DBB-Bürgerbefragung

Das Vertrauen in den Staat sinkt weiter

Carl-Friedrich Höck15. August 2023
Forsa-Geschäftsführer Manfred Güllner (links) und DBB-Bundesvorsitzender Ulrich Silberbach präsentieren die diesjährige Bürgerbefragung zum öffentlichen Dienst.
Immer weniger Bürgerinnen und Bürger trauen dem Staat zu, seine Aufgaben zu erfüllen. Die Beamtengewerkschaft DBB spricht von einem Tiefpunkt. Die Gesellschaft verrohe, viele Beschäftigte im öffentlichen Dienst seien Übergriffen ausgesetzt.

Aus Sicht vieler Menschen ist der deutsche Staat überfordert. Nur noch 27 Prozent der Bürgerinnen und Bürger gehen davon aus, dass er in der Lage ist, seine Aufgaben zu erfüllen. Das ist eine zentrale Erkenntnis aus der diesjährigen Bürgerbefragung der Gewerkschaft DBB Beamtenbund und Tarifunion zum öffentlichen Dienst.

Brüche in der Gesellschaft

„Das ist ein neuer Tiefstand“, sagt Manfred Güllner, Chef von Forsa. Das Meinungsforschungsinstitut hat bereits zum 17. Mal im Auftrag des DBB eine Bürgerbefragung durchgeführt. So niedrig waren die Werte noch nie. Güllner beobachtet „Hinweise auf Brüche in der Gesellschaft“. Zum Beispiel sei das Vertrauen in die staatlichen Institutionen in Ostdeutschland geringer als im Westen – und zwar auch dann, wenn man die Anhänger*innen der AfD herausrechne.

In der Zeit der Corona-Pandemie war das Vertrauen in den Staat noch sprunghaft gestiegen. 2020 und 2021 hätten mehr Menschen das Gefühl gehabt, der Staat kümmere sich um das, was sie bewegt und besorgt, heißt es im Bericht zur DBB-Bürgerbefragung.

Soziale Gerechtigkeit ist den meisten Befragten wichtig

Die wichtigsten Aufgaben des Staates sind aus Sicht der Befragten die Aufrechterhaltung der sozialen Gerechtigkeit, die Verbesserung der Infra- und Verkehrsstruktur sowie der Klimaschutz. Zu letzterem zählt auch der Ausbau der Erneuerbaren Energien.

Auch hier sind deutliche Unterschiede zwischen Ost und West zu erkennen. Im Westen stehen der Klimaschutz, die Integration von Migrant*innen und Geflüchteten sowie die Unterstützung der Ukraine ganz oben auf der Agenda der Bürger*innen. In den neuen Bundesländern erwarten die Menschen vor allem, dass der Staat sie bei den Inflationsfolgen entlastet, sozialen Ausgleich schafft und die Lebensbedingungen in Stadt und Land angleicht.

Hohe Zahl an Übergriffen

Vier von fünf Befragten sind der Meinung, dass die Gesellschaft generell verrohe. Das veränderte gesellschaftliche Klima bekommen die Beschäftigten im öffentlichen Dienst zu spüren. 54 Prozent von ihnen sind schon selbst beschimpft, bedroht oder tätlich angegriffen worden.

Solche Übergriffe seien für den DBB ein Dauerthema, sagt der Bundesvorsitzende Ulrich Silberbach. Selbst in Kindertagesstätten gebe es Gewalt gegen Beschäftigte. „Das bringt uns in schweres Fahrwasser, wenn wir in der Nachwuchsgewinnung unterwegs sind.“ Für betroffene Kolleg*innen gebe es zu wenig Anlaufstellen, bemängelt der Gewerkschafter. Der Handlungsbedarf beginne in den Köpfen der Vorgesetzten. Es sei wenig hilfreich, wenn Anfeindungen heruntergespielt würden. „Wir erwarten von den Vorgesetzten, dass sie da genauer hinschauen.“

DBB wünscht sich mehr Rückendeckung von der Politik

Silberbach kommentiert: „Die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes zahlen die Zeche für den generellen Ansehensverlust des Staates, nicht nur bei Polizei und Rettungsdiensten, sondern auch in Schulen, Jobcentern und Bürgerämtern“. Die Politiker*innen in Bund, Ländern und Gemeinden seien in der Pflicht, sich wirksam vor die Beschäftigten zu stellen.

Ein großes Problem ist aus Sicht des DBB der Personalmangel. Im vergangenen Jahr habe es 360.000 offene Stellen gegeben, sagt Silberbach. In diesem Jahr seien es weit mehr, konkrete Zahlen dazu würden im September veröffentlicht. Der Staat müsse effizienter werden. „Statt die Mittel für die Digitalisierung zu kürzen und ständig immer neue, kompliziertere Gesetze zu verabschieden, sollte die Bundesregierung das Gegenteil tun: Mehr Digitalisierung, mehr Bürokratieabbau und mehr Serviceleistungen im öffentlichen Dienst.“

Mehr Informationen:
DBB-Bürgerbefragung Öffentlicher Dienst 2023 als PDF

Öffentlicher Dienst: Das sind die angesehensten Behörden

In der „DBB-Bürgerbefragung Öffentlicher Dienst 2023” erhielten die Behörden diese Schulnoten:

  1. Straßenreinigung/Müllabfuhr: 2,0
  2. Bibliotheken: 2,0
  3. Museen: 2,1
  4. Kindergärten: 2,5
  5. Hallenbäder, Freibäder: 2,5
  6. Fachhochschulen, Universitäten: 2,5
  7. Polizei, Kriminalpolizei: 2,5
  8. Krankenhäuser: 2,8
  9. Sozialversicherung: 2,9
  10. Gerichte: 3,0
  11. Stadt- bzw. Gemeindeverwaltung: 3,1
  12. Finanzämter: 3,2
  13. Schulen: 3,2
  14. Sozialämter: 3,4
  15. Arbeitsämter: 3,5
  16. Landesministerien: 3,6
  17. Bundesministerien: 3,8

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