Interview

Sachsens SPD-Spitzenkandidatin Köpping: „Kommunen brauchen mehr Freiheit“

Nils Michaelis08. Dezember 2023
Die sächsische SPD startet mit Spitzenkandidatin Petra Köpping in die anstehende Landtagswahl. Im Interview beschreibt sie ihren Zukunftsplan für Sachsen und wie die SPD dort stärker werden will.

Sie wurden mit 97 Prozent als Spitzenkandidatin bestätigt. Ist so ein Ergebnis eher Motivation oder Bürde?

Petra Köpping: Beides. Es zeigt die Geschlossenheit der sächsischen SPD. Ich verstehe es auch als Würdigung. In Sachsen wissen sie, wie ich arbeite und ticke. Angesichts unserer Umfragewerte liegt darin aber auch eine ziemliche Herausforderung.

Welche Rolle wird die Person Petra Köpping im Landtagswahlkampf spielen?

Sie sollte eine gewichtige Rolle spielen. Ich werde die einzige Spitzenkandidatin sein, die von der kommunalen bis zur Landesebene alle politischen Sphären durchlaufen hat. Ich war Bürgermeisterin, Kreisrätin, Landrätin und Landtagsabgeordnete. Seit neun Jahren bin ich Ministerin. Ich kann sehr gut einschätzen, welche Auswirkungen die Entscheidungen des Landes in den Städten und Gemeinden haben. Ich möchte vermitteln, dass ich eine starke Vertreterin der Kommunen und der Menschen vor Ort bin. Ich habe großes Vertrauen in die Bürgermeister*innen und Gemeindevertreter*innen.

Ob Infrastruktur, Bildung oder Zuwanderung: Das Regierungsprogramm der SPD enthält einen umfassenden Plan, um Sachsen fit für die Zukunft zu machen. Was ist daran SPD pur?

Gerade das Thema Bildung. Dies ist ein Grundanliegen der SPD. Ich war die erste Landrätin, die Schulsozialarbeit eingeführt hat. Mittlerweile hat Sachsen eines der bundesweit größten Programme hierfür. Auch die Gemeinschaftsschulen, die während meiner Zeit an der Spitze der Kreisverwaltung erstmalig auf den Weg gebracht wurden, sind eine Erfolgsprojekt. Es geht um Chancengleichheit in der Bildung. In der nächsten Koalition sollten wir endlich das Bildungsministerium innehaben.

Kernpunkt des Zukunftsplans ist der Sachsenfonds. Ohne ein Aussetzen der Schuldenbremse wird der Vier-Milliarden-Topf für Investitionen kaum möglich sein. Wie wollen Sie den wohl auch künftigen Koalitionspartner CDU von diesem Sondervermögen überzeugen?

Zunächst möchte ich vor allem die Wähler*innen davon überzeugen, dass es eine Möglichkeit ist, dringend benötigte Investitionen in großem Maßstab auf den Weg zu bringen. Land und Kommunen sollen in die Freiheit versetzt werden, Dinge voranzutreiben. Die Menschen sollen sehen, dass sich bei ihnen vor Ort etwas tut. Wie die CDU dazu steht, werden die Koalitionsverhandlungen zeigen. Je mehr Menschen wir für die Idee des Sachsenfonds gewinnen, desto besser ist unsere Verhandlungsposition.

Wirtschaftlich steht Sachsen gut da. Trotzdem sind Frust, Verunsicherung und Polarisierung im Land weit verbreitet. Was ist das Rezept der SPD dagegen?

In den Kommunen ist viel Vertrauen verloren gegangen. Sie brauchen endlich wieder Gestaltungsspielräume. Kreisräte müssen sich über Inhalte auseinandersetzen können. Können sie derzeit aber nicht, weil es angesichts der knappen Mittel für freiwilligen Aufgaben nahezu keinen Spielraum für Diskussionen gibt. Kommunalpolitiker*innen müssen die Möglichkeit haben, Dinge auszuprobieren, anstatt ausschließlich strengen Vorgaben zu folgen. Kommunen benötigen mehr Freiheit.

Die Forderung nach mehr Respekt zieht sich wie ein roter Faden durch das auf dem Landesparteitag beschlossene Regierungsprogramm. Hat das mit der aufgeheizten Stimmung im Land zu tun? Oder orientiert sich die Sachsen-SPD an der erfolgreichen Wahlkampagne von Olaf Scholz von 2021?

Sicherlich stimmt beides. Es geht in Ostdeutschland ganz besonders aber auch darum, die Lebensleistung der Menschen endlich angemessen zu würdigen. Dass sich viele Städte und Dörfer nach der Wende so prächtig entwickelt haben, ist vor allem das Verdienst der Bürgerinnen und Bürger. Viele haben Großes geschaffen und ihr eigenes Leben hintangestellt. In den letzten 33 Jahren haben sich viele Menschen beruflich völlig neu, auch unterhalb ihrer Qualifikation, orientiert und dennoch ihr Leben gemeistert. Manch einer oder eine sollte sich fragen, ob er oder sie das geschafft hätte.

Was braucht eine Politik des Respekts in Sachsen am dringlichsten? Wo fehlt es besonders an Respekt?

