Frühkindliche Bildung

OECD-Studie: Kita-Fachkräfte beklagen Mangel an Personal und Geld

Karin Billanitsch01. Dezember 2020
Im Rahmen der Fachkraefteoffensive Erzieher*innen besucht Bundesfamilienministerin Franziska Giffey, SPD, eine Kita. Das BMFFSJ fördert die Umsetzung der neuen OECD-Studie in Deutschland.
Ein schöner Beruf – aber verbunden mit viel Arbeit, Stress, mangelnder Wertschätzung und zu wenig Gehalt: Eine neue Studie der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) beleuchtet die Arbeitbedingungen in Kindertagesstätten.

Kaum jemand außerhalb der Familie verbringt so viel Zeit mit Kindern wie die pädagogischen Fachkräfte in Kindertageseinrichtungen. Wie sieht ihr Alltag konkret aus? Wie hoch ist ihre Arbeitszufriedenheit und wo sehen sie Weiterbildungs- oder Reformbedarf? Das beleuchtet eine OECD-Studie, die den Arbeitsalltag in der Kindertagesbetreuung international vergleicht.

Ein wichtiges Ergebnis: Die Mehrzahl der befragten Pädagog*innen in der Kindertagesbetreuung ist sehr zufrieden mit ihrem Job, sie wünschen sich aber eine höhere Wertschätzung und ein höheres Gehalt. Sie klagen auch über begrenzte Aussichten für ihre berufliche Entwicklung. Fachkräfte aus neun Ländern haben an der Befragung im Ü3-Bereich teilgenommen, aus Deutschland, Chile, Dänemark, Island, Israel, Japan, Korea, Norwegen und der Türkei.

Staatssekretärin Seifert: „Wünsche und Sorgen ernst nehmen“

Juliane Seifert, Staatssekretärin im SPD-geführten Bundesfamilienministerium, sagte zu den Studienergebnissen: „Für mehr Qualität in der frühen Bildung müssen wir unsere Kitas und Kindertagespflegeeinrichtungen gut aufstellen, denn sie sind die ersten Stationen in unserem Bildungssystem.“ Dafür würden dringend die Fachkräfte benötigt, die jeden Tag, auch jetzt in der Corona-Pandemie, mit viel Einsatz und Kompetenz dafür arbeiteten, Kinder zu fördern. Sie betonte: „Daher müssen wir die Wünsche und Sorgen der Fachkräfte ernst nehmen.“ Für Das Bundesfamilienministerium sind die Ergebnisse der Studie umso wichtiger, als sie beleuchten, wo man zur Gewinnung und Bindung von Fachkräften ansetzen kann, das machte Seifert deutlich.

Die Ergebnisse im Detail: Spitze ist Deutschland laut der Studie bei der Berufsausbildung: 97 Prozent derjenigen, die mit Kindern über drei Jahren arbeiten und 96 Prozent derjenigen, die jüngere Kinder betreuen, sind speziell für die Arbeit mit Kindern ausgebildet, sowohl theoretisch als auch mit Praxisteil. „Damit ist Deutschland in der Spitzengruppe“, betonte OECD-Bildungsdirektor Andreas Schleicher.

Die Fachkräfte fühlen sich auch gut in der Lage, die soziale und emotionale Entwicklung ihrer Schützlinge zu fördern. Allerdings machte die Befragung laut Schleicher auch deutlich, dass sie sich weniger sicher fühlten, was die Arbeit mit Kindern aus benachteiligten Familien oder anderen Kulturen angeht.

Belastende Faktoren: Personalmangel und zu viele zusätzliche Aufgaben

Deutschland gehört auch zur Spitzengruppe jener Länder, in denen das pädagogische Personal in den vergangenen 12 Monaten an einer Fortbildung teilgenommen hat (rund 80 Prozent). Sehr hoch ist auch die Arbeitszufriedenheit, was die pädagogische Arbeit mit den Kindern angeht. „Größere Belastungsfaktoren sind eher unzureichende finanzielle und personelle Ressourcen und zusätzliche Aufgaben“, erklärte Schleicher.

Zu viel Arbeit entsteht laut der Befragung in Deutschland etwa durch Dokumentationspflichten zur Entwicklung der Kinder (23 Prozent) zusätzliche Arbeit durch Abwesenheit von Fachkräften (33 Prozent) Putzen (20 Prozent) mangelnde Ausstattung (29 Prozent) oder auch zu viele Kinder in einer Gruppe (29 Prozent).

Hoch sei in Deutschland ­– verglichen mit den anderen Ländern – der Anteil jener, die wegen gesundheitlicher Probleme ihren Beruf aufgeben würden: Etwa 25 Prozent der Fachkräfte aus dem Vorschulbereich geben an, dass dies der wahrscheinlichste Grund wären, den Job zu kündigen. Bei den Betreuer*innen von unter Dreijährigen ist es etwa jede/r Fünfte.

Die mangelnde Wertschätzung des Berufs spiegelt sich in der Bezahlung wider: Knapp drei Viertel der befragten Kita-Erzieher*innen sind mit ihrem Gehalt unzufrieden. Auch dies kann zur Kündigung des Jobs führen.

Forderungen an die Politik

Im Ergebnis schlägt Schleicher vor, die Fort- und Weiterbildung zu verbessern, verschiedene Karrierestufen zu ermöglichen. „Wege für den beruflichen Aufstieg müssen besser definiert werden“, hieß es. Status und Anerkennung sollte erhöht werden, „indem sichergestellt wird, dass die Gehälter der Fachkräfte mit der Verantwortung im Einklang stehen“. Außerdem befürchtet der OECD-Bildungsdirektor, das wegen der Corona-Pandemie in den nächsten Jahren zu wenig Geld da sei, um ein höheres Gehalt zu zahlen oder bessere Betreuungsschlüssel einzuführen.

Juliane Seifert wies bei der Vorstellung der Ergebnisse insbesondere darauf hin, dass das Bundesfamilienministerium mit dem Gute-Kita-Gesetz die „hochwertigen Angebote in der frühen Bildung“ mit 5,5 Milliarden Euro gefördert habe, um die Arbeitsbedingungen in der frühen Bildung weiter zu verbessern. Außerdem würden mit der Fachkräfteoffensive für Erzieher*innen zusätzliche wichtige Impulse gesetzt. Die Verhandlungen um die Gehälter, betonte sie, seien Sache der Tarifparteien. Die Umsetzung der OECD-Studie in Deutschland wird durch das BMFSFJ gefördert.

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