Coronakrise

SPD-Abgeordnete fordern Rettungsschirm für Kommunen

Carl-Friedrich Höck14. April 2020
Matthias Miersch auf dem SPD-Parteitag im Dezember 2019
Die Coronakrise reißt große Löcher in die Haushalte der Städte, Gemeinden und Landkreise. Die SPD-Bundestagsabgeordneten Matthias Miersch und Bernhard Daldrup plädieren für einen Rettungsschirm. Kommunen seien systemrelevant und bräuchten Hilfe.

Fehlende Einnahmen und höhere Ausgaben: Die Coronakrise bringt die kommunalen Haushalte aus dem Gleichgewicht. Bereits in der vergangenen Woche schlug der Deutsche Landkreistag (DLT) Alarm: „Wir brauchen eine Kompensation von Mindereinnahmen und Mehrausgaben in Höhe von 11,5 Milliarden Euro bis zum Mai“, sagte DLT-Präsident Reinhard Sager. „Passiert dies allerdings nicht, stehen Landkreise, Städte und Gemeinden in kurzer Zeit mit dem Rücken zur Wand.“ Auch der Deutsche Städtetag geht von einem Defizit der Kommunen in zweistelliger Milliardenhöhe aus. Zum Vergleich: Die Steuereinnahmen der Gemeinden und Gemeindeverbände summierten sich im Jahr 2018 auf insgesamt 111 Milliarden Euro. Städtetags-Präsident Burkhard Jung forderte deshalb vor den Ostertagen einen „kommunalen Rettungsschirm“.

Miersch und Daldrup wollen Schirm aufspannen

Bernhard Daldrup
Bernhard Daldrup, Bundestagsabgeordneter und kommunalpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion

Bei der SPD-Linken stoßen die Kommunalverbände auf Gehör. Der Sprecher der Parlamentarischen Linken in der SPD-Bundestagsfraktion Matthias Miersch und der kommunalpolitische Sprecher der Fraktion Bernhard Daldrup – ebenfalls Mitglied der Parlamentarischen Linken – haben eine gemeinsame Erklärung veröffentlicht. Sie schreiben: Es führe kein Weg daran vorbei, „einen Rettungsschirm für die systemrelevanten Kommunen aufzuspannen.“ Sie müssten mit liquiden Mitteln ausgestattet werden, um Investitionen zu finanzieren und die Daseinsvorsorge zu erhalten.

Als erste und schnelle Maßnahme solle der Bund seine unmittelbar an Kommunen gerichtete Fördermaßnahmen entfristen und den Zugang dazu vereinfachen. „Dazu zählen beispielsweise der Digitalpakt an Schulen und verschiedene Programme für Infrastrukturmaßnahmen wie im Bereich des Sport, der Kultur, Freizeit und des Städtebaus“, so Miersch und Daldrup.

Bund und Länder müssten sich außerdem stärker an den Sozialkosten beteiligen – entweder in Form höherer Anteile oder mit höheren absoluten Beträgen. Dies solle zunächst befristet für 2020 und 2021 gelten, fordern Miersch und Daldrup. Sie appellieren zudem an die Länder, die finanzielle Grundausstattung der Kommunen angesichts massiver Einnahmeverluste deutlich zu verbessern. Auch trete man „mehr denn je für eine schnelle Entlastung der Kommunen bei den Altschulden ein, die jetzt in der Krise umso dringender geworden ist.“

Finanzminister arbeitet weiter an Altschuldenhilfe

Die Hilfe für überschuldete Kommunen ist auf Drängen der SPD im Koalitionsvertrag verankert worden. Voraussetzung ist jedoch, dass der Bund sich mit den Ländern und Kommunalverbänden auf einen Konsenslösung einigen kann.

Auch die Haushaltslage des Bundes hat sich aufgrund der Corona-Krise verändert, nicht zuletzt infolge der milliardenschweren Hilfsprogramme für die Wirtschaft. Dies ist für Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) jedoch kein Grund, die Pläne für eine kommunale Altschuldenhilfe zurückzustellen. Nachdem der Bundestag den Nachtragshaushalt Ende März beschlossen hatte, teilte eine Sprecherin des Finanzministeriums mit: Es gelte „unverändert der Kabinettbeschluss der Bundesregierung vom 10. Juli 2019, wonach der Bund dazu bereit ist, einen Beitrag zu Altschuldenlösung zu leisten, wenn ein nationaler Konsens erreicht werden kann. Hieran arbeiten wir unverändert.“

Scholz behält Kommunalfinanzen im Blick

Die Sprecherin verwies darauf, dass das vom Bundestag verabschiedete Corona-Hilfspaket auch den Städten und Gemeinden nützen werde. Es werde massiv dazu beitragen, den Unternehmensbereich zu stabilisieren und damit letztlich auch die finanzielle Basis der Kommunen zu sichern. „Darüber hinaus profitieren kommunale Unternehmen von der Kurzarbeiterreglung und den Steuerstundungsregelungen.“

Die Frage nach weitergehenden Unterstützungsmaßnahmen für Kommunen ließ das Finanzministerium Anfang April noch offen. „Die Bundesregierung hat die Entwicklung in den Kommunen im Blick. Wir beobachten die Lage sehr genau und werden, wenn notwendig, Anpassungen vornehmen“, kündigte die Sprecherin an.

