Hendrik Bednarz: Der rote Exot im Ländle
Hendrik Bednarz steht an der Spitze des Landkreises Tübingen. Damit hat Baden-Württemberg erstmals seit Jahrzehnten wieder einen SPD-Landrat. Ein Porträt.
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Am 8. Oktober wurde Tübingens neuer Landrat Hendrik Bednarz vereidigt.
Die Lokalzeitung berichtete nach der Wahl des neuen Landrats in Tübingen von einer „kleinen Sensation“. Der Auslöser war jedoch nicht, dass der Kreistag den Kandidaten aus ihren Reihen mit einer denkbar hauchdünnen Mehrheit gewählt hat. Hendrik Bednarz hat die überregionale Berichterstattung vielmehr mit seinem SPD-Parteibuch ausgelöst. Ein Genosse als Landrat in Baden-Württemberg?
Dass es vor dem Oktober 2025 in der Geschichte dieses Bundeslandes diese Konstellation jemals gegeben hat, daran kann sich ohne tiefergehende Recherche niemand erinnern. Das Internet findet einen SPD-Landrat aus den 1970er Jahren, der schnell die Partei verlassen hat. Der 46-jährige Bednarz hat es mit seiner Wahl geschafft, für die SPD eine Lücke zu schließen. Neben Bürger- und Oberbürgermeistern repräsentiert nun auch ein Landrat die Partei.
Die CDU dominiert die Landkreise
Üblicherweise gehören die Landräte im Südweststaat der CDU an, den Freien Wählern oder sind parteilos. Die Union beherrschte auch den Landkreis am Rand der Schwäbischen Alb (233.000 Einwohner*innen) knapp ein Vierteljahrhundert mit einer prominenten Person: Joachim Walter, der nicht zur Wiederwahl antrat. Walter war zudem Präsident des baden-württembergischen Landkreistages, der unter seiner Führung häufig mit konservativen Ansichten in Erscheinung trat.
In diese Fußstapfen muss der Neue nicht treten. Hendrik Bednarz hat die erste Landrätekonferenz bereits hinter sich gebracht. „Ich habe keine Vorbehalte gespürt“, sagt er. Als parteipolitischer Exot betrachtet zu werden, das habe er nicht erwartet. In Baden-Württemberg haben die nicht vom Volk gewählten Landräte kein politisches Amt. Sie sind die Spitze der Kreisverwaltung und aufgerufen, sich darauf zu konzentrieren.
Im Kolleg*innenkreis begegne man ihm trotz CDU-Dominanz „auf Augenhöhe“, berichtet Bednarz. Das dürfte damit zu tun haben, dass er viel Erfahrung aus der Verwaltung und Nähe zur Heimat mitbringt: Er ist in Balingen (35.500 Einwohner*innen) geboren, einer Stadt, in der die AfD bei der vergangenen Bundestagswahl knapp 25 Prozent der Stimmen holte. Für Baden-Württemberg ist das eine ungeheuer hohe Zahl. Bednarz ist in einem konservativen Umfeld früh den sozialdemokratischen Weg gegangen: Anfang der 2000er Jahre war er mehrere Jahre Landesvorsitzender der Jusos. Die Friedrich-Ebert-Stiftung unterstützte sein Studium. Das Thema seiner 2010 abgeschlossenen Dissertation ist aktueller denn je: „Demografischer Wandel und kommunale Selbstverwaltung“.
Bednarz bringt die nötige Erfahrung mit
Nach einer Zeit als Rechtsanwalt wechselte er in die Kommunalverwaltung: Er leitete das Verkehrs- und Ordnungsamt des von Tübingen benachbarten Landkreises Reutlingen und war vor seiner Wahl zum Landrat Finanzbürgermeister der Stadt Rottenburg am Neckar. Im Kreistag von Tübingen saß er von 2019 an, zuletzt als Fraktionsvorsitzender. Nun hat er im Sitzungssaal die Seite gewechselt.
Gleich am ersten Amtstag konnte er sein geballtes Finanzwissen einbringen: „Am 1. Oktober um 8 Uhr bekam ich den Entwurf des Haushaltsplans vorgelegt, den ich später dem Ältestenrat vorstellen musste. Man kann sich einen einfacheren Einstieg vorstellen.“ Wie in vielen Landkreisen ist die Haushaltslage nicht rosig. Fürs vergangene Jahr rechnet die Kreisverwaltung mit einem Defizit von 5,3 Millionen Euro. Als der Haushalt eine Woche später im Kreistag eingebracht wurde, bat der neue Landrat die Fraktionen um Verständnis, sollte „ich nicht jede Einzelheit sofort parat haben“. Er hätte seine Zeit, sich in das Zahlenwerk einzuarbeiten, verlängern können. Aber das wollte er nicht: „Die Städte und Gemeinden hätten keine Planungssicherheit für ihre Haushalte gehabt. Damit wäre niemandem geholfen gewesen.“
Mit dieser Rede sagt er einiges über die Art seiner Amtsführung aus. Die Zuständigkeiten einer Kreisverwaltung sind vielschichtig. Sämtliche Aufgaben im Blick zu behalten, setzt ein Team und eine Führungsebene voraus, denen er vertrauen kann. Daran möchte er arbeiten, wie er betont. „Ich bin gleich in den ersten Tagen durch die Gebäude und durch jedes Büro gegangen, um ‚Hallo’ zu sagen. Das kam sehr gut an. Ich habe ein offenes Team kennengelernt“. Obwohl er das Landratsamt kennt, habe er die Größe unterschätzt, wie er sagt. „An zwei Vormittagen war das nicht zu machen.“ Etwa 900 Mitarbeitende hat die Verwaltung. Im Sozialdezernat wurde ihm nochmals klar, wie schwierig sein Amt werden könnte. Die Ausgaben in diesem Bereich wachsen und wachsen. Sozialleistungen zu kürzen, möchte er möglichst verhindern – gerade als Sozialdemokrat.
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ist freier Journalist. Er ist Mitglied im Verein Deutsches Institut für Normung und dort im Redaktionskreis für eine DIN Einfache Sprache. Webseite: leichtgesagt.eu