Interview mit Ulf-Birger Franz

„Schüler und Forscher arbeiten Wand an Wand“

Karin Billanitsch15. Februar 2019
Will das Cluster Robotiks in der Region Hannover stärken: Ulf-Birger Franz.
Die Region Hannover hat im Jahr 2018 Versorgungslücken beim Breitbandausbau geschlossen. Das ist Grundlage für die Digitalisierung in den Betrieben und eröffnet Innovations- und Wachstumschancen. Ein Gespräch mit Regionsrat Ulf-Birger Franz

In der Region Hannover bewegt sich in Sachen Digitalisierung einiges: Fünf Millionen Euro will die Region bis 2020 in Projekte und Initiativen investieren. Was steht aktuell an?
Im Vordergrund stand für uns das Thema Breitbandausbau. Wir haben im vergangenen Jahr rund 3,5 Millionen Euro aufgewendet, um Versorgungslücken zu schließen, im Wesentlichen im hannoverschen Umland. Dort, wo es für die Telekommunikations-Unternehmen nicht wirtschaftlich war, auf eigene Kosten auszubauen, haben wir Ausschreibungen gemacht. Rund 5.000 Haushalte und mehr als 200 Unternehmen konnten bis Ende 2018 ans schnelle Internet angeschlossen werden. Das war der erste Schritt in der Digitalisierungsstrategie.

Ein weiterer Schwerpunkt ist die Nachwuchsförderung. Worum geht es dabei?
Weitere Projekte sind Qualifizierungsmaßnahmen, viele davon an Schulen. Dabei ragen zwei Projekte heraus: Einmal „IT macht Schule“. Dort arbeiten IT-Unternehmen aus der Region Hannover mit Schulen zusammen, um gemeinsame Projekte durchzuführen. Der Schwerpunkt liegt in der Oberstufe, Klasse 11, unsere Multimedia-Berufsschule koordiniert das Ganze. Mit dem Ziel, Schülern und Schülerinnen einen Einblick zu geben, wie in der Branche gearbeitet wird und junge Leute für die IT-Branche zu interessieren.
Ein größeres Projekt ist das „Roberta-Regio-Zentrum“, das Bestandteil unserer „Roboterfabrik“ ist. Die Region Hannover hat es mit der Universität Leibniz gemeinsam gegründet, auf den Flächen der Universität. Hier sind verschiedene Einrichtungen unter einem Dach: Das geht von Schulprojekten über die studentische Ausbildung bis hin zu Ausgründung und Forschung im Bereich Robotik. Es ist ziemlich einmalig in Deutschland, dass Schülerinnen und Schüler, die Roboter programmieren, Wand an Wand mit der Spitzenforschung arbeiten.

Ist Robotiks in der Region Hannover ein wirtschaftlicher Schwerpunkt, den Sie noch ausbauen wollen?
Es ist unser Ziel, ein solches Cluster zu entwickeln. Zwei Unternehmen, die selbst Roboter-Hersteller sind, wurden bereits mit Kompetenz aus der Leibniz-Universität ausgegründet. Eines davon sitzt in Hannover, ein zweites im Allgäu. Wir haben auch eine Reihe weiterer Unternehmen, die entweder Software herstellen oder Ingenieurdienstleistungen bieten. Wir sind hier erst am Anfang. Wir haben auch einen eigenen Beteiligungsfonds aufgelegt, wo wir gemeinsam mit anderen Partnern Geld bereitstellen, damit mehrere Teams über zwei Jahre Geschäftsideen verfolgen können. Wir wollen perspektivisch Ausgründungen im Bereich Robotik stärker fördern.

Hat der Fonds, den Sie erwähnt ­haben, ein Vorbild?
Wir haben einen allgemeinen Beteiligungsfonds. Es gibt in Deutschland mehrere regionale Fonds, die mit EFRE-Mitteln arbeiten (Anmerkung der Redaktion: EFRE bedeutet Europäischer Fonds für regionale Entwicklung) und Beteiligungskapital für junge Unternehmen bereitstellen. Sie sind in der Regel bei Investitionsbanken auf Landesebene angesiedelt, zum Beispiel in Hessen oder Brandenburg. Unser Fonds arbeitet auf regionaler Ebene. Der Fonds im Volumen von 30 Millionen ­Euro speist sich zur Hälfte mit EFRE-Mitteln und ist an etwa 20 Unternehmungsgründungen beteiligt. Das ist ein schönes Instrument, um in einer sehr frühen Phase Beteiligungskapital bereit zu stellen, wenn die Unternehmen noch große Schwierigkeiten haben, Investoren zu finden.