Da gibt es viele Baustellen. Wir haben eine starke Zivilgesellschaft, die sich gegen Rechtsextremismus und Rassismus engagiert. Dennoch wird sie manchmal vernachlässigt und zu wenig gewürdigt. Wenn wir das nicht ändern und mehr Respekt zeigen, droht Resignation. Es gibt noch andere Beispiele für Engagement aus der Mitte der Gesellschaft. Viele Menschen haben Geflüchtete aus der Ukraine zu Hause aufgenommen. Auch die Mehrgenerationenhäuser leisten einen wichtigen Dienst fürs Gemeinwohl. Viele Sächsinnen und Sachsen bringen sich dort ehrenamtlich oder auf Mindestlohnbasis ein. All das verdient mehr Aufmerksamkeit.

Im Regierungsprogramm wird auch mehr Respekt für die Lebensleistung von Beschäftigten gefordert. Was plant die SPD, um mehr Tarifbindung zu erreichen?

Wir stehen Seite an Seite mit den Gewerkschaften. Allerdings hat das Mitwirken in Gewerkschaften für viele Menschen in Ostdeutschland einen schlechten Touch. Man sieht aber auch: Gerade dort, wo sich Menschen gewerkschaftlich organisieren, wurden in der Vergangenheit Verbesserungen für die Beschäftigten erreicht. Vielerorts haben Betriebsräte und Gewerkschaften gemeinsam die Tarifbindung erkämpft. Das stärkt das Selbstbewusstsein der Menschen. Die SPD unterstützt das.

Wie groß ist der Spielraum für eine Politik des Respekts in einer weiteren Koalition mit der CDU?

Je stärker wir bei der Landtagswahl abschneiden, desto besser können wir unsere Themen setzen. Nach vergangenen Wahlen wurde ich immer wieder gefragt, warum es in Sachsen keine kostenlosen Kitas gibt. Dann habe ich auf das SPD-geführte Rheinland-Pfalz verwiesen, wo das längst der Fall ist. Die SPD steht für kostenlose Bildung. Wir müssen den Menschen klarmachen, warum es so wichtig ist, welche Wahl sie treffen.

Ist die Politik des Respekts ein Weg, den wachsenden Zulauf für die AfD zu bremsen?

Die vielen Krisen unserer Zeit haben die Menschen müde gemacht. Ich möchte Optimismus vermitteln, nach dem Motto: Wir haben so viel geschafft, wir schaffen auch das! Die AfD wird in Sachsen niemals regieren, weil keine Partei mit ihr ein Bündnis eingehen will. Wer sich Veränderungen wünscht, von denen möglichst viele Menschen profitieren, muss SPD wählen.

Seit bald zehn Jahren regiert die SPD mit der CDU. Muss und wird sich die Partei stärker von der Union und Ministerpräsident Michael Kretschmer abgrenzen?

Ein eigenes Profil zu zeigen, ist schon wichtig. Herr Kretschmer zeigt oft mit dem Finger auf andere, wenn etwas nicht klappt. Das ist nicht meine Haltung. In jedem meiner Ämter habe ich mich den damit verbundenen Aufgaben gestellt und mein Programm umgesetzt. Das wird auch so bleiben.

Angenommen, nach der Landtagswahl wäre alles möglich: Welches Wunschbündnis streben Sie für die kommende Legislatur an?

Das kann man vorher nicht sagen. Wir müssen abwägen, mit welcher Partei wir die meisten Schnittmengen haben. Wahrscheinlich werden wir es mit einem komplizierten Wahlergebnis zu tun haben.

Die SPD startet in Zeiten schwieriger Umfrageergebnisse ins Jahr der Landtagswahl. Derzeit liegt sie in Sachsen bei 7,7 Prozent. Bei der letzten Bundestagswahl holte sie im Freistaat mehr als 19 Prozent. Wie wollen Sie diese Lücke schließen?

Die 19 Prozent zeigen unser Potenzial in Sachsen auf. Wir können dort wesentlich stärker sein. Bislang fehlt es uns womöglich an Überzeugungskraft. Ich stehe für Realpolitik. Die Leute können sich anschauen, was ich in meinen bisherigen Ämtern geleistet habe.  

Zwei wichtige politische Vorhaben fallen in Ihre Zuständigkeit als Staatsministerin. Im Zuge der Krankenhausreform soll in Sachsen keine einzige Klinik geschlossen werden. Außerdem wird der Freistaat ein Integrations- und Teilhabegesetz bekommen. Müsste die SPD solche Erfolge besser nach außen kommunizieren?

Das sind zwei dicke Bretter. Ich bin ununterbrochen unterwegs und weise ununterbrochen darauf hin. Meine Ziele sind klar: Kein Krankenhaus wird geschlossen. Jeder soll Zugang zu einer hochqualifizierten Gesundheitsversorgung haben und das Gesundheitssystem soll fit für die Zukunft gemacht werden. Allerdings dringt der Ministerpräsident mit seinen Botschaften oftmals besser durch als der Koalitionspartner.

Dieses Interview ist zuerst bei vorwaerts.de erschienen.

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