Urteil des Bundesgerichtshofes

BGH: Mietklausel zugunsten Dritter gilt

Christian Rath14. November 2018
Der Bundesgerichtshof hat ein für Mieter günstiges Urteil gefällt.
Mieter können beim Verkauf kommunaler Wohnungen wirksam geschützt werden. Enthält der Kaufvertrag über eine Wohnung Garantien für den Mieter, kann sich dieser darauf berufen.
Mieter können beim Verkauf kommunaler Wohnungen wirksamgeschützt werden. Dies hat jetzt der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden. Auch wenn die Mieter nicht Vertragspartei sind, können siesich auf die Vereinbarungen im Kaufvertrag berufen. Das Urteil nützt hunderttausenden von Mietern in Deutschland.

Fall aus Bochum

Konkret ging es um einen Fall in Bochum. Die Stadt hatte einst vom Bergwerksverein Eschweiler zahlreiche kleine Siedlungshäuser übernommen und diese nach einigen Jahren an private Erwerber weiterverkauft. Eines der Häuser kaufte 2012 ein Geschwisterpaar. Im Erdgeschoss wohnte seit
1981 ein Bergmann mit seiner Frau. Der heute 77-jährige Mann ist schwerbehindert, seine Frau ist auch schon 75 Jahre alt.
 
Wie gesetzlich vorgesehen, galt der bestehende Mietvertrag fort. Im Kaufvertrag zwischen der Stadt Bochum und dem Geschwisterpaar hieß es
aber zusätzlich: "Die Mieter haben ein lebenslanges Wohnrecht". Kündigungsrechte des Vermieters wegen Eigenbedarf und ähnlicher Gründe wurden im Kaufvertrag ausdrücklich ausgeschlossen. Sollten die Käufer hiergegen verstoßen, könne die Stadt das Häuschen zurückkaufen.

Lebenslanges Wohnrecht festgelegt

Der Bergmann wohnte also mit seiner Frau weiter im Erdgeschoss des Siedlungshauses. Im ersten Stock zog ein Geschwisterteil ein. Doch man
kam nicht gut miteinander aus. Der Streit eskalierte. Und 2015 kündigten die Geschwister dem Bergmann und seiner Frau. Sie beriefen sich auf ein
Sonderkündigungsrecht. Wenn der Vermieter mit dem Mieter in einem Zweifamilienhaus zusammen wohnt, kann der Vermieter ohne speziellen
Grund kündigen.
 
Als der Mieter sich auf das "lebenslange Wohnrecht" berief, argumentierten die Vermieter, dass dies nur im Kaufvertrag erwähnt sei, nicht aber im Mietvertrag. Deshalb könne sich der Bergmann auf diese Garantie nicht berufen. Beim Amts- und beim Landgericht Bochum kamen die Vermieter mit dieser Argumentation nicht durch, doch sie gingen in Revision zum BGH.
 
Urteil 
 
Aber auch beim BGH hatten die Vermieter nun keinen Erfolg. Der Kaufvertrag zwischen Stadt und Geschwisterpaar sei ein "klassischer Vertrag zugunsten Dritter", sagte die Vorsitzende Richterin Karin Milger. Deshalb stehe er der Kündigung entgegen. Darauf könne sich auch der Mieter berufen. Der Vertrag sei auch nicht unklar. "Die Stadt hat alles Erdenkliche getan, die Mieter zu schützen", so Richterin Milger, deshalb müsse der Vertrag so ausgelegt werden, dass er für die Mieter Sinn mache. Selbst wenn man die Klausel als Allgemeine Geschäftsbedingung (AGB) einstufe, sei sie wirksam. Die Vermieter würden "nicht unangemessen benachteiligt", so Milger, da laut Kaufvertrag die Kündigung bei Pflichtverstößen des Mieters weiter möglich bleibe.
 
Hätten die Vermieter beim BGH gewonnen, wären auch hundertausende Mieter betroffen gewesen, die in ehemals staatlichen Wohnungen leben. Wenn Kommunen oder Länder große Wohnungsbestände an Firmen wie Gagfah oder Annington verkaufen, wird dies oft mit einer Sozialcharta verbunden, die Teil des Kaufvertrags ist. Beim Verkauf der kommunalen Wohnungen in Dresden 2004 wurde etwa Mietern im Alter von über 60 Jahren ein lebenslanges Wohnrecht garantiert. Oft geht es auch um die Begrenzung von Mieterhöhungen. Mit dem jetzigen BGH-Urteil dürften wohl auch solche Kaufverträge plus Sozialcharta als für die Mieter durchsetzbarer "Vertrag zugunsten Dritter" gelten.

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