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Ein Polizist im Mainzer Rathaus: Giovanni Rappas erstes Jahr im Rat

10. November 2025 11:36:50

In seinem Beruf als Polizist hat Giovanni Rappa viel gesehen. Diese Erfahrungen bringt er nun in den Mainzer Stadtrat ein. Für die DEMO-Serie „Mein erstes Jahr im Rat” erzählt er, warum Kommunalpolitik sich lohnt.

Giovanni Rappa vor dem Gonsenheimer Rathaus in Mainz

Giovanni Rappa vor dem Gonsenheimer Rathaus in Mainz: Seit 2024 gehört er dem Ortsbeirat und dem Stadtrat an

Ich bin Giovanni Rappa, 33 Jahre alt, gebürtiger Mainzer und habe familiäre Wurzeln in Sizilien. Seit zehn Jahren arbeite ich als Polizist. Vor drei Jahren bin ich in die SPD eingetreten. Ich habe mich schon immer für Politik inte­ressiert. Aber ich war lange sehr aktiv im Fußball, als Jugendleiter, Schiedsrichter und Trainer. Nebenher noch Politik zu machen, hätte ich nicht geschafft. Irgendwann habe ich für mich beschlossen, den Fußball etwas zurückzufahren. Zu der Zeit wurde der Mainzer Oberbürgermeister Michael Ebling gerade zum Innenminister von Rheinland-Pfalz ernannt. Das fand ich gut, auch als Polizist. Für mich war es ein guter Zeitpunkt, in die SPD einzutreten.

Ich wollte in die Politik gehen, um den Menschen zu helfen. Als Polizist kann ich das nicht immer so, wie ich es gerne würde. Man wird zum Einsatz gerufen, bearbeitet ihn und muss weiterziehen zum nächsten Einsatz. Wir sind eben keine Sozialarbeiter.

Kandidatur war nicht geplant

Als SPD-Neumitglied konnte ich gleich unsere Kandidatin im Oberbürgermeister-Wahlkampf unterstützen. Das hat mir viel Spaß gemacht. Dass ich schon ein Jahr später selbst für den Stadtrat kandidiert habe, war nicht geplant. Ich bin da so reingerutscht. Erst hatte ich nur vorgehabt, für den Ortsbeirat zu kandidieren. Dann wurde ein Ortvorsteher-Kandidat gesucht. Ich war noch neu in der Partei, aber die erfahrenen Leute wollten das nicht machen, also habe ich nach langem Überlegen zugesagt. Schließlich wurde ich auch gefragt, ob ich für den Stadtrat kandidieren möchte. Die SPD hat mich auf Listenplatz 16 gesetzt, das hat mich schon sehr gefreut. Trotzdem war ich der Meinung, es wird nicht reichen. Als ich es am Wahlabend tatsächlich in den Stadtrat geschafft ­hatte, war das für mich eine große ­Überraschung.

Giovanni
Rappa

Nach der Wahl habe ich mir unsere neu gewählte Fraktion angeschaut und gedacht: „Wow, das wird gut!”

Die Ratsarbeit war für mich Neuland. Natürlich habe ich mich vorbereitet, mir Sitzungen angeschaut, mich über die Ausschüsse informiert und mit Ratsmitgliedern unterhalten. Nach der Wahl habe ich mir unsere neu gewählte Fraktion angeschaut und gedacht: „Wow, das wird gut!” In der Fraktion haben wir eine tolle Mischung aus neuen Mitgliedern und erfahrenen Leuten – wie Daniel Baldy, der als Bundestagsabgeordneter dem Innenausschuss angehört, oder bis vor kurzem auch Michael Ebling, unser Innenminister. Das zeigt, welchen Stellenwert das Thema Sicherheit in unserer Fraktion hat. Als Polizist freut mich das. Ich habe aber nicht nur dieses eine Thema im Kopf. Die sozialen Aspekte sind mir genauso wichtig.

Einblicke eines Polizisten helfen

Ich war acht Jahre lang Streifenpolizist, da sieht man viel. Es gehört zum Job, dass man in Wohnungen reingeht und mitbekommt, wie Menschen leben. Man erfährt, welche Probleme sie haben. Zum Beispiel habe ich viele ältere und jüngere Mainzer getroffen, die sehr einsam sind. Für diese Leute brauchen wir Angebote. Als Polizist hat man auch mit Drogensüchtigen zu tun, die Straftaten begehen. Es reicht nicht, sie zu bestrafen. Man muss sie auch unterstützen, damit sie von den Drogen und der Straße wegkommen. Als Polizist hat man dafür keine Zeit. Als Kommunalpolitiker ist es einfacher, etwas umzusetzen. Ich kann zum Beispiel Anfragen oder ­Anträge stellen.

Manchmal treffe ich dabei auf Widerstände, mit denen ich gar nicht gerechnet habe. Zum Beispiel habe ich mir eine bessere Beleuchtung für die Mainzer Kaiserstraße gewünscht, damit sich die Leute dort sicherer und wohler fühlen. In den Beratungen dazu wurde eingewandt, dass das helle Licht schlecht für Fledermäuse und Insekten sein könnte. Viele kommunale Themen sind komplexer, als man anfangs denkt.

Der Aufwand lohnt sich

Wie viel Zeit ein Ratsmandat in Anspruch nimmt, kommt auf den Kommunalpolitiker an. Ich bin sehr aktiv und fast täglich unterwegs, weil Ausschusssitzungen anstehen oder ich Gespräche mit Bürgern führen will. Mit meinem Job verträgt sich das zum Glück gut, obwohl ich im Schichtdienst arbeite. Viele Termine kann ich auf die Zeit vor oder nach dem Dienst legen, und für offizielle Ausschuss- oder Stadtratssitzungen bin ich vom Arbeitgeber freigestellt. Trotzdem gibt es Tage, wo ich für den Beruf und die Kommunalpolitik von 8 bis 22 Uhr unterwegs bin.

Aber es lohnt sich. Gefreut habe ich mich zum Beispiel über einen Antrag unserer grün-schwarz-roten Koalition zu Kindern, die von sexualisierter Gewalt betroffen sind. Bisher sind viele verschiedene Stellen für sie zuständig, diese ganzen Termine sind belastend. Die Stadt soll nun eine zentrale Anlaufstelle schaffen, wo die Kinder von Polizei und Staatsanwalt vernommen werden, aber auch mit Sozialarbeitern, Psychologen und anderen sprechen können.

Nach einem Jahr Kommunalpolitik kann ich sagen: Ich stehe jetzt stärker in der Öffentlichkeit als vorher. Wenn ich durch Mainz-Gonsenheim laufe, kennen mich viele Leute und sprechen mich an. Damit geht ein Stück Privatsphäre verloren. Früher habe ich meinen vollständigen Namen nicht gerne genannt, wenn ich es mit Fremden zu tun hatte. Heute habe ich kein Problem mehr damit, zu sagen: „Hallo, ich bin Giovanni Rappa“.

 

Protokolliert von Carl-Friedrich Höck. Dieser Text ist ursprünglich in der DEMO-Ausgabe 3/2025 als Teil der Serie „Mein erstes Jahr im Rat” erschienen.

Autor*in
Porträtfoto Mann mit Brille und dunkelblonden Haaren
Carl-Friedrich Höck

ist Leitender Redakteur der DEMO. Er hat „Public History” studiert.

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