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Batmans kleine Schwester

Carl-Friedrich Höck22. Dezember 2023
Turmfledermaus Gehrda ist nachtaktiv. ­Trotzdem hat sie sich für das Kleinstadt-­Leben entschieden.
Eichhörnchen, Fledermäuse, Wattwürmer: Viele Kommunen haben eigene Maskottchen. Eine Glosse.

Eichhörnchen sind klein, possierlich und tollkühne Kletterkünstler. Man erkennt sie am rotbrauen Fell sowie dem buschigen Schwanz. Das Aichhörnchen dagegen ist groß, behäbig, trägt Biberzähne und ein Hirschgeweih. Wer nicht aus dem Landkreis ­Esslingen stammt, benötigt jetzt ­etwas Aufklärung. Denn beim Aichhörnchen handelt es sich um eine gänzlich neue, 2023 erstmals gesichtete Tiergattung. Es ist nämlich das neue Maskottchen der Stadt Aichtal. Der Zeichner Alexander Linke hat das Fabeltier entworfen. Über den Namen durften die Bürgerinnen und Bürger in einer Online-Abstimmung entscheiden. Dabei setzte sich das Aichhörnchen deutlich gegen 51 andere Vorschläge wie Tälesfetz oder Wolpertinger durch.

Aichtal reiht sich damit in einen Trend ein. Immer mehr Kommunen setzen auf knuffige Maskottchen als Teil ihres Stadtmarketings. Die Kleinstadt Gehrden in Niedersachsen hat sich schon im Jahr 1999 für eine Turmfledermaus namens Gehrda entschieden. Auf der Internetseite der Stadt erklärt eine Marketingagentur: Man wollte Gehrden als „lebendige Kleinstadt“ darstellen und mit der Fledermaus „diese Werbeaussage erlebbar machen“. Bei dem Tierchen handele es sich um „Batmans kleine Schwester“. Gehrda sei Sympathieträgerin und „Querdenkerin“. (Der PR-Text ist offenbar nicht gut gealtert.) Offen bleibt die Frage, warum die Kleinstadt sich ausgerechnet von einem nachtaktiven Tier gut repräsentiert sieht. Das Nachtleben Gehrdens lässt jedenfalls zu wünschen übrig. Wer im Internet nach Clubs sucht, stößt lediglich auf einen örtlichen Golfverein.

Willi Wattwurm und Plüschböhnchen

Die Vielzahl kommunaler Maskottchen ist mittlerweile kaum noch zu überblicken. Beelitz wartet mit Spargelino und Spargelina auf. Juist wirbt mit Willi Wattwurm. Ueckermünde hält mit dem Ueckerich dagegen, einem Seemann mit Fischkörper. ­Gebürtige Erfurter werden Puff­bohne genannt, weil die Bohnensorte seit Jahrhunderten in der Umgebung angebaut wird. Natürlich ist auch da­raus ein Maskottchen entstanden. Wer in Erfurt zur Welt kommt, erhält zur Geburt ein Plüsch-Böhnchen. Im allgemeinen Sprachgebrauch wird die Puff- auch als Saubohne bezeichnet. Doch dieser Begriff dürfte sich für zeitgemäßes Stadtmarketing weniger eignen. Wobei das Wort Puffbohne ebenfalls ungünstige Assoziationen wecken kann, zumindest bei Freunden pubertären Brachialhumors. Solche gibt es offenbar auch in den ­Marketingabteilungen. Die Stadt Mittweida hat ihrem Maskottchen, dem Löwen Mitti, ein Gedicht in den Mund gelegt. Darin heißt es unter anderem: „Könnt´ mich mit Schwänzen, sogar zwei, am alten Rathaus finden. Wer lacht denn da? Versteh ich nicht! Die Schwänze sind doch hinten!“

Das Wort Maskottchen ist laut Duden vom provenzalischen mascoto abgeleitet, was so viel wie Zauberei bedeutet. Ein Maskottchen soll Glück bringen. Ob das wohl funktioniert? Über Aichtals Rathauschef lässt sich immerhin sagen, dass er nicht so glücklos agiert wie sein prominenter Namensvetter. Dieser musste als Bundeskanzler zurücktreten, nachdem die österreichische Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft Ermittlungen gegen ihn aufgenommen hat. Aichtals Bürgermeister heißt ­Sebastian Kurz.