Videokonferenz

Bundeskanzlerin und Großstädte vereinbaren Corona-Maßnahmenplan

Carl-Friedrich Höck09. Oktober 2020
Bundeskanzlerin Angela Merkel (Archivbild)
In einer Videokonferenz hat die Bundeskanzlerin mit den Bürgermeister*innen der elf größten Städte über Maßnahmen gegen die Corona-Pandemie beraten. Vereinbart wurden acht Punkte. Angela Merkel stellte weitere Hilfe durch Bundeswehr, Polizei und Student*innen in Aussicht.

Mit klaren Worten hatte Städtetags-Präsident Burkhard Jung bereits im Vorfeld auf den Punkt gebracht, worum es geht: „Ob es gelingt, die zweite Corona-Welle zu bremsen, wird sich in den nächsten Wochen in den großen Städten entscheiden.“ Dort lebten viele Menschen auf dichtem Raum. Am Freitagmittag besprach sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in einer Videokonferenz mit Vertreter*innen der elf größten deutschen Städte.

Die Zahl der Infektionen wächst

Im Mittelpunkt standen Maßnahmen gegen die Corona-Pandemie. Berlin hat die kritische Schwelle von 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner*innen (= Inzidenz) binnen einer Woche jüngst überschritten. Frankfurt am Main liegt ebenfalls über diesem Wert, Köln und Essen nur knapp darunter. Die Zahl an Corona-Infektionen sei hoch und wachse zum Teil rapide, sagte Merkel nach der Videokonferenz.

Als oberstes Ziel gab die Bundeskanzlerin aus, die Infektionszahlen in einem Bereich zu halten, in dem jeder einzelne Kontakt noch nachvollzogen werden kann. „Die Gesundheitsämter leisten Enormes und schaffen das“, lobte Merkel – und fügte hinzu: Es werde nicht so bleiben, „wenn die Infektionszahlen weiter davonrennen“. Dann könne die Pandemie unkontrollierbar werden. Einen erneuten Lockdown wie im Frühjahr, als öffentliches Leben und Wirtschaft weitgehend heruntergefahren wurden, will Angela Merkel unbedingt vermeiden. Besonders betonte sie dies für den Bildungsbereich: „Die Schulen müssen, wenn irgend möglich, diesmal offen bleiben.“

Bundeswehr bietet weitere Unterstützung an

Mit den Stadtoberhäuptern hat sich die Kanzlerin auf acht Punkte verständigt, wie nun weiter zu verfahren sei (siehe Infokasten). Unter anderem geht es um das Personal in den Gesundheitsämtern – sie sind für die Kontaktnachverfolgung zuständig – und den Ordnungsämtern, die Corona-Auflagen durchsetzen sollen, etwa in der Gastronomie.

So wurde vereinbart, dass die Bundeswehr ab einer Indizenz von 35 Infektionen pro 100.000 Einwohner*innen auf Bitte der jeweiligen Stadt Expert*innen in die Krisenstäbe vor Ort entsendet. Sie sollen dort beraten und benötigte Unterstützungsleistungen des Bundes koordinieren. Schon jetzt hilft die Bundeswehr in vielen Kommunen bei der Kontaktnachverfolgung aus. Sie habe „noch weitere Reserven“, sagte Merkel.

Es werde auch darüber gesprochen, ob Medizinstudent*innen eingesetzt werden können. Zudem prüfe die Regierung in den Bundesbehörden, „ob wir da Menschen entbehren können.“ Letzteres wird in der nächsten Gesprächsrunde erneut auf die Tagesordnung kommen – diese soll in zwei Wochen stattfinden.

Ordnungsämter sollen entlastet werden

Ein weiteres Gesprächsthema war die Frage, wie die Corona-Auflagen durchgesetzt werden können. Viele Ordnungsämter kommen mit dem Kontrollieren kaum noch nach, zumal sie auch die angeordneten Quarantänemaßnahmen überwachen sollen. In einer Mitteilung der Bundesregierung heißt es dazu, die Großstädte sollen selbst „organisatorische Maßnahmen“ ergreifen, um die Ordnungsämter zu entlasten. Und weiter: „Bund und Länder werden kurzfristig darüber beraten, wie Unterstützung auch durch die Bundespolizei und Länderpolizeien geleistet werden kann.“

Nach Angaben der Bundesregierung wurde mit den Großstädten zudem Folgendes vereinbart: Spätestens ab einer Inzidenz von 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner in einer Woche müssen umgehend besondere Beschränkungen erlassen werden. „Dazu gehören insbesondere Erweiterungen der Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung, Einführung von Kontaktbeschränkungen im öffentlichen Raum und gegebenenfalls die Einführung einer Sperrstunde und/oder Alkoholbeschränkungen für Gastronomiebetriebe sowie weitergehende Beschränkungen der Teilnehmerzahlen für Veranstaltungen und insbesondere für Feiern, auch im privaten Rahmen.“

Die Bundeskanzlerin sagte: „Jetzt sind die Tage und Wochen, die darüber entscheiden, wie Deutschland im Winter dasteht“.

Frankfurts OB Feldmann: „sind auf einem richtigen Weg”

Frankfurts Oberbürgermeister Peter Feldmann sagte nach dem Treffen in einem Videostatement, die Kanzlerin habe mit den Stadtoberhäuptern konzentriert und sehr ernsthaft gesprochen. Der Sozialdemokrat kommentierte: „Unsere Maßnahmen, ob es das Alkoholverbot auf öffentlichen Plätzen, ob es die Sperrstunde zu später Stunde ist, ob es die Frage vielleicht auch eines künftigen Alkoholverkaufsverbotes ist, all das sind Dinge, die in anderen Städten auch erprobt werden, auf ihre Wirksamkeit überprüft werden und wo wir merken, wir sind da auf einem richtigen Weg.“

Die Einschränkungen dienten auch dazu, das öffentliche Leben nicht stilllegen zu müssen, ergänzte Feldmann. Er wolle die Schulen, die Kindergärten, die Restaurants, die Cafés und auch den Zoo offenhalten. Die Situation sei sehr ernst, aber „wenn wir uns an die Regeln halten, werden wir diese Krise meistern.“

Diese acht Punkte wurden besprochen

Kanzlerin Angela Merkel hat mit den Bürgermeistern und Oberbürgermeister*innen der elf größten Städte diese acht Punkte besprochen (im Folgenden geben wir die Mitteilung der Bundesregierung wörtlich wieder):

  1. Spätestens ab einer Inzidenz von 35 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner in einer Woche entsendet das Robert-Koch-Institut Experten auf Bitten der jeweiligen Stadt zur Beratung in die Krisenstäbe der betroffenen Großstadt.
  2. Spätestens ab einer Inzidenz von 35 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner in einer Woche entsendet die Bundeswehr Experten auf Bitten der jeweiligen Stadt zur Beratung und Koordinierung benötigter Unterstützungsleistungen des Bundes in die Krisenstäbe der betroffenen Großstadt. Den Städten ist wichtig, dass die Unterstützung bei der Kontaktnachverfolgung durch die Bundeswehr möglichst durch längerfristig eingesetztes Personal erfolgt und die Rotationszeiten entsprechend verlängert werden.
  3. Die Großstädte ergreifen ihrerseits organisatorische Maßnahmen, um den öffentlichen Gesundheitsdienst mit geschultem Personal für die Kontaktnachverfolgung zu unterstützen. Dabei kommt die Abordnung aus anderen Verwaltungsbereichen genauso in Frage, wie die Schulung und der Einsatz von Studierenden oder anderen Freiwilligen. Der Bund wird mit der Hochschulrektorenkonferenz darüber sprechen, wie ein verstärkter Einsatz von Studierenden so umgesetzt werden kann, dass daraus keine Nachteile für den Studienerfolg erwachsen.
  4. Kommt es im öffentlichen Gesundheitsdienst einer der Großstädte absehbar oder tatsächlich zu einer Überforderung im Bereich der Kontaktnachverfolgung, teilt sie diese Einschätzung auf dem zwischen Bund und Ländern vereinbarten Verfahren mit, damit personelle Unterstützung von Bund und Land geleistet werden kann.
  5. Spätestens ab einer Inzidenz von 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner in einer Woche werden umgehend besondere Beschränkungen erforderlich. Dazu gehören insbesondere Erweiterungen der Pflicht zum Tragen einer Mundnasenbedeckung, Einführung von Kontaktbeschränkungen im öffentlichen Raum und ggf. die Einführung einer Sperrstunde und/oder Alkoholbeschränkungen für Gastronomiebetriebe sowie weitergehende Beschränkungen der Teilnehmerzahlen für Veranstaltungen und insbesondere für Feiern, auch im privaten Rahmen.
  6. Die Großstädte ergreifen ihrerseits organisatorische Maßnahmen, um die Ordnungsämter zu entlasten, damit zur Einhaltung der Corona-Verordnungen eine hinreichend hohe Kontrolldichte gewährleistet werden kann. Ebenfalls sollen die Ordnungsbehörden die Gesundheitsämter bei der Überwachung von Quarantäneanordnungen unterstützen. Bund und Länder werden kurzfristig darüber beraten, wie Unterstützung auch durch die Bundespolizei und Länderpolizeien geleistet werden kann.
  7. Eine besondere Herausforderung stellt der Schutz vulnerabler Gruppen dar. Deshalb haben die Großstädte je nach den lokalen Gegebenheiten für die Krankenhäuser, Pflegeheime, Senioren- und Behinderteneinrichtungen besondere Schutzvorkehrungen ergriffen. Dabei wird stets berücksichtigt, dass die jeweiligen Regelungen nicht zu einer vollständigen sozialen Isolation der Betroffenen führen dürfen. Bei steigenden Infektionszahlen werden diese Maßnahmen entsprechend angepasst. Der Bund wird durch die neue Testverordnung sicherstellen, dass die Kosten der seit kurzem verfügbaren SARS-CoV2-Schnelltests für regelmäