Klimaschutz und Klimaanpassung: Warum es auf die Stadtwerke ankommt
Im Kampf gegen den Klimawandel und seine Folgen spielen die kommunalen Unternehmen eine Schlüsselrolle. Sie brauchen mehr Spielräume für Investitionen. Ein Gastbeitrag von Kai Roger Lobo, stellvertretender VKU-Hauptgeschäftsführer.
Ute Grabowsky / Photothek
Stadtwerke investieren in Windkraft und Photovoltaik, Kreislaufwirtschaft und Starkregenvorsorge.
Der Klimawandel ist keine abstrakte Zukunftsbedrohung mehr, sondern Realität – auch in Deutschland. Hitze, Dürre, Starkregen und Überschwemmungen treten immer häufiger auf und stellen Städte und Gemeinden vor enorme Herausforderungen. Gleichzeitig wächst der Druck, die CO₂-Emissionen zu senken und die Energieversorgung klimafreundlich, sicher und bezahlbar umzubauen. Kommunale Unternehmen spielen bei der Umsetzung vor Ort eine Schlüsselrolle – als Versorger, Entsorger, Infrastrukturdienstleister und Innovationstreiber.
Der Kampf gegen den Klimawandel ist eine Herkulesaufgabe, lokal wie global. Laut Gutachten müssen in Deutschland allein für die Energiewende bis zum Jahr 2030 rund 721 Milliarden Euro investiert werden. Hinzu kommen 800 Milliarden Euro für die Instandhaltung und Anpassung an den Klimawandel der Wasser- und Abwasserinfrastruktur bis 2045.
Ausbau erneuerbarer Energien
Stadtwerke investieren massiv in den Ausbau erneuerbarer Energien, insbesondere in Windkraft, Photovoltaik und Biomasse. Gleichzeitig treiben sie die Wärmewende voran – durch den Ausbau von Wärmenetzen, die Nutzung industrieller Abwärme und Geothermie oder den Einsatz von Großwärmepumpen. Viele kommunale Energieversorger setzen zudem auf Kraft-Wärme-Kopplung, um Strom und Wärme besonders effizient zu erzeugen.
Zudem engagieren sie sich im Aufbau von Wasserstoffinfrastrukturen und fördern die Elektromobilität – etwa durch den Ausbau von Ladeinfrastruktur oder eigene E-Fahrzeugflotten. Damit gestalten kommunale Unternehmen Energiewende vor Ort aktiv mit und sorgen zugleich für Versorgungssicherheit und regionale Wertschöpfung.
Vorreiter Abfallwirtschaft
Die Abfallwirtschaft war Pionier und hat seit 1990 die Treibhausgasemissionen in diesem Bereich um 90 Prozent reduziert – ein Spitzenwert im Vergleich zu anderen Sektoren. Möglich wurde das durch das konsequente Ende der Deponierung unbehandelter Siedlungsabfälle, den Ausbau der getrennten Sammlung, Recycling und die energetische Verwertung. Müllheizkraftwerke erzeugen Strom, Wärme und sogar Wasserstoff.
Ein nachhaltiger Beitrag zum Klimaschutz entsteht jedoch nicht allein durch die Verwertung von Abfällen, sondern vor allem durch deren Vermeidung und die konsequente Weiterentwicklung der Kreislaufwirtschaft. Zukünftig kommt es darauf an, Recyclingprozesse weiter zu optimieren und auf bislang wenig genutzte Stoffströme – wie etwa Alttextilien – auszuweiten. Nur so kann der Ressourcenverbrauch wirksam gesenkt werden und die Transformation hin zu einer echten Kreislaufwirtschaft gelingen.
Bei der thermischen Abfallverwertung sind Restemissionen von Kohlendioxid unvermeidbar, weshalb die CO₂-Abscheidung für die kommunale Abfallwirtschaft eine besondere Bedeutung hat. Wichtige Bausteine für die Stabilisierung des globalen Klimas sind die unterirdische Speicherung (CCS) und die Wiedernutzung von Kohlenstoff (CCU). Wenn bei der Verbrennung von Siedlungsabfällen das Kohlendioxid künftig vollständig aufgefangen wird, kann die thermische Abfallbehandlung sogar zu einer klimapositiven Technologie werden, die im Saldo der Atmosphäre Kohlendioxid entzieht und so die Aufheizung der Atmosphäre bremst.
