es sich zutrauen“.

„Die SPD ist zu retten“

Die SPD wird weiter gebraucht. Auch das ist die Botschaft, die Simone Lange bei der Vorstellung ihres Buches hat. „Die Menschen sehnen sich nach eine Sozialdemokratie, die sie wählen können, aber dafür müssen wir auch etwas anbieten“, sagt sie. Als „Steigbügelhalter für konservative Politik“ könne sich die SPD nicht progressiv ausrichten. Deshalb sei es besonders „bitter, dass die Schwäche der SPD zu einer Stärke der AfD führt“.

Und doch: Hoffnungslos sei die Lage für die Sozialdemokraten nicht. Viele gute Ansätze schlummerten in bereits gefassten Parteitagsbeschlüssen. Um wieder Volkspartei zu werden, müsse sich die SPD nur „auf ihren Kernauftrag besinnen“. „Die SPD“, auch das ist Langes Botschaft an diesem Dienstag, „ist zu retten“.

Der Text ist zuerst auf vorwaerts.de erschienen

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