SPD-Kandidat

Oberbürgermeister-Wahl: Wie Albrecht Pallas Dresden verändern will

Kai Doering10. Juni 2022
Foto von Albrecht Pallas
„Die, die hassen, werden mich zum Gegner haben.“ SPD-Kandidat Albrecht Pallas will Oberbürgermeister von Dresden werden.
Am 12. Juni wird in Dresden ein neuer Oberbürgermeister gewählt. Albrecht Pallas will den Rathaussessel für die SPD erobern – und die Potenziale der Stadt besser nutzen. Für Pegida und Co hat er eine klare Botschaft.

An einem Freitagnachmittag im Mai kann Albrecht Pallas für einen kurzen Moment nachempfinden, was Geflüchtete aus der Ukraine erleben, wenn sie nach Deutschland kommen. Der 42-jährige Kandidat der SPD für die Dresdner Oberbürgermeisterwahl am 12. Juni steht in einem großen Raum des Jobcenters Dresden und hält eine Karte mit einer großen 19 darauf in der Hand. Um ihn herum Stimmengewirr. Auf einigen Stühlen sitzen Kinder und malen. Fragend blickt Pallas sich um und geht dann auf einen Schreibtisch zu, an dem ebenfalls eine 19 angebracht ist.

Wäre Albrecht Pallas tatsächlich aus der Ukraine geflohen, könnte er jetzt hier einen Antrag auf Grundsicherung stellen. Stattdessen schüttelt er der Frau auf der anderen Seite des Schreibtischs die Hand und bedankt sich für ihre Arbeit. Sie ist eine von 130 Mitarbeiter*innen des Dresdner Jobcenters, die sich freiwillig gemeldet haben, um die Geflüchteten zu unterstützen, damit sie schnell ihr Geld bekommen. „Mir macht das Spaß“, sagt die Sachbearbeiterin. „Und die Menschen sind sehr dankbar.“

Mit klarer Kante gegen Hass und Hetze

Zu Beginn des Kriegs kamen wegen der Nähe zu Tschechien an manchen Tagen mehr als 1000 Menschen am Dresdner Hauptbahnhof an. Im Moment sind es 100 bis 200. Viele reisen weiter. „Mich hat beeindruckt, mit wieviel Herz die Menschen von Anfang an geholfen haben“, sagt Albrecht Pallas. Zumal die Erinnerungen an 2014 noch sehr wach sind. Damals, als Geflüchtete aus dem Bürgerkrieg in Syrien nach Deutschland kamen, formierte sich in Dresden die Pegida-Bewegung, die zu Hochzeiten mit mehr als 20.000 Menschen gegen Migrant*innen und die Politik im Allgemeinen demonstrierten.

„Rechte Ansichten sind in Ostdeutschland und auch in Sachsen überproportional in verschiedenen Bevölkerungsgruppen vorhanden“, weiß Albrecht Pallas. Als Polizeibeamter hatte er ebenso mit dem Thema zu tun wie jetzt als innenpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im sächsischen Landtag. Doch es gebe eben auch die anderen, die, die sich für die Demokratie engagierten und sich rechten Hetzer*innen entgegenstellten. Die bräuchten deutlich mehr Unterstützung von der Stadtspitze, ist Pallas überzeugt. „Ein Oberbürgermeister muss eine klare Haltung für eine solidarische und weltgewandte Stadt verkörpern“, sagt er und verspricht: „Die, die hassen, werden mich zum Gegner haben.“

Ohne ihn beim Namen zu nennen, ist klar, an wen sich Pallas‘ Kritik richtet. Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) steht immer wieder in der Kritik, sich gegenüber Pegida und anderen Gruppen wie zuletzt den Protesten von Impfgegner*innen zu zaghaft zu positionieren. Albrecht Pallas dagegen verspricht: „Als erster Oberbürgermeister nach 1990 werde ich eine breite Bündnis- und Netzwerkarbeit etablieren, die alle Stadtteile und unterschiedliche Milieus erreicht und anerkennt.“

Ein neuer Aufbruchsgeist für Dresden

Für Pallas gehört das zu seinem Versprechen „mehr aus Dresden machen“ zu wollen. „Man hat sich in der Stadtspitze zu lange auf den Erfolgen der Vergangenheit ausgeruht“, kritisiert er. Die Stadt sei zwar „wunderschön“, aber „behäbiger und gleichgültiger“ geworden. Und das, obwohl Dresden „vor der größten Veränderung seit 1990“ stehe: Bis 2045 müsse die Stadt klimaneutral werden. Die Digitalisierung bringe weitere Herausforderungen mit sich. „Die müssen wir als Chance verstehen“, sagt Albrecht Pallas. „Ich will einen neuen Aufbruchsgeist in der Stadt erzeugen.“

Gerade für junge Menschen werde Dresden immer unattraktiver. Kreative wanderten nach Leipzig oder Berlin ab. „Viele denken, Dresden ist nicht mehr meine Stadt.“ Das will Pallas ändern. „Dresden ist mehr als Barock-Fassaden“, sagt er einige Stunden vor seinem Besuch im Dresdner Jobcenter. Im blauen Anzug mit gepunkteten Socken und braunen Lederschuhen steht er auf einer Skater-Anlage unweit des Rathauses. Der MDR hat ihn zum Interview hierhergebeten. Es ist eine der vielen unfertigen Flächen in der Stadt, die Tourist*innen eher nicht wahrnehmen.

„Wenn die Jugend in Dresden bleiben soll, dann braucht die Stadt gerade diese Freiräume“, ist Pallas überzeugt. Er sieht sich deshalb auch als Mittler zwischen den Bürgerlichen und den eher alternativ Denkenden in der Stadt. Gerade das könnte auch Pallas‘ Chance sein, am Ende aus dem Feld der neun Bewerber*innen für den Posten des Oberbürgermeisters herauszustechen.

Absprache mit Grünen und Linken

Mit den Kandidat*innen der Grünen und der Linken gibt es eine Absprache, dass im zweiten Wahlgang nur noch derjenige von ihnen antritt, der am 12. Juni die meisten Stimmen bekommen hat. Eine Stichwahl gibt es nämlich in Sachsen nicht. Erhält in der ersten Runde niemand die absolute Mehrheit, dürfen alle Bewerber*innen einen Monat später erneut antreten. Wer dann die meisten Stimmen bekommt, wird neuer Oberbürgermeister.

Albrecht Pallas rechnet sich durchaus Chancen aus, dass er das Rennen machen wird. Als das Interview mit dem MDR im Kasten ist, die Journalist*innen sich verabschiedet haben, hält ein Radfahrer neben der Skateranlage. „Das ist doch der Herr Pallas“, ruft der Mann und steigt von seinem Rad ab. „Wie schätzen Sie Ihre Chancen ein?“, will er vom Kandidaten wissen. „Sie sind da“, sagt Albrecht Pallas und lächelt.

 

Dieser Artikel ist zuerst auf vorwaerts.de erschienen.

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