Digitalisierung

Bäume melden, wenn sie Durst haben

Irmela Heß22. Juni 2023
An den Bäumen werden Sensoren angebracht.
Die städtische Digitalisierungsstrategie bezieht in Mainz den Naturschutz mit ein.

Mainz hat sich auf den Weg gemacht – den Mainzer Weg. Mit der Strategie „mainzDIGITAL“ will man die digitale Zukunft der Stadt gestalten und damit an die Geschichte anknüpfen. Denn schließlich wurde hier – in der Stadt Johannes ­Gutenbergs – schon einmal eine Medienrevolution gestartet, als dessen Erfindung der beweglichen Lettern den Buchdruck in Serie möglich machte. Im Frühjahr 2022 wurde die umfassende Digitalisierungsstrategie vorgestellt. Sie orientiert sich an der Smart-City-Charta des Bundes und den 17 Zielen der Vereinten ­Nationen für nachhaltige Entwicklung. Angetrieben wurde der Prozess vom Online­zugangsgesetz (OZG), das Bund, Länder und Kommunen verpflichtet, ihre Verwaltungsleistungen auch digital anzubieten.

Effizientes Gießen

In den Rahmen der Strategie gehört auch ein Projekt, das beim Naturschutz helfen soll: Das „intelligente Gießen“ soll vor allem frisch gepflanzten und jungen Bäumen das Überleben sichern. Gestartet wurde es im Frühjahr 2022 von den Mainzer Stadtwerken gemeinsam mit der ­städtischen Wohnungsgesellschaft Wohnbau Mainz und dem Start-up-Unternehmen „Treesense“. Konkret sah und sieht das so aus: Kleine Geräte mit einem Solarpanel – etwa so groß wie ein Handy – wurden in den Kronen von zehn Bäumen im Stadtgebiet angebracht. Die enthaltenen Sensoren messen mehrmals täglich den elektrischen Widerstand in den sogenannten Xylem-Kanälen der Äste, die für den Wassertransport von den Wurzeln bis in die Baumkrone verantwortlich sind. Je mehr Wasser im Baum, desto geringer ist der Widerstand.

Aneinandergereiht ergeben die Werte eine Kurve, von der sich ablesen lässt, wie viel Wasser noch in den Kanälen transportiert wird, also dem Baum zur Verfügung steht. Die Daten werden per Funk an „Treesense“ gesendet, wo sie visualisiert werden und dann auf einer Web-Oberfläche allen Projektbeteiligten zur Verfügung stehen. Dann kann entschieden werden, wie groß der „Durst“ des jungen Baumes ist und wann er gegossen werden muss.

Methode bewährt sich

Die speziellen Sensoren senden innerhalb eines eigenen Funknetzes, dem  LoRaWAN – Long Range Wide Area Network. Es kann geringe Datenmengen über große Entfernungen hinweg mit geringem Energieverbrauch übermitteln und wird von den Mainzer Stadtwerken zur Verfügung gestellt. „Die Technik ist deswegen so gut geeignet, weil sie eben sehr energieeffizient ist und wir die Sensoren in den nächsten fünf, sechs Jahren nicht wieder anfassen müssen“, erklärte Daniel Stölzle vom Innovationsmanagement der Mainzer Stadtwerke AG damals bei der Anbringung der ersten Sensoren. Das Start-up „Treesense“ wurde im April 2022 vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz mit dem Sonderpreis „Digitale Nachhaltigkeit“ ausgezeichnet.

Nach rund einem Jahr Erprobung scheint sich das bedarfsgerechte Gießen bewährt zu haben. Denn der Versuch wird in diesem Jahr fortgeführt – und es sollen wohl nicht nur weitere Bäume mit den Sensoren ausgestattet werden, sondern es gibt auch Gespräche zwischen Wohnbau und Stadt über eine Ausweitung des Projekts auf städtische Bäume, um die sich das  Grünamt kümmert.

In diesem Zusammenhang ist auch die Beteiligung von Schulen angedacht. Gefördert von der Mainzer Stiftung für Klimaschutz und Energieeffizienz sollen Schülerinnen und Schüler das „intelligente Gießen“ kennenlernen, verstehen und eventuell sogar später an Bäumen im eigenen Schulhof anwenden.

Digitalisierung als Prozess

So groß die Bedeutung von ausreichend Wasser für den einzelnen Baum ist, so klein ist das Projekt im Vergleich zur Digitalisierung insgesamt. Die Mainzer Strategie umfasst fünf Arbeitsbereiche: Intelligente Infrastruktur; Digitale Verwaltung; Mobilität, Umwelt und Urbane Entwicklung; Wirtschaft, Innovation und Kooperation; Bildung und Zusammenleben. In jedem dieser Bereiche werden Ziele genannt und Projekte angestoßen. Ein Digitalisierungsbeirat soll die Verwaltung, insbesondere die Lenkungsgruppe „mainzDIGITAL”, die stadtnahen Gesellschaften und den Stadtrat in grundsätzlichen Fragen beraten.

Es ist ein vor Jahren begonnener und fortlaufender Prozess. Jeder Vorgang innerhalb der Stadtverwaltung, aber auch mit Partnern aus Wissenschaft oder Wirtschaft, wird angeschaut und auf Digitalisierungsfähigkeit überprüft. Manches ist dann schnell umsetzbar, anderes muss langfristig geplant werden. Auf der Homepage der Stadt kann sich jede und jeder auf dem Bürgerserviceportal anschauen, welche Services online angeboten werden. Mitte Mai waren hier rund 65 sogenannte „digitale Antragsstrecken“ zu finden.

Info zum „intelligenten Gießen“:
www.youtube.com/watch?v=yqq6oMGxLeQ