Vertrauen in den Staat auf historischem Tiefstand
73 Prozent der Bürger*innen halten den Staat für überfordert. Der Wunsch nach mehr Tempo, weniger Bürokratie und digitaler Verwaltung wächst – zugleich nimmt die Gewalt gegen Beschäftigte im öffentlichen Dienst zu.
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Das Vertrauen der Bevölkerung in den öffentlichen Dienst sinkt zum fünften Mal in Folge. 73 Prozent der Bürger*innen halten den Staat für überfordert.
Das Vertrauen der Bevölkerung in den öffentlichen Dienst sinkt zum fünften Mal in Folge. 73 Prozent halten den Staat mit Blick auf viele wichtige Aufgaben für überfordert, wie aus der neuen dbb-Bürgerbefragung „Öffentlicher Dienst“ hervorgeht. „Extrem dramatisch“ nannte dbb-Bundesvorsitzender Volker Geyer diese Zahlen, die das Meinungsforschungsinstitut Forsa im Auftrag des dbb erhoben hat.
Deutliche Unterschiede nach Regionen oder Parteien
Besonders skeptisch sind die Menschen in Ostdeutschland: Sie halten zu 79 Prozent den Staat für überfordert, im Westen sind es 71 Prozent. Überdurchschnittliches Vertrauen in den Staat äußern Anhänger*innen von Grünen, SPD und Union. AfD-Anhänger*innen meinen hingegen zu 95 Prozent, der Staat sei überfordert.
Vor allem die Asyl- und Flüchtlingspolitik, die sozialen Sicherungssysteme (insbesondere die Rente), die Schul- und Bildungspolitik, Steuern und Finanzen sowie die innere Sicherheit wurden von den Befragten am häufigsten genannt, wenn es um Politikfelder geht, in denen der Staat seine Aufgaben nicht erfüllt. Alle Ebenen – Kommunen, Länder und Bund – müssten ihre Leistungen verbessern, so die Einschätzung der Bürger*innen.
Forderung nach weniger Bürokratie
Auch das Vertrauen in die Politik ist gering: 70 Prozent glauben nicht daran, dass sich unter der neuen Bundesregierung etwas ändert. Geyer verlangte deshalb Union und SPD müssten jetzt „geschlossen auftreten und abliefern“ und Vereinbarungen aus dem Koalitionsvertrag professionell abarbeiten.
Weniger und einfachere Vorschriften, kürzere Bearbeitungszeiten und klare Zuständigkeiten: Das stellen sich die Befragten unter einer effizienteren Verwaltung vor. Rund die Hälfte der Bürger*innen glaubt, dass mehr Digitalisierung die Leistungsfähigkeit des Staates verbessern könnte. Mehr als 40 Prozent bezweifeln jedoch, dass die neue Technik allein Probleme löst.
Hoffen auf Digitaliserung und KI
Der immer drastischere Personalmangel und knappe Kassen verschärfen die Situation. Im öffentlichen Dienst fehlen derzeit rund 600.000 Beschäftigte. Geyer fordert deshalb eine gesellschaftliche Debatte: „Welche Aufgaben muss und kann der Staat noch erfüllen? Die Antwort muss die Politik geben.“ Besonders auf das neue Digitalministerium unter Bundesminister Karsten Wildberger setzt Geyer große Hoffnungen. Digitalisierung und der Einsatz von KI in der Verwaltung könnten Kosten sparen und Mitarbeiter*innen entlasten.
Gewalt gegen Beschäftigte nimmt zu
Besorgniserregend sind auch die Ergebnisse zur Gewalt gegen Beschäftigte. Forsa-Geschäftsführer Peter Matuschek berichtete: „84 Prozent der Menschen meinen, dass die Gesellschaft zunehmend verroht und der Umgang miteinander immer rücksichtsloser und brutaler wird.“ 30 Prozent berichteten, selbst Übergriffe beobachtet zu haben. Fragt man nur die Beschäftigten selbst, sind es fast die Hälfte.
Die Angriffe reichen von Behinderungen, Beleidigungen und Beschimpfungen, bis hin zu körperlichen Attacken. Am häufigsten betroffen sind Polizist*innen, Rettungskräfte und Notärzt*innen, Bus- oder Straßenbahnfahrer*innen, Mitarbeitende von Ordnungsämtern, Feuerwehrleute sowie Lehrer*innen und Beschäftigte in Jobcentern.
Ein weiteres Ergebnis: Die Betroffenen wünschen sich stärkeren Schutz – etwa durch härtere Strafen für Täter*innen (54 Prozent), Deeskalationstrainings oder Selbstverteidigungskurse (jeweils 42 Prozent). Auch Maßnahmen wie mehr Sicherheitskontrollen, Videoüberwachung, Notknöpfe oder Wachschutz werden verstärkt gefordert.
„Für mich ist überhaupt nicht nachvollziehbar, wie Menschen, die in einem Rettungseinsatz sind, angegriffen werden können“, sagte Geyer. Es gebe ausreichende Gesetze, die müssten aber schneller und konsequenter angewendet werden. „Sonst fehlt auch die abschreckende Wirkung.“
Ralf Bauer
ist Redakteurin beim vorwärts-Verlag und schreibt für die DEMO – Das sozialdemokratische Magazin für Kommunalpolitik.