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Bertelsmann-Stiftung: Rekord-Defizit bei kommunalen Finanzen

Der neue Kommunale Finanzreport 2025 der Bertelsmann-Stiftung ergibt ein alarmierendes Bild. Rund 25 Milliarden Euro Defizit verzeichnen die Kommunen. Die Studie zeigt auf, welche Gründe dafür verantwortlich sind und dikutiert Lösungsansätze. 

von Karin Billanitsch · 30. Juli 2025
Schlagloch

Die Finanzlage der Kommunen in Deutschland ist im vergangenen Jahr flächendeckend eingebrochen. Sie haben immer weniger Spielraum für nötige Ausgaben. Das zeigt der neue Kommunale Finanzreport der Bertelsmann-Stiftung.

Seit mehr 15 Jahren gibt es den Kommunalen Finanzreport der Bertelsmann Stiftung. „So düstere Zahlen wie in diesem Jahr haben wir noch nie publiziert“, sagte die verantwortliche Referentin Kirsten Witte anlässlich der Vorstellung des neuen „Kommunalen Finanzreports 2025". Mit 25 Milliarden Euro Defizit im Jahr 2024 hätten die Kommunen „das schlechteste Ergebnis seit Bestehen der Bundesrepublik“. 

Kommunales Finanzdefizit: Alarmierende Entwicklung 

Die Analyse, die in Zusammenarbeit mit der TH Wildau und dem Deutschen Institut für Urbanistik (Difu) erstellt wurde, zeigt alarmierende Entwicklungen: „Die Finanzlage der Kommunen in Deutschland ist im vergangenen Jahr flächendeckend eingebrochen.“

Zwar sind die Einnahmen laut Report 2024 um 5,4 Prozent 2024 auf 352,4 Milliarden Euro gestiegen. Die Gründe für die desolate Kassenlage liegen vor allem auf der Ausgabenseite: „Die Ausgaben sind allein 2024 um zehn Prozent gestiegen“, heißt es. Dazu kommt dass die Zahlungen für Personal sich binnen zehn Jahren verdoppelt haben, durch mehr Stellen auf der einen und hohe Tarifabschlüsse auf der anderen Seite, nennt der Report als weitere Ursachen.

Inflation und sprunghaft gestiegene Sozialausgaben schlagen laut Report ebenfalls negativ zu Buche: Der laufende Sachaufwand – etwa Ausgaben für Dienstleistende, Büroausstattung oder die Bewirtschaftung der Gebäude – erhöhte sich der Untersuchung zufolge um ein Viertel in auf 85 Milliarden Euro in zwei Jahren. 

Milliardendefizit „markiert Zeitenwende“

Schon im Jahr zuvor, 2023, offenbarte sich die akute Finanznot der Kommunen mit einem Defizit von 6,8 Milliarden Euro. Von 2015 bis 2022 gab es noch Überschüsse. „Doch bereits ab 2020 basierten diese auf Sondereffekten wie Hilfsprogrammen von Bund und Ländern“, heißt es in einer Mitteilung der Bertelsmann-Stiftung.

Vorständin Brigitte Mohn sieht in dem Defizit des Jahres 2024 „eine Zeitenwende, welche die finanzielle Handlungsfähigkeit der Kommunen nachhaltig infrage stellt.“ Sie macht darauf aufmerksam, dass Kommunen über 50 Prozent der öffentlichen Investitionen schulterten und wichtig für den sozialen Zusammenhalt seien. Mohn  forderte eine Staatsreform. Dabei nahm sie Bund und Länder in die Pflicht und kritisierte, die Aufgaben für die Kommunen seien aufgrund der bundesgesetzlichen Regelungen zu aufwändig. Sie verlangte „eine eindeutige Finanzierungsverantwortung beim Bund."

