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Studie: Brandmauer zur AfD steht in den Kommunen noch

Wissenschaftler des WBZ haben flächendeckend analysiert, wie es um die Abgrenzung nach rechtsaußen in den Kommunen steht. Sie fanden hunderte Fälle von Kooperationen mit der AfD. Trotzdem urteilen sie: Die sogenannte Brandmauer hält bisher.

von Carl-Friedrich Höck · 21. März 2025
Demonstration für die sogenannte Brandmauer in Berlin

Demonstration für die sogenannte Brandmauer in Berlin, Februar 2025

Vor wenigen Tagen sorgte eine Abstimmung im Kreis Segeberg für einen Aufschrei. Der Kreistag musste entscheiden, wie er mit einer sanierungsbedürftigen Sporthalle verfahren soll. Mehrere Fraktionen wollten prüfen, ob die Halle sinnvoll erweitert oder gar neu gebaut werden kann. Doch die CDU stimmte gemeinsam mit der AfD für eine einfache Sanierung. „Ein krasser Tabubruch“, schimpfte der SPD-Kreistagsabgeordnete Alexander Wagner danach auf Facebook.

Ähnliche Fälle tauchen immer wieder in den Nachrichten auf und erwecken den Eindruck, die sogenannte Brandmauer sei auf kommunaler Ebene längst eingestürzt. Ein Team des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung (WZB) kommt jedoch zu einem anderen Schluss.

19 Prozent der AfD-Anträge fanden Unterstützung

Wolfgang Schroeder, Daniel Ziblatt und Florian Bochert haben eine flächendeckende Untersuchung vorgelegt, in welchem Maße andere Fraktionen auf kommunaler Ebene mit der AfD kooperieren. Dazu haben sie 11.053 Sitzungen von Kreistagen und Stadträten zwischen Mitte 2019 und Mitte 2024 untersucht. Sie zählten in diesem Zeitraum 4.968 Anträge der AfD. Etwa 19 Prozent davon (934 insgesamt) fanden die Zustimmung anderer Parteien.

Angesichts der von allen großen Parteien ausgerufenen „Brandmauer“ klingt das zunächst nach einem hohen Wert. Doch die Forscher bewerteten auch Fälle als Kooperation, in denen nur einzelne Kreistags- oder Stadtratsmitglieder einem AfD-Antrag zustimmten. Das konnten auch Fraktionslose oder Angehöriger kleiner Parteien wie der NPD (heute Die Heimat) sein. Insofern relativiert sich der hohe Wert bereits. Nur in jedem dritten Fall handelte es sich um eine „starke Kooperation“, bei der mindestens zehn Prozent der Nicht-AfD-Abgeordneten dem AfD-Antrag ihre Stimme gaben.

Brandmauer hat zwar Löcher, steht aber stabil

Im Umkehrschluss heißt das auch: 81 Prozent der AfD-Anträge fanden nicht mehr Unterstützer*innen, als die jeweilige AfD-Fraktion Mitglieder hat. In mehr als der Hälfte der untersuchten Landkreise bestand die Brandmauer sogar über fünf Jahre hinweg ohne eine einzige Ausnahme. Auch konnten die Wissenschaftler keine Anzeichen dafür finden, dass Kooperationen mit der AfD im Zeitverlauf häufiger auftreten. Zumindest statistisch gesehen scheint die Brandmauer demnach kein Auslaufmodell zu sein.

Abzuwarten bleibt jedoch, wie sich das Manöver von CDU-Chef Friedrich Merz im Januar 2025 auf die Kommunen auswirkt. Er stellte im Bundestag zwei Anträge, welche nur mit AfD-Stimmen eine realistische Aussicht auf eine Mehrheit hatten – einer davon wurde tatsächlich vom Bundestag beschlossen. Dabei hatte die CDU zuvor eigentlich jede Zusammenarbeit mit der AfD ausgeschlossen.

Die WZB-Autoren unterscheiden hier zwischen indirekten und direkten Kooperationen mit der AfD. Beides auszuschließen, sei metaphorisch gesprochen eine doppelte Brandmauer. Werde die erste Mauer durchbrochen, sei es daraufhin einfacher, auch die zweite zu durchbrechen. „Die Büchse der Pandora ist geöffnet”, schreiben sie.

Datenlage teils lückenhaft

Das WZB-Team konnte auf kommunaler Ebene nur direkte Kooperationen untersuchen. Denn die Protokolle der Sitzungen geben oft keinen Aufschluss darüber, wer einem Antrag zugestimmt hat, sondern erfassen nur die Zahl der Ja- und Nein-Stimmen.

Aus demselben Grund war es auch nur eingeschränkt möglich herauszufiltern, welche Parteien den AfD-Anträgen zugestimmt haben. Nur in 372 von insgesamt 990 Kooperationsfällen konnten die Stimmen zugeordnet werden. Demnach haben fraktionslose Abgeordnete und Abgeordneter regionaler Parteien wie den Freien Wählern am häufigsten mit der AfD abgestimmt (86,5 Prozent der Fälle). Mit weitem Abstand folgen CDU (38,6), FDP (38,4), SPD (32,1), Grüne (29,5) und Linke (21,1 Prozent). Keine etablierte Partei habe es geschafft, die Brandmauer in allen Kreisen „ohne wenn und aber“ aufrechtzuerhalten, so die Wissenschaftler.

Ost-West-Unterschiede?

Was ihnen ebenfalls auffiel: Es gibt insgesamt keine wesentlichen Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland. Im Osten allerdings wird in ländlich geprägten Räumen tendenziell häufiger mit der AfD kooperiert als in kreisfreien Städten. In Westdeutschland gab es diesen Unterschied nicht.

Übrigens lassen die Autoren der Studie wenig Zweifel daran, dass sie die politische Isolierung der AfD für eine sinnvolle Maßnahmen halten. „Mit Blick auf den wachsenden Zuspruch für die AfD bei den Landtagswahlen 2024 und den Bundestagswahlen 2025 kann die Brandmauer noch immer eine Strategie sein, die versucht, dem Aufstieg radikaler Kräfte proaktiv entgegenzuwirken“, kommentieren sie. Kooperation könne zur Normalisierung und Legitimierung radikaler Kräfte führen. Diese einfach zu integrieren oder zu dulden, sei mit dem deutschen Verfassungsauftrag der wehrhaften Demokratie schwer zu vereinbaren.

Link zur Studie:
wzb.eu

Autor*in
Porträtfoto Mann mit Brille und dunkelblonden Haaren
Carl-Friedrich Höck

ist Leitender Redakteur der DEMO. Er hat „Public History” studiert.

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