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Wohnungsmarkt: Was nach dem Bau-Turbo angepackt werden muss

Über Maßnahmen für bezahlbaren Wohnraum wurde auf einer Konferenz der Friedrich-Ebert-Stiftung diskutiert. Bauministerin Hubertz erhielt ein Lob vom Mieterbund: In 100 Tagen habe sie mehr angestoßen als die Ampel-Koalition in vier Jahren.
 

von Carl-Friedrich Höck · 4. November 2025
Verena Hubertz am Rednerpult

Bundesbauministerin Verena Hubertz auf der Wohnen-Konferenz von FES und Böckler-Stiftung

Barbara Hendricks kennt die Probleme am Wohnungsmarkt. Die frühere Bundesumweltministerin war in ihrer Amtszeit (2013–2018) auch fürs Bauen zuständig. Mit eingeschränktem Erfolg, wie sie nun indirekt selbst einräumte: „Ein Wohnungswechsel ist auch für die Mittelschicht in urbanen Regionen fast unmöglich geworden“, sagte sie am Montag auf der Konferenz „Bezahlbar Wohnen“. Ausgerichtet wurde diese von der Friedrich-Ebert-Stiftung, wo Hendricks Vorstandsmitglied ist, in Kooperation mit der Hans-Böckler-Stiftung.

Abhilfe schaffen soll die aktuelle Bauministerin Verena Hubertz. „Wir haben eine starke Agenda, um die Wende am Wohnungsmarkt zu schaffen“, zeigte sich die SPD-Politikerin optimistisch. Der erste Baustein sei der Bau-Turbo, der gerade in Kraft getreten ist. Er erlaubt es den Gemeinden, weitreichend von den Vorgaben des Bauplanungsrechtes abzuweichen. So kann in nur drei Monaten Baurecht geschaffen werden, während normale Bebauungsplanverfahren oft mehrere Jahre dauern.

Einfacher bauen mit weniger Vorschriften

Zweitens gehe es darum, anders und günstiger zu bauen, fuhr die Ministerin fort. Sie wolle gemeinsam mit den Landesbauminister*innen die Regeln harmonisieren und bereits gefundene Lösungen übertragbar machen. Die Bundesregierung plane Instrumente wie den „Gebäudetyp E“. Im Kern geht es darum, dass Bauherren auf bestimmte Komfortstandards verzichten können. Hubertz erklärte dazu: Es gebe rund 4.000 Vorschriften beim Bauen, also Normen und „anerkannte Regeln der Technik“. Hier wolle sie abrüsten und trotzdem Häuser bauen, die funktionieren. Auf der Champs-Élysées in Paris hätten die Gebäude weniger dicke Wände als in Deutschland, „trotzdem wohnt man da gerne“. Hubertz sprach sich auch dafür aus, mehr Häuser in Modulbauweise zu errichten und seriell zu produzieren. So könnten Projekte schneller umgesetzt werden.

Lob für Hubertz

Mieterbund-Präsidentin Melanie Weber-Moritz – hier neben Christian Lieberknecht vom GdW – zog nach den ersten 100 Tagen der neuen Bundesregierung ein positives Zwischenfazit.

Melanie Weber-Moritz und Christian Lieberknecht

Ein ungewöhnliches Lob bekamen Hubertz und ihre Kabinettskolleg*innen von Melanie Weber-Moritz, der Präsidentin des Deutschen Mieterbundes. Sie sagte: „Die jetzige Bundesregierung hat, was das Thema Wohnen angeht, in den ersten 100 Tagen schon deutlich mehr auf die Bahn gebracht als die vergangene Regierung in der ganzen Legislaturperiode.“ Trotzdem sei noch Luft nach oben. Mehr als jeder dritte Mieterhaushalt zahle mehr als 30 Prozent des Nettoeinkommens für die Miete. In den einkommensschwächeren Gruppen seien es teilweise 40 oder 50 Prozent. Eine Katastrophe sei das, so Weber-Moritz.

Lob für die Regierung äußerte auch Christian Lieberknecht, Vorstand beim Wohnungswirtschaftsverband GdW. „Es gibt viele positive Ansätze“, kommentierte er die Bemühungen in der Wohnungspolitik. Der wohnungspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion Hendrik Bollmann sah seine Parteigenossin Hubertz ebenfalls auf dem richtigen Weg. Mit dem Bau-Turbo setze die Regierung auf mehr Freiheit. Das sei durchaus ein Risiko. „Es wird auch die Fälle geben, wo wir uns sagen, so haben wir uns das nicht gedacht“, mutmaßte Bollmann. In der Regel vertraue er aber den Kommunen, dass sie das neue Instrumentarium vernünftig nutzen.

