Soziale Boden- und Wohnungspolitik

Wohnungsknappheit: Olaf Scholz will mehr Tempo im Neubau erreichen

Karin Billanitsch04. Februar 2021
Um Wohnungsbau und soziale Bodenpolitik drehte sich das Interview mit Bundesfinanzminister Olaf Scholz im Livestream der Friedrich-Ebert-Stiftung.
Dass die Entwicklung der Bodenpreise ein Schlüssel zu bezahlbarem Wohnen ist, wurde der große Sozialdemokrat Hans-Jochen Vogel nie müde, zu betonen. Die Friedrich-Ebert-Stiftung erinnerte an sein Wirken. Als Gast war Bundesfinanzminister Scholz eingeladen, der alle Akteure zu mehr Anstrengungen für bezahlbares Wohnen aufrief.

Am 3. Februar wäre Hans-Jochen Vogel 95 Jahre alt geworden. Martin Schulz, Vorsitzender der Friedrich-Ebert-Stiftung erinnerte am Mittwoch an Vogels politisches Wirken und nicht zuletzt an sein Engagement für eine gerechte Bodenordnung: „Mit großer Leidenschaft brachte er sozialdemokratische Werte auch in sein Engagement für bezahlbares Wohnen und eine soziale Bodenordnung ein. Bundesfinanzminister Olaf Scholz zog darüber hinaus während der Online-Veranstaltung auch einen Bogen zur aktuellen sozialdemokratischen Boden- und Wohnungspolitik.

Versäumnisse der Vergangenheit

Scholz sprach über die Versäumnisse in der Vergangenheit: „Es ist eine Zeitlang vergessen worden, welche Bedeutung die Herstellung bezahlbarer Wohnungen hat, weshalb man sich um die Flächenpolitik kümmern muss, die die Preise ja beeinflusst.“ Er erinnerte an die Zeit, als Wohnungsbaugesellschaften in großem Stil verkauft worden sind und Verkaufserlöse gefeiert worden sind. „Das ist jetzt alles ganz anders geworden, betonte Scholz gestern in einem per Livestream übertragenen Interview.

Zu Scholz` Zeit in Hamburg hat es eine große städtische Wohnungsbaugesellschaft mit 130.000 Wohnungen gegeben, sowie etwa ebenso viele genossenschaftliche Wohnungen. Das war eine gute Grundlage, doch im Jahr 2011 – als Olaf Scholz Erster Bürgermeister der Hansestadt wurde – hätten diese Gesellschaften nichts neu gebaut.

Vorbild „Hamburger Weg“

„Das habe ich geändert“, betonte Scholz. Die Gesellschaften haben seitdem zusätzliche Wohnungen gebaut, und den Bestand der kommunalen Hand an Wohnungen vergrößert, sagte Scholz. Der Hamburger Weg sei von vielen seitdem kopiert worden, bekräftigt Moderatorin Ricarda Pätzold von Deutschen Institut für Urbanistik.

In der kommunalen Praxis gibt es verschiedene Strategien, die eine soziale Stadtentwicklung fördern sollen. Ein Instrument können verbindliche Auflagen für alle Wohnungsbauakteure sein. „Ich glaube, es braucht auf alle Fälle eine Quote, wenn wir neues Bauland ausweisen“, bekräftigte der Finanzminister.

Reformen geplant

Ein gewisser Teil der Wohnungen müssten geförderte, bezahlbare Wohnungen sein. Scholz sprach sich in diesem Zusammenhang für eine Vereinbarung mit allen großen Wohnungsbaugesellschaften aus, damit diese mehr und bezahlbaren Wohnungsbau betreiben.

Der Bundesfinanzminister verwies auf Möglichkeiten des Bundes, etwa aktuelle Reformen, die sich im Gesetzgebungsprozess befinden. Vorgesehen seien leichter durchzusetzende Baugebote und die Schaffung von Vorkaufsrechten für die Gemeinden. Auch der Bund baue selbst wieder nach langem Stillstand, was ebenfalls kleine Entlastungen bieten könnte, hieß es.

An Handlungsmöglichkeiten für Gemeinden, Landkreise und kreisfreien Städte sei viel durchgesetzt worden. „Wir sind jetzt in der Umsetzungsphase der Reform.“  Die Möglichkeiten müssten dann aber auch genutzt werden, „sonst ist das alles nur Papier“, bemerkte der Minister. „Wir brauchen ganz viele, die investieren, damit der Preisdruck sinkt.“

Der Bund stellt, nachdem er auf Initiative der SPD wieder für Wohnungsbauförderung zuständig wurde, jedes Jahr eine Milliarde Euro zur Verfügung, die den Bau von 100.000 Wohnungen ermöglichen würden – aber so viele entstehen nicht. „Das treibt mich um“, gibt Scholz zu. Er möchte, dass alle dieses Geld auch nutzen. „Denn wenn das Geld ins Fenster gestellt ist, aber nicht abfließt, hat doch auch keiner etwas gewonnen.“

Bodenspekulation eindämmen – Blick in die Zukunft

Als das Gespräch auf das Thema Bodenpolitik kommt, wird daran erinnert, dass Hans-Jochen Vogel für eine deutliche Ausweitung des Vorkaufrechts der Kommunen mit Preislimitierung geworben hat. Nicht der Verkehrswert, sondern der Ertragswert solle maßgeblich sein. Seine Empfehlung war, dass „alles getan wird, dass das Grundeigentum der Kommunen wächst. Sie sind dem Allgemeinwohl verpflichtet ... .“

Boden nicht als Ware, sondern als Gemeingut zu sehen – was kann noch getan werden, um diesem Ziel näher zu kommen? „Einem Vorkaufsrecht stimme ich vollständig zu und es wird jetzt auch kommen“ bekräftigte der Minister – die Preislimitierung allerdings sei mit der Koalition, die gegenwärtig Deutschland regiert, nicht zu machen gewesen. Scholz: „Und es ist wichtig, dass in Zukunft vollständig Abschied genommen wird vom Verkauf kommunaler und öffentlicherWohnungsbaugesellschaften.“ Im Gegenteil: „Die, die wir haben, oder neu gründen – ich sehe mit Freude, dass das vielerorts geschieht – die müssen stetig wachsen.“

Eine Rezension des Buches „Mehr Gerechtigkeit“ von Hans-Jochen Vogel findet sich hier.