Leitungen und Pumpen anpassen, Bodenflächen entsiegeln
Klimaschutz allein reicht nicht. Die Anpassung an die Folgen des Klimawandels ist ebenso entscheidend – besonders in der Wasserwirtschaft. Langanhaltende Trockenperioden beeinträchtigen die Grundwasserneubildung und damit die wichtigste Trinkwasserressource Deutschlands. Gleichzeitig steigt in Hitzephasen der Wasserverbrauch – in Haushalten, Landwirtschaft und Industrie.
Auch Starkregenereignisse nehmen zu. Innerhalb kürzester Zeit fallen enorme Wassermengen, die auf versiegelten Flächen nicht versickern können. Die Folge: Spitzenlasten, die technische Systeme wie Pumpen und Speicher an ihre Grenzen bringen. Die Kanalisation ist überfordert, es kommt zu Überflutungen.
Präzisere Starkregenvorsorge notwendig
Die kommunalen Unternehmen fordern mehr Spielräume für Investitionen in klimarobuste Infrastrukturen, eine klare Priorisierung der öffentlichen Trinkwasserversorgung bei Nutzungskonflikten und eine stärkere Unterstützung bei der interkommunalen Zusammenarbeit. Auch die Integration von Starkregengefahrenkarten in die Stadtplanung und eine rechtssichere Veröffentlichung dieser Karten sind zentrale Anliegen. Denn nur wenn Risiken sichtbar sind, können sie auch gemindert werden.
Bei der Starkregenvorsorge fehlen notwendige Regelungen, die es für den Hochwasserschutz bereits gibt. Um bestmöglich auf Starkregenereignisse vorbereitet zu sein, braucht es klare Begrifflichkeiten, Maßstäbe und Definitionen. Oberirdische Lösungen wie Notwasserwege und Rückhalteflächen sind besonders gefragt. Hinzu kommt: Vielerorts stoßen die Netze, die in den 1950er oder 1960er Jahren gebaut wurden, an ihr natürliches Nutzungsende.
Um Städte und Gemeinden besser gegen Hitzewellen und Starkregen zu schützen, müssen wir mehr Grün- und Wasserflächen schaffen. Diese Flächen wirken wie ein Schwamm, der Regenwasser gezielt aufnimmt und damit die Abwasserkanäle entlastet.
Das alles ist kapitalintensiv und die dadurch entstehenden Kosten werden nicht überall von den Kundinnen und Kunden über ihre Entgelte gestemmt werden können. Ohne staatliche Mittel wird das nicht gehen. Eine Studie von Becker Büttner Held Rechtsanwälte Steuerberater Unternehmensberater PartGmbB im Auftrag des VKU hat errechnet, dass es in den kommenden 20 Jahren zu einer Vervierfachung der jährlichen Investitionen auf durchschnittlich 40 Milliarden Euro kommt. Dabei gehen Erhalt und notwendige Anpassungsmaßnahmen Hand in Hand. Etwa 10 bis 15 Prozent der Gesamtinvestitionen sind dabei auf die beschleunigte Anpassung an den Klimawandel zurückzuführen.
Planungssicherheit und faire Finanzierung
Ob Energie-, Wasser- und Abfallwirtschaft – kommunale Unternehmen sind systemrelevant für Klimaschutz und Klimaanpassung. Wenn wir beim Aus- und Umbau unserer Energie- und Wasserinfrastrukturen und -systeme vorankommen wollen, benötigen die kommunalen Unternehmen verlässliche gesetzliche Grundlagen, eine faire Finanzierung und eine stärkere Einbindung der kommunalen Expertise in Planungsprozesse. Zur Finanzierung bietet das neue Sondervermögen „Infrastruktur“ zusätzliche Möglichkeiten – die aber auch genau für diese Zwecke genutzt werden müssen. Eines ist klar: Die Transformation hin zu einer klimaneutralen und klimaresilienten Gesellschaft gelingt nur gemeinsam – mit starken Kommunen und ihren Unternehmen.
Höck
ist stellvertretender Hauptgeschäftsführer und Geschäftsführer der Abteilung Energiewirtschaft im Verband kommunaler Unternehmen (VKU)