So wirkt sich die Coronakrise auf die Kommunalfinanzen aus

Die Coronakrise schadet nicht nur der Wirtschaft, sondern auch den kommunalen Haushalten und Institutionen. Zahlreiche Bereiche sind betroffen. Ein Überblick:

Steuereinnahmen: Die Kommunen verzeichnen massive Einbrüche bei den Steuereinnahmen. Geschlossene Restaurants und Geschäfte oder stillstehende Betriebe führen zu weniger Gewerbesteuer. Man erwarte „schon jetzt ein Minus beim Aufkommen der Gewerbesteuer um mehr als zehn Prozent im Vergleich zum Vorjahr”, sagte Städtetags-Präsident Burkhard Jung am 7. April. Aus dem Monatsbericht des Bundesfinanzministeriums für März 2020 geht hervor, dass das Aufkommen aus der Gewerbesteuerumlage – also der Anteil, den die Kommunen an Bund und Länder abführen – gegenüber den Vorjahresmonat um 54,5 Prozent gesunken ist. Die kommunalen Anteile an der Lohn- und Einkommenssteuer oder der Umsatzsteuer sinken ebenfalls. Hinzu kommt, dass manche ihre bestehenden Steuerschulden aufgrund der Krise nicht begleichen können. Deshalb werden Steuerzahlungen gestundet, ausgesetzt oder gekürzt, was die Kommunalhaushalte zusätzlich belastet.

Höhere Sozialkosten: Viele Menschen haben aufgrund der Krise ihren Job verloren. Damit steigen die Ausgaben der Kommunen, zum Beispiel weil sie die Kosten der Unterkunft für Arbeitsuchende in Grundsicherung tragen müssen. Alleine dies kostet die Kommunen mindestens zwei Milliarden Euro zusätzlich, schätzt der Deutsche Städtetag. Die SPD-Bundestagsabgeordneten Matthias Miersch und Bernhard Daldrup verweisen darauf, dass auch für weitere kommunal finanzierte Leistungen des Sozialgesetzbuches mehr Geld aufgewendet werden müsse. Etwa im Bereich der Jugendhilfe. „Auch freiwillige Leistungen wie die zusätzliche Unterstützung von Frauenhäusern und –Beratungsstellen, Wohnungslosen- und Obdachloseninitiativen und vieles andere mehr sind faktisch unverzichtbar“, merken die SPD-Politiker an.

Eintrittsgelder und Gebühren: Museen oder Schwimmbäder müssen geschlossen bleiben und können somit keine Tickets verkaufen. Dasselbe gilt für Kultureinrichtungen wie Theater oder Konzerthäuser. Eine Kurzarbeiter-Regelung soll helfen, die Ausgaben herunterzufahren. Doch unterm Strich wird hier wohl ein Minus bleiben. Verluste müssen viele Kommunen auch bei den Kita-Beiträgen hinnehmen.

Kommunale Unternehmen: Den Stadtwerken brechen ebenfalls Einnahmen weg. Laut einer Umfrage unter Führungskräften erwarten 22,5 Prozent einen Umsatz- und Gewinneinbruch bei ihrem Gemeindestadtwerk. Ein Beispiel: Die Coronakrise lässt den Stromverbrauch deutlich sinken – um 8,7 Prozent, wie der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) Anfang April mitteilte. Zwar nutzen die Privathaushalte verstärkt elektronische Geräte, aber die Industrie benötigt weniger Energie. Kommunale Verkehrsunternehmen befördern kaum noch Passagiere. Somit fehlen die Einnahmen aus dem Ticketverkauf. VKU-Hauptgeschäftsführer Ingbert Liebing merkt gegenüber der DEMO an, dass die verschiedenen Unternehmensbereiche in unterschiedlicher Intensität betroffen seien. „Während etwa kommunale Bäder die finanziellen Folgen sofort spüren, sind die langfristigen Auswirkungen auf das Energiegeschäft der Stadtwerke noch nicht genau absehbar. Klar ist: Ein sinkender Stromabsatz führt auch zu weniger Einnahmen bei Stadtwerken. Damit fehlen Mittel, mit denen andere Bereiche bisher gestützt wurden.” Die Bundesregierung will kommunalen Unternehmen helfen und hat ihnen Zugang zum Wirtschaftsstabilisierungsfonds ermöglicht.

Sparkassen: Zwischen 400 und 450 Millionen Euro im Jahr geben die Sparkassen normalerweise für gemeinwohlorientierte Projekte aus. Beispielsweise unterstützen sie Sportvereine, Museen oder Nachwuchskünstler*innen. Künftig könnten sie für solche Maßnahmen weniger Geld zur Verfügung haben. Denn wenn nun vermehrt Gewerbetreibende pleite gehen, ist zu befürchten, dass sie ihre Kredite bei der örtlichen Sparkasse nicht mehr zurückzahlen können, es also zu Zahlungsausfällen kommt. Immerhin: Laut Sparkassenverband sind die Sparkassen in aller Regel „sehr gut kapitalisiert“. Das heißt: Es ist unwahrscheinlich, dass die Geldinstitute selbst finanziell ins Schlingern geraten. (Mehr dazu hier auf demo-online.de)

Insgesamt schätzt der Deutsche Landkreistag die finanziellen Mehrbelastungen, die den Kommunen durch das SGB II und weitere Folgen der Eilgesetzgebung des Bundes entstehen, auf 2,5 Milliarden Euro. Diese Summe müsse der Bund ausgleichen, indem er den Umsatzsteueranteil der Gemeinden erhöht, fordert der kommunale Spitzenverband. Von den Bundesländern fordert der Landkreistag zusätzliche Schlüsselzuweisungen in Höhe von neun Milliarden Euro, um die „unverschuldet wegbrechenden Steuereinnahmen” auszugleichen. Zusammengerechnet ergibt das einen Bedarf von 11,5 Milliarden Euro, den der Bund und die Länder den Kommunen nach Ansicht des Landkreistages kompensieren sollen. Der Deutsche Städtetag spricht von einem zu befürchtenden Defizit der Kommunen in zweistelliger Milliardenhöhe für das Jahr 2020.

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