EU-Kommission mahnt Umsetzung ihrer Richtlinie an

Versorger müssen Trinkwasser nun flächendeckend kontrollieren

Uwe Roth18. August 2023
Die neue Verordnung fürs Trinkwasser wird den Versorgern eine Menge Arbeit bringen. Die EU-Vorgaben sind streng. Noch sind diese nicht vollständig ins deutsche Recht übernommen – sehr zum Ärger der EU-Kommission. Sie überlegt zu klagen.

Die Europäische Union setzt seit 1998 in den Mitgliedstaaten die Standards in der Qualität des Trinkwassers. Das macht sie nicht allein zum Schutz der Gesundheit. In Staaten mit laschen (nationalen) Grenzwerten bei den Schadstoffen wären die Kosten für den Gewässer- sowie Trinkwasserschutz niedriger als in Ländern mit schärferen Grenzwerten und dadurch höheren Kosten. Nach den Regeln des Binnenmarkts wäre das eine Verzerrung des Wettbewerbs. Zudem machen Fließgewässer nicht an den Binnengrenzen halt und bringen ihre Schadstoff-Fracht überallhin mit.

Folglich sollen die Anforderungen im EU-Gebiet überall die gleichen sein. Das geschieht über die Trinkwasser-Richtlinie. Die EU-Kommission, das Europäische Parlament und die Mitgliedstaaten haben diese in den vergangenen 25 Jahren mehrmals überarbeitet. Betroffen von jeder Reform ist die kommunale Ebene. Denn die Ver- und Entsorger, der Gewässerschutz und die Gesundheitsämter sind für die letzte Meile der Versorgung der Bevölkerung mit Trinkwasser verantwortlich. Außerdem müssen Umweltbehörden und Landwirtschaftsämter vor Ort kontrollieren, ob sich die Landwirtschaft und die Industrie an die Vorgaben halten. Immer wieder Probleme gibt es zum Beispiel mit dem Nitrat im Grundwasser.

EU-Kommission droht mit Vertragsverletzungsverfahren

Die jüngste Überarbeitung Richtlinie (EU) 2020/2184 trägt das Datum 16. Dezember 2020. Die Mitgliedstaaten müssen eine Richtlinie in nationales Recht umsetzen. Dazu hatten sie bis Jahresanfang Zeit. Doch 20 der 27 EU-Staaten ließen die zwei Jahre verstreichen, ohne Vollzug zu melden. Darunter war Deutschland. Die EU-Kommission schickte im März diesen Jahres einen Mahnbrief los und ließ den Regierungen zwei Monate für die Beantwortung Zeit. In Deutschland werden die EU-Vorgaben in die Trinkwasser-Verordnung übernommen. Erstmals sind zwei Ministerien für die Umsetzung verantwortlich: zum einen das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) sowie zum anderen das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV).

Das Mahnschreiben der Brüsseler Behörde ist der erste Schritt eines Vertragsverletzungsverfahrens. Ob die Bundesregierung innerhalb der zwei Monate geantwortet und für die ausbleibende Umsetzung der Trinkwasser-Richtlinie eine Erklärung abgegeben hat, ist aus den Ministerien nicht zu erfahren. Ein BMUV-Sprecher teilte mit, die Kommunikation des Ministeriums mit der EU-Kommission unterliege der Vertraulichkeit. „Wir bitten daher um Verständnis, dass wir Ihnen derzeit keine näheren Informationen dazu mitteilen können.“ Das Bundesministerium für Gesundheit scheint wiederum seinen Teil der Arbeit an der Umsetzung erledigt zu haben: Es veröffentlichte am 23. Juni im Bundesgesetzblatt „die zweite Verordnung zur Novellierung der Trinkwasser-Verordnung“. Wie aus Verbandskreisen zu hören ist, hat das BMUV Mitte August einen Referenten-Entwurf veröffentlicht, der nach der Sommerpause diskutiert wird.

Recht für alle auf Zugang zu Trinkwasser

Die Neuerungen, die aus der EU-Richtlinie hervorgehen, betreffen unterschiedlicher Bereiche des Trinkwasserschutzes. Darin fließen nicht nur neue Erkenntnisse aus dem Umgang mit Chemikalien ein. Bekannt geworden ist der Streit um ein mögliches Verbot der per- und polyfluorierten Chemikalien (PFAS). Erstmals, und das ist ein neuer Aspekt beim Trinkwasserschutz, werden die EU-Staaten verpflichtet, „den Zugang zu Trinkwasser für alle sicherzustellen“. Das bedeutet zum Beispiel, dass Obdachlose sich mit Trinkwasser versorgen können – insbesondere während der Hitzeperioden. Wasser soll künftig von der Entnahmequelle bis zum Wasserhahn überwacht werden.

Neu sind umfangreiche Pflichten der Wasserversorger zur Information der Verbraucher. Sie umfassten nicht nur Informationen zur Trinkwasserqualität und Versorgungssicherheit, sondern auch zu wirtschaftlichen Aspekten, stellte der Verband Kommunaler Unternehmen (VKU) in einer Stellungnahme kritisch fest. VKU-Vizepräsident Karsten Sprecht sieht laut einem Medienbericht „mit der Trinkwasser-Einzugsgebiete-Verordnung erhebliche Mehraufwendungen in einem hohen dreistelligen Millionenbereich auf uns und die Verbraucher zukommen“.

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