Perspektiven

Nach der Reform ist vor der Reform – Kliniken brauchen echte Perspektiven

Die Krankenhausreform muss reformiert werden, um die damit verbundenen Ziele zu erreichen. Auch die Notfallreform sollte mit Augenmaß gestaltet werden. Ein Gastbeitrag von Jörg Freese, Deutscher Landkreistag.

von Jörg Freese · 18. Juli 2025
Schild mit Aufschrift 1. Hilfe

Wenn dringend medizinische Hilfe benötigt wird, dürfen die Wege nicht zu weit sein.

Buchstäblich in letzter Minute vor dem Aus der Ampel-Koalition hat die Krankenhausreform des ehemaligen Bundesgesundheitsministers Karl Lauterbach die parlamentarischen Hürden von Bundestag und Bundesrat überwunden. Noch nie hat es eine Reform im Gesundheitswesen gegeben, die einerseits grundsätzlich von allen Akteuren, auch den betroffenen Krankenhäusern und ihren Trägern, für erforderlich gehalten worden ist, und die dennoch zugleich in ihrer konkreten Ausgestaltung so intensiv und eindeutig von vielen Seiten kritisiert und abgelehnt worden ist.

Krankenhausreform muss verändert werden

Man könnte es sich einfach machen und behaupten, die Wahrheit liege wohl irgendwo in der Mitte. Das wäre aber bei der gesellschaftlichen und politischen Bedeutung der Thematik nicht angemessen und wird der Komplexität von Krankenhausfinanzierung und Krankenhausplanung nicht einmal ansatzweise gerecht. 

Fest steht aber, gerade auch aus Sicht der Landkreise als Träger von mehr als 200 Krankenhäusern in der Fläche, die überwiegend medizinische stationäre Grundversorgung anbieten, dass es Veränderungen an der beschlossenen Reform braucht, um die erhofften Effekte zu erreichen und vor allem die medizinische Versorgung außerhalb der Ballungsräume – ambulant wie stationär – auch langfristig zu sichern.

Die drei Fehler der Reform

Ein Kardinalfehler der Krankenhausreform war es, die wesentlichen Reformschritte zu begleiten mit einem finanziellen Ausbluten der bestehenden Krankenhäuser über mehrere Jahre hinweg. Hierdurch wurden alle, auch die schon jetzt völlig unstrittig dauerhaft erforderlichen Krankenhäuser, massiv wirtschaftlich und strukturell geschädigt. Ein weiterer Fehler war es, eine der wenigen bekannten und schon bewährten Grundlagen der Krankenhausreform, nämlich die Leistungsgruppen, die erstmalig in Nordrhein-Westfalen der dortigen Reform zugrunde gelegt worden waren, nicht auch vollständig zur Grundlage der Überlegungen auf Bundesebene zu machen, sondern stattdessen einige neue Leistungsgruppen zu schaffen. Und der dritte wesentliche Fehler war die Ausgestaltung der geplanten Vorhaltefinanzierung. Denn deren Orientierung an Fallzahlen führt dazu, dass diese eigentlich gute neue Facette der Krankenhausfinanzierung, die zum Erhalt bedarfsnotwendiger Krankenhäuser gerade im ländlichen Raum beitragen könnte, keinen Nutzen bringt und ihr Ziel verfehlt.  

Insofern ist es wichtig und richtig, dass in der neuen Bundesregierung erneut Hand an die Krankenhausreform angelegt wird. Wichtigste und schnellste Aufgabe ist es, die Liquidität der bestehenden Krankenhäuser (endlich) zu sichern. Hier ist mit dem Haushaltsbegleitgesetz die erste Tranche der finanziellen Sicherung der Krankenhäuser durch einen Versorgungszuschlag auf den parlamentarischen Weg gebracht worden. Insgesamt sollen in den Jahren 2025 und 2026 vier Milliarden Euro fließen. Das ist sehr viel Geld, aber erreicht nicht einmal die etwa fünf Milliarden Euro, die allein die Landkreise im Jahr 2024 in ihre eigenen Krankenhäuser stecken mussten. Als Zuschüsse, Darlehen oder Bürgschaften.

Erst sichern, dann refomieren

Optimal wäre es natürlich, wenn durch die frischen Mittel nur die Krankenhäuser begünstigt werden könnten, die auch nach der eingehend zu überarbeitenden Krankenhausplanung der Länder auch dauerhaft am Netz bleiben. Da dies aber in den allermeisten Ländern noch gar nicht vollständig absehbar ist, müssen zunächst einmal alle Häuser im System bleiben, soweit sie nicht freiwillig aufgeben. Ob es sinnvoll ist, statt des jetzt angestrebten „Gießkannenprinzips“ noch entsprechende Kriterien heranzuziehen, kann und sollte im parlamentarischen Verfahren noch einmal überprüft werden.

Wichtig ist es, nicht erneut zu riskieren, bedarfsnotwendige Krankenhäuser, die eigentlich auf Dauer bestehen bleiben müssten, womöglich kurzfristig von notwendiger Liquidität abzuschneiden und dadurch die Krankenhauslandschaft massiv zu gefährden. Dies gilt namentlich vor dem Hintergrund einer sich immer weiter verschlechternden Situation in der ambulanten Versorgung, jedenfalls außerhalb der Ballungsräume.

Auch Notfallversorgung muss angepackt werden

Die ebenfalls von Karl Lauterbach angeschobene, aber nicht mehr im Bundestag verabschiedete Notfallreform war im Hinblick auf ihren ersten Teil, der die Notfallversorgung nachhaltig verbessern soll, weitestgehend unstrittig und könnte ohne wesentliche Änderungen zügig im parlamentarischen Verfahren beraten werden. Hier sind entsprechende Vorlagen der Bundesregierung für den Sommer 2025 angekündigt. 

Mit Spannung sehen die Kommunen aber dennoch auf den Regierungsentwurf, denn es ist fraglich, ob es erneut so weitreichende Eingriffe in den von den Landkreisen und kreisfreien Städten verantworteten Rettungsdienst geben soll, wie es in einer zweiten Stufe der Notfallreform der Ampel-Koalition vorgesehen war. Seinerzeit hatten die damaligen Koalitionsfraktionen Änderungsanträge kurzfristig eingebracht, die massive Eingriffe in die Länderkompetenzen für den Rettungsdienst und in die Leistungserbringung vorgesehen hatten. Dies wird von kommunaler Seite aus weiterhin und nachdrücklich abgelehnt.

Sozialgesetzbuch zur Krankenversicherung erweitern

Erforderlich ist es hingegen, das SGB V insoweit zu erweitern, als dort zukünftig nicht nur die reine Transportleistung des Rettungsdienstes, sondern entsprechend der Weiterentwicklung des Rettungsdienstes auch die präklinische medizinische Versorgung und die damit zusammenhängenden Dispositionsleistungen der integrierten Leitstellen der Kommunen Erwähnung finden sollten.

Versuchen von Seiten der Krankenkassen, ihre originäre Finanzierungsverantwortung aufgrund ihrer eigenen schlechten Finanzlage auf die Landkreise und kreisfreie Städte bzw. die Patientinnen und Patienten zu verlagern, wie dies bereits in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern und teilweise auch in Nordrhein-Westfalen geschehen ist, sind jetzt und für die Zukunft nachdrücklich abzulehnen.

Autor*in
Porträtfoto Jörg Freese
Jörg Freese

ist Beigeordneter beim Deutschen Landkreistag und zuständig für die Bereiche Gesundheit, Jugend und Familie sowie Kultur.
 

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