Mietrechtskommission unter Zeitdruck

Ein weiterer Hebel neben den baulichen Maßnahmen, um Wohnen bezahlbar zu halten, ist das Mietrecht. Die Bundesregierung hat eine Mietrechtskommission eingesetzt, die bis Ende 2026 konkrete Vorschläge ausarbeiten soll. Insbesondere soll sie sich damit befassen, wie Verstöße gegen die Mietpreisbremse sowie Mietwucher konsequenter bestraft werden können. Geplant sind neue Bußgeldregelungen. Bisher sei es so, klagte Melanie Weber-Moritz, dass es Vermieter*innen gerne drauf ankommen ließen, statt sich an die Mietpreisbremse zu halten. Und der Mietwucher-Paragraf sei so ausgestaltet, dass die Mieter*innen nachweisen müssten, dass der Vermieter eine Notsituation ausgenutzt hat. Das sei kaum zu leisten.

Mut zum Risiko

Der wohnungspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion Hendrik Bollmann glaubt, dass die Kommunen das Instrument Bau-Turbo in der Regel verantwortungsvoll nutzen werden. Aber mit mehr Freiheit gehe auch ein Risiko einher.

Hendrik Bollmann mit Mikrofon

Der Mieterbund und der GdW sind beide in der Kommission vertreten. Dass diese für ihre Aufgabe 1,5 Jahre Zeit bekommt, sorgte bei den Diskussionsteilnehmenden für Verwunderung. GdW-Vertreter Lieberknecht erinnerte zum Vergleich an die Sozialstaatskommission, die bereits in diesem Jahr Empfehlungen präsentieren soll. Und der Abgeordnete Hendrik Bollmann räumte ein, es wäre nicht schlecht, früher fertig zu sein, „weil die Drucksituation auf Millionen Menschen so groß ist, dass wir zu Potte kommen müssen.“

Wohngeldreform wird als Erfolg bewertet

Zu den größten wohnungspolitischen Maßnahmen der Ampel-Koalition gehörte die Wohngeldreform. Diese sei „sehr erfolgreich gewesen“, urteilte Christian Lieberknecht. Die Zahl der Wohngeldberechtigten sei so stark ausgeweitet worden, dass sich ihre Zahl in Sachsen-Anhalt verfünffacht habe. Die Kehrseite sei, dass das Land Sachsen-Anhalt nun kein Geld mehr in die Objektförderung im sozialen Wohnungsbau stecke, also zum Beispiel in die Modernisierung der Wohnungen.

Mieterbund-Präsidentin Weber-Moritz lobte die Wohngeld-Reform ebenfalls: „Es war historisch, was Klara Geywitz da geleistet hat“. Das Thema zeige aber auch, was schieflaufe. Nämlich erstens, dass es überhaupt notwendig sei, so viele Mieten zu subventionieren, weil die Mietpreise rasant gestiegen seien. Und zweitens gebe es ein Missverhältnis, weil „wir ungefähr 24 Milliarden für Subjektförderung – also Kosten der Unterkunft und Wohngeld – im Jahr ausgeben und aktuell ungefähr 3,5 bis 4 Milliarden für die soziale Wohnbauförderung.“ Jedes Jahr verliere Deutschland rund 40.000 Sozialwohnungen, weil sie aus der Bindung fallen.

Der „Sündenfall” der Nuller-Jahre

Der SPD-Politiker Bollmann wollte nicht widersprechen, ergänzte aber: Die Bundesregierung gebe bis 2029 einen Rekordbetrag von 23,5 Milliarden Euro für den sozialen Wohnungsbau aus. Die Wohngeldreform sei eine Kraftanstrengung, „um die Menschen akut zu entlasten.“ Mit den Geldern für sozialen Wohnungsbau gehe man den nächsten Schritt. Und dann gehe es darum, die Themen neue Wohngemeinnützigkeit und genossenschaftliches Wohnen wieder verstärkt ins Visier zu nehmen, um Wohnraum zu schaffen, der dauerhaft günstig bleibt. Die Politik renne einem großen Sündenfall nach, nämlich dem großspurigen Verkauf von öffentlichem Wohnraum in den Nuller-Jahren. Das könne man nicht einfach rückgängig machen.

Dass nun gleichzeitig in den Klimaschutz investiert werden soll, macht die Situation auf dem Wohnungsmarkt noch komplizierter. Ein großer Teil des CO2-Ausstoßes in Deutschland ist auf den Gebäudebestand zurückzuführen. „Da steckt wirklich sozialer Sprengstoff drin“, sagte Weber-Moritz über dieses Thema. Sie plädierte dafür, die Themen Mieter*innenschutz und Klimaschutz nicht gegeneinander auszuspielen, sondern zusammenzudenken. In den schlechtesten Gebäuden wohnten die Mieterhaushalte mit den niedrigsten Einkommen. „Wenn wir uns darum nicht kümmern – Stichwort sozialverträglicher Klimaschutz – dann haben diese Menschen, die gar nicht mitentscheiden können, ob saniert wird und wie saniert wird, die höchsten Energiekosten zu tragen.“ 

Autor*in
Porträtfoto Mann mit Brille und dunkelblonden Haaren
Carl-Friedrich Höck

ist Leitender Redakteur der DEMO. Er hat „Public History” studiert.

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