Gibt es noch andere Bereiche, wo es so enge Verknüpfungen zwischen Wirtschaft und Wissenschaft gibt?
Wir entwickeln gerade ein neues Campus-Konzept. Es wird ein völlig neuer Maschinenbau-Campus in Garbsen vor den Toren Hannovers gebaut, der im September 2019 fertig wird. Etwas zeitverzögert soll es ein Technologie- und Gründerzentrum geben – eine Drehscheibe zwischen der regionalen Wirtschaft und der Universität rund um Themen wie Industrie 4.0 und Produktionstechnik im Maschinenbau.
Es soll Flächen für Start-ups geben, ebenso einen Maker-Space, wo Studierende und wissenschaftliche Mitarbeiter der Leibniz-Universität Ideen ausprobieren können. Es soll auch Raum für etablierte Unternehmen wie Ingenieurbüros geben, die eine Nähe zur Universität anstreben. Dazu auch Veranstaltungsräume, wo Dialogveranstaltungen für mittelständische Unternehmen rund um produktionstechnische oder Robotikthemen geplant sind. Es soll ein sehr lebendiger Ort werden. Der Maschinenbau-Campus entsteht in direkter Nachbarschaft zu VW-Nutzfahrzeuge, der zentralen Forschung der Continental AG und der Europa-Zentrale von Johnson Controls. Wir haben hier ein sehr großes Automobil-Cluster.

Sie bieten auch einen „Digital Readiness Check“ für Firmen an: Worum geht es dabei?
Viele kleinere Unternehmen wissen, dass im Bereich Digitalisierung sehr viel passiert. Aber was das konkret für sie bedeutet, ist dann nicht richtig greifbar. Hier bieten wir eine kostenlose Erstberatung in Kooperation mit dem Netzwerk der hannoverschen IT-Unternehmen an. Auf der Basis eines Online-Fragebogens schaut sich ein Experte an, wie das Unternehmen aufgestellt ist und welche Herausforderungen bestehen. So bekommen die Firmen einen Überblick, was sie tun können. In anderen Bereichen haben wir das erfolgreich etabliert.

Wo gibt es das noch?
Im Bereich Industrie. Das Angebot „Made in Germany“ richtet sich an Unternehmen, die überlegen, ob sie Produktion aus dem Ausland wieder nach Deutschland zurückholen. Wir beraten auch Firmen, die überlegen, erstmalig eine industrielle Fertigung aufzubauen. Sie bekommen auch Experten oder Partner an die Hand. Seitdem haben wir eine ganze Reihe von Erfolgen erzielt. Ähnliches erhoffen wir uns vom „Digital Readiness Check“.

Gibt es innovative Branchen, die Sie vorzugsweise ansiedeln möchten?
Die Region Hannover ist dadurch gekennzeichnet, dass wir extrem breit aufgestellt sind. Wenn einzelne Branchen in der Krise sind oder Schwierigkeiten haben, sind wir nicht so anfällig wie andere. Diese Breite möchten wir erhalten. Es gibt allerdings einen bislang kleinen Bereich, in dem Hannover gerade ganz erstaunlich aufholt: bei der Pharmaindustrie. Weil es hier eine sehr starke medizinische und eine tierärztliche Hochschule gibt, zieht das mittelständische Pharma-Unternehmen an. Sie sind entweder Ausgründungen oder kommen speziell, um mit diesen Hochschulen zu kooperieren. Beispielsweise sitzt der Hersteller des ersten Ebola-Impfstoffes vor den Toren Hannovers. Wir versuchen gemeinsam mit den Wirtschaftsverbänden, hier mehr Wachstumsmöglichkeiten zu eröffnen.

Wie stimmt sich die Wirtschaftsförderung der Region mit den 21 Kommunen vor Ort ab?
Die Städte und Gemeinden haben eigene Wirtschaftsförderer, die für uns Ansprechpartner sind. Eine Besonderheit ist, dass wir mit der Region nicht nur eine Verwaltungseinheit haben, sondern dass wir sehr eng zusammenarbeiten. Wir unterstützen unsere Kommunen mit sehr speziellem Know-how. Uns geht es auch darum, einheitliche Lebensbedingungen herzustellen. Das bedeutet etwa, dass wir uns dafür engagieren, dass auch kleine Orte am Rand der Region einen schnellen Breitband-Anschluss haben. Wir versuchen auch, für die jeweilige Gemeinde die richtige Strategie zu wählen.