Städtetagspräsident Jung: „Kommunale Finanzlage katastrophal“

Städtetagspräsident Burkhard Jung, Oberbürgermeister von Leipzig, sagte die Ergebnisse des Kommunalen Finanzreports 2025 bestätigten einmal mehr eine katastro­phale kommunale Finanzlage. „Wir erleben gerade die größte kommunale Finanzkrise im Nachkriegsdeutschland. Investitionen sind vielerorts bitternötig, aber die Gestaltungskraft der Städte schwindet, wenn nur noch über den Mangel entschieden werden kann. Das darf nicht so bleiben.“

Er forderte „grundlegende Reformen gegen die strukturelle Unterfinanzie­rung und eine bessere Grundfinanzierung kommunaler Ausgaben“. Dabei hat er vor allem die Sozialausgaben im Blick. Die Kommunen bräuchten zudem „einen größeren Anteil an den Gemeinschaftssteuern, vor allem der Umsatzsteuer“. Jung sieht einen grundlegenden Reformdruck:  „Wir müssen dafür sorgen, dass die Dinge vor Ort funktionieren, dass die Leute sich darauf verlassen können.“

Investitionsrückstand wächst trotz Rekordinvestitionen

 2024 gab es laut des Reports Investitionen von 52 Milliarden Euro. „Gleichzeitig wächst der Investitionsrückstand weiter und die Ausgaben werden durch besonders hohe Inflationsraten der Baubranche überlagert“, wie das Difu in einer aktuellen Mitteilung schreibt. 

Regional ergibt sich demnach folgendes Bild: „Die höchsten Investitionen tätigen mit Abstand die Kommunen in Bayern. Am anderen Ende kristallisieren sich mit dem Saarland, Sachsen-Anhalt, Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen über die Zeit Regionen heraus, die infrastrukturell immer weiter zurückfallen.“ 

DStGB: Ruf nach Sofortprogramm

Als „mehr als besorgniserregend“ bezeichnete der Präsident des Deutschen Städte- und Gemeindebundes Ralph Spiegler, den „absehbaren Rückgang kommunaler Investitionen“. „Die Finanzierung zentraler Zukunftsaufgaben steht damit auf dem Spiel“, so Spiegler. Er forderte ein Sofortprogramm, um die kommunale Handlungsfähigkeit zu sichern. 

Die Autoren des Kommunalen Finanzreports haben sich auch mit Handlungsansätzen für eine Transformation beschäftigt.  „Nicht nur hohe Defizite und ein Investitionsstau von 216 Milliarden Euro belasten die kommunalen Haushalte. Zusätzlich sind umfangreiche Investitionen in die Klimaanpassung der kommunalen Infrastruktur notwendig“, betont Difu-Projektleiter Christian Raffer. „Angesichts der aktuellen Finanzlage werden die Kommunen die dafür notwendigen Mittel nicht allein aufbringen können.“ 

Difu: „Strukturelle Unterfinanzierung beheben“

Im Report werden verschiedene Finanzierungs-Ansätze aufgeführt, wie zum Beispiel ein gemeinsames Bund-Länder-Sondervermögen oder ein privat-öffentlicher Zukunfts- und Transformationsfonds. Auch die Finanzierung über eine neue Gemeinschaftsaufgabe Klimaschutz und Klimaanpassung wird im Kommunalen Finanzreport 2025 diskutiert. 

Aber auch das Difu betont, es bleibe „unerlässlich, dass die strukturelle Unterfinanzierung der Kommunen sowohl durch kurzfristige Finanz- als auch langfristige Strukturreformen behoben wird“. Der Report bringt darüber hinaus einen neuen Ausschuss des Bundesrates zur Einhaltung des Konnexitätsprinzips ins Spiel. „Insgesamt muss es in den kommenden Jahren darum gehen, die Finanzlage der Kommunen zu stabilisieren und die Gemeinden, Städte und Kreise dauerhaft investitionsfähig zu machen“, forderte Raffer.

Autor*in
Karin Billanitsch

ist Redakteurin beim vorwärts-Verlag und schreibt für die DEMO – Das sozialdemokratische Magazin für Kommunalpolitik.

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