Konversion

Ein neues Stück Stadt auf altem Militärgelände

Uwe Roth31. August 2020
Die Amerikaner und ihre Familien waren fester Bestandteil des Heidelberg Stadtlebens und haben eine Lücke hinterlassen.
Was Stuttgart mit dem Teilabzug von US-Truppen bevorstehen könnte, haben in Baden-Württemberg Mannheim, Heidelberg und Ludwigsburg hinter sich – beziehungsweise sie stecken mittendrin: Militärgelände in ein neues Stück Stadt zu verwandeln. Es ist ein Prozess, der viele Jahre in Anspruch nimmt.

Konversion ist ein hartes Stück Arbeit. Mannheim war vor zehn Jahren in gleicher Situation wie Stuttgart. Oberbürgermeister Peter Kurz (SPD) erinnert sich: „Die Ankündigung, dass die US-Truppen aus der Region abgezogen werden sollen, hat uns damals geschockt. Ich bin sogar extra mit meinem Heidelberger OB-Kollegen Eckart Würzner ins Pentagon gefahren, um für den Verbleib zu werben, aber ohne Erfolg.“ Als klar gewesen sei, dass die Entscheidung stehe, „haben wir den Schalter sehr schnell umgelegt und versucht, die Veränderung als Chance zu begreifen. Heute kann ich sagen: Die positiven Effekte überwiegen die negativen bei Weitem.“

Mannheims Konversion ist grün

Auf 300 Hektar entstehen Räume zum Wohnen, für Freizeit und Arbeit. Insgesamt ist Mannheims Konversion grün: Rund 40 Prozent der Flächen bleiben Freiraum. Mit Auf dem Franklin-Quartier entsteht auf 140 Hektar ein komplett neuer Stadtteil für rund 10 000 Bewohnende. Das Taylor-Areal wird zu Mannheims grünstem Gewerbegebiet.

OB Kurz Kollege Fritz Kuhn (Grüne) fürchtet für Stuttgart einen Verlust an Kaufkraft. In Mannheim hat sich die Befürchtung als unbegründet erwiesen: Aufgrund des schwachen Dollars haben die US-Soldaten in den Jahren vor dem Abzug überwiegend in eigenen Läden eingekauft und die Autos zollfrei importiert. „Die Daten, die der Stadtverwaltung zur Kaufkraft vorliegen, lassen nicht den Schluss zu, dass es in Mannheim einen durch den Truppenabzug beeinflussten Rückgang gab“, heißt es aus dem Rathaus.

Heidelberg hat sich verändert

In Heidelberg sagt dazu eine Sprecherin der Stadt: „Finanziell musste die Stadt übergangsweise durch den abzugsbedingten Einwohnerrückgang erhebliche Einnahmeverluste durch Gebührenausfälle und beim kommunalen Finanzausgleich verkraften.“ Der Abzug der amerikanischen Streitkräfte habe die Stadt verändert: Die Amerikaner und ihre Familien seien fester Bestandteil des Heidelberg Stadtlebens gewesen, viele Freundschaften seien entstanden. „Mit dem Abzug der US-Armee ist hier eine große Lücke entstanden“, so die Sprecherin.

Was die Stadtentwicklung anbelange, seien 180 Hektar freigewordene Fläche für neue Entwicklungen allerdings „eine Jahrhundertchance“.

Ludwigsburg hat Konversion beinahe geschafft

Ludwigsburg liegt 15 Kilometer nördlich von Stuttgart. In der 94.000 Einwohner-Stadt ist die Konversion beinahe geschafft. Die Anfänge lieben aber auch 30 Jahre zurück. Margit Liepins kam damals neu in den Gemeinderat. Heute ist sie langjährige SPD-Fraktionsvorsitzende. Dass das US-Militär die Stadt verlassen werde, diese Nachricht „ist erstmal ein Schock gewesen“, sagt auch sie. Ludwigsburg ohne Gis und deren Familien sei damals kaum vorstellbar gewesen. Zumal die Amerikaner recht angenehme Mitbewohner gewesen seien. Mit einem Schlag standen zahlreiche Kasernen leer und mehrere Wohngebiete.

In den 1990er Jahren hatte die Stadt eine große Zahl Flüchtlinge vom Balkan und Russlanddeutsche unterzubringen. Da sei für eine koordinierte Stadtentwicklung wenig Zeit geblieben, bedauert sie. „Wir mussten dringend Wohnraum schaffen.“ Für neue Grünzone schien kein Platz gewesen zu sein. Aber insgesamt sei mit dem Militärabzug aus Ludwigsburg in den drei Jahrzehnten eine völlig andere Stadt geworden. In einigen Kasernen zog die Kultur ein. So habe aus der Soldatenstadt eine Medienstadt werden können.