Kommunalwahl Niedersachsen

Auf der Zielgeraden

Karin Billanitsch03. September 2021
Auf der Zielgeraden des Wahlkampfs nimmt Iris Bothe wahr, wie groß die Sehnsucht der Bürgerinnen und Bürger ist, in den direkten Dialog mit der Politik zu treten.
Iris Bothe kämpft um den OB-Posten im Wolfsburger Rathaus.

Iris Bothe könnte kommunalpolitische Geschichte schreiben, wenn sie im Wahlkampf um das Wolfsburger Rathaus erfolgreich ist: In Niedersachsen gibt es bislang keine Oberbürgermeisterin, wie sie bei ihrer Kandidatur festgestellt hat: „Das wundert mich inzwischen nicht mehr“, sagt Bothe. Sie habe in ihrer beruflichen Laufbahn nie erlebt, dass es als Frau schwierig war – aber in der Kandidatur sei das deutlich anders.

„Es gibt schon ganz schöne Männernetzwerke, die ein großes Interesse daran haben, dass sie in ihrem Club unter sich bleiben.“ Sich durchzusetzen, ist sie indes seit langem gewohnt: Während eines Anerkennungsjahres bei Volkswagen in Wolfsburg nach dem Studium war sie häufig die einzige Frau in Männerrunden.

Bothe: „Wichtig ist, sich Netzwerke zu schaffen“

Für die 53-jährige studierte Sozialpädagogin war diese Zeit kein Hindernis, sondern ein „großes Lernfeld“, wie sie sagt. Damals hätten bei diesem Beruf die Chefs eher „das Bild von Latzhosen und Birkenstöckern im Kopf gehabt“ – gegen diese Vorurteile hatte Bothe damals zu kämpfen, bis sie sich „ein gewisses Renommee“ verschafft hat. Vor allem seit sie in Führungspositionen ist – sie leitet in Wolfsburg das Dezernat für Jugend, Bildung und Integration mit mehr als 1.000 Mitarbeitenden und war auch Sozial- und Finanzdezernentin – muss sie sich in einer von Männern dominierten Berufswelt durchsetzen.

„Ich habe gelernt, dass es wichtig ist, authentisch zu sein, sich auch zu behaupten und Vorurteile einfach nicht zu beachten und seinen eigenen Stil zu finden. Wichtig ist, sich Netzwerke zu schaffen, nicht nur Frauennetzwerke, sondern überhaupt Netzwerke, mit denen man zusammenarbeiten kann, um Themen voranzubringen“, ist ihre Erfahrung.

Am 12. September finden in Niedersachsen die Direktwahlen von Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern statt, zugleich werden bei den Kommunalwahlen Stadträte, Gemeinderäte und Samtgemeinderäte gewählt sowie die Versammlung der Region Hannover. Spannend dürfte für Beobachter die Frage sein, ob die SPD es schafft, stärkste kommunale Kraft in Niedersachsen zu werden. Im Jahr 2016 lag noch die CDU in den Landkreisen und kreisfreien Städten mit 34,4 Prozent recht knapp vor der SPD (31,2 Prozent). „Die SPD hat die Chance Nummer eins zu werden, weil wir sehr gute Kandidaten haben, die es können und nah bei den Menschen sind“, sagte SPD-Chef Stephan Weil kürzlich.

Bisheriger OB Klaus Mohrs triit nicht mehr an

Um den Posten an der Rathausspitze in Wolfsburg ringen mehr als ein halbes Dutzend Kandidierende: Zwei Frauen und sechs Männer haben ihr Interesse bekundet und Vorschläge zur Wahl eingereicht. Als eine von ihnen hat Iris Bothe ihren Hut für die SPD in den Ring geworfen, selbst ist die Dezernentin parteilos. Doch mit den Zielen der SPD identifiziert sie sich in vielen Bereichen: „Ich habe in den vergangenen 30 Jahren meiner beruflichen Karriere die Dinge, die mir wichtig waren, etwa gleiche Bildungschancen für alle, gute Betreuungsangebote für Kinder und Jugendliche oder soziale Stadtgestaltung, mit der SPD zusammen erreicht.“ Im Wolfsburger Rat ist die SPD-Fraktion mit knapp 30 Prozent die stärkste Kraft.

Der bisherige SPD-OB Klaus Mohrs tritt nicht wieder an. Auf die Nachfolgerin oder den Nachfolger warten viele Herausforderungen: Da sind die Folgen der Corona-Krise für die örtliche Wirtschaft, die aufgearbeitet werden müssen, die Modernisierung der Kitas und Schulen, die ansteht, und der Bau einer großen Feuerwehrwache, der gestemmt werden muss. Dabei weist der städtische Haushalt ein Defizit von 90 Millionen Euro auf. „Wir müssen in jedem Fall verhindern, dass wir in die Haushaltssicherung gehen“, gibt Iris Bothe schon jetzt als Ziel vor.

Wahlkampf, je nachdem, wie es die Inzidenzen erlauben

In ihrem Wahlkampfformat „Stadtgeflüster!!“ kommt Bothe mit Persönlichkeiten aus Wolfsburg ins Gespräch, die etwas verändern oder bewegen möchten. Das können ein Jugendfeuerwehrwart, eine Logopädin oder jemand aus dem Behindertenbeirat der Stadt sein.

Nah bei den Menschen zu sein, ist ihr wichtig. Auf der Zielgeraden des Wahlkampfs nimmt sie wahr, wie groß die Sehnsucht der Bürgerinnen und Bürger ist, in den direkten Dialog mit der Politik zu treten. Insofern ist sie mit ihren Unterstützerinnen und Unterstützern auch ganz klassisch auf den Marktplätzen präsent und setzt auf Hausbesuche – je nachdem, wie es die Inzidenzen erlauben.