Digitalisierung

Smartes Ruhrgebiet

Petra Kappe22. Juni 2023
Rauchende Schlote und digitale Leuchttürme: Zum Ruhrgebiet gehört beides.
Die Region mausert sich zum Innovationsmotor.

Das Ruhrgebiet kennt sich mit Veränderungen aus. An die Stelle von Fördertürmen und rauchenden Schloten treten im Zeitalter der Digitalisierung neue Leuchttürme - nicht weithin sichtbar, doch von großer Strahlkraft. Die Region an Rhein und Ruhr mausert sich zu einem Innovationsmotor. Städte wie Bochum und Gelsenkirchen stehen im Bundesvergleich besonders gut da. Der Regionalverband Ruhrgebiet bündelt Erfolge und Erfahrungen in einem Netzwerk für die Metropole Ruhr.

Konsequente Strategie

Gelsenkirchens Oberbürgermeisterin Karin Welge blickt mit Stolz auf das Erreichte. „Die sehr guten Platzierungen im Smart City Index zeigen, welches Potenzial in unserer Stadt steckt und wie wir es durch kontinuierliche Arbeit und den zielgerichteten Einsatz von Fördermitteln gehoben haben“, unterstreicht die Sozialdemokratin. Zugleich kündigt sie weitere Anstrengungen an: „Durch die konsequente Umsetzung unserer integrierten Digitalstrategie werden wir diesen Weg gemeinsam mit Partnern aus Verwaltung, Wirtschaft und Wissenschaft weitergehen.“

Der Partnerschaftsgedanke wird groß geschrieben. Gelsenkirchen hat sich für mehrere Förderprogramme als Smart City qualifiziert, wurde Leitkommune für die „Digitalen Modellregionen NRW" und Teil des Förderprogramms „Modellprojekte Smart Cities“, das der Bund seit 2019 mit insgesamt 820 Millionen Euro finanziert. Ziel ist es, die Kommunen bei der Digitalisierung und der digitalen Stadtentwicklung zu unterstützen. Die Fördermittel werden in mehreren Runden verteilt. Jedes Jahr gibt es eine neue Wettbewerbsstaffel.

Mit ihrem Erfolg in der zweiten Staffel, die unter dem Motto „Gemeinwohl und Netzwerkstadt/Stadtnetzwerk“ steht, sieht sich die Stadt bundesweit als Vorreiter in der Nutzung der Chancen der Digitalisierung und zugleich in der Pflicht, andere Kommunen an diesen Chancen teilhaben zu lassen. Sie strebt die Entwicklung modellhafter und übertragbarer Lösungen etwa für Mobilitäts-, Klimaschutz- und Stadtentwicklungskonzepte an, die bedarfsorientiert und nachhaltig sind und von interessierten Kommunen übernommen werden können.

Kommunales Netzwerk hilft bei Digitalisierung

Nicht alle Kommunen kommen in den Genuss der Fördermittel. Im Revier, wo besonders viele Städte unter der Altschuldenlast leiden, ist selbst ein kleiner Eigenanteil schwer aufzubringen. Da setzt „RuDi“ an. Das Kürzel steht für Ruhrgebiet Digital und bezeichnet eine Plattform beim Regionalverband Ruhrgebiet (RVR), auf der Kommunen sich vernetzen, austauschen und voneinander lernen können.

„Das Netzwerk ist themenoffen“, erläutert Marina Lüschen vom zuständigen Projektbüro Digitale Metropole Ruhr. Die seit Januar 2023 registrierten Verwaltungsmitarbeiter*innen – schon jetzt 900 – stellen konkrete Fragen, etwa nach einer Dienstvereinbarung zum Desksharing. Zu komplexeren Themen wie der Organisations- und Personalentwicklung, der Abwasser- oder Stadtraumplanung gründen sie Gruppen, in denen sie Erfahrungen und Lösungen teilen. Sie bieten auch kollegiale Fortbildungen an und liefern gesetzliche Grundlagen, Quellen und Hintergrundwissen.

Die Plattform RuDi ist aus den „Verwaltungsrebellen“ hervorgegangen, einem von Essen, Lünen und dem Kreis Wesel getragenen Förderprojekt, das nun vom RVR verstetigt wird. Zu dessen Philosophie gehört seit jeher der Grundgedanke, das Kirchturmsdenken zwischen den Städten und Gemeinden zu überwinden. Davon zeugt auch das Stadtplanwerk der Metropole Ruhr, ein seit 50 Jahren gepflegtes einheitliches Kartenprodukt, das neuerdings nahezu beliebige Ansichten per Mausklick liefert.
Wald, Gewässer, Gebäudebestand, Parkbuchten, Schulen, Rad- und Wanderwege: Andreas Weßel, der das Referat Geoinformation und Raumbeobachtung beim RVR leitet, vergleicht es mit einem riesigen Puzzle, aus dem ein „digitaler Zwilling“ des Ruhrgebiets entstehen soll. Jeder Quadratmeter Wirklichkeit ist dann gespeichert und erlaubt die Modellierung oder Simulierung von Veränderungen. Schon in der Planungsphase lässt sich ermitteln, wie sich Bauprojekte, eine neue Buslinie, Klimaschutzmaßnahmen oder – ganz konkret – eine Vollsperrung der A40 auswirken. „Die Folgen machen ja nicht an den Stadtgrenzen halt“, sagt Weßel, „besonders nicht in einem Ballungsraum wie dem Ruhrgebiet.“

Labor für neue Ideen

Der Strategie, erst testen, dann anwenden, folgt auch Gelsenkirchen bei der Digitalisierung. Als „Erfolgsfaktor“ bezeichnet der zuständige Dezernent Simon Nowack „unser Open Innovation Lab, das wir als Reallabor nutzen, um innovative Ideen zunächst im Kleinen zu erproben, um auf dieser Grundlage dann die Entscheidung treffen zu können, ob und wie wir diese innovativen Lösungen auf Quartiere, Stadtteile oder die Gesamtstadt ausrollen können“.

Bereits verwirklicht sind digitale Anwendungen wie eine kommunale Infrastrukturdatenbank, ein Geodatendienst, ein mobiles Konzernmanagement und Edutainment-Angebote im städtischen Zoo. Folgen soll unter anderem ein Projekt, das der Einwohnerschaft mithilfe von transparenten Informations- und Beteiligungsverfahren mehr Möglichkeiten zur Mitsprache gibt. Gelsenkirchen ist davon überzeugt, dass Bürgerbeteiligung „eine wichtige Voraussetzung für eine zukunftsfähige und bürgerfreundliche Stadt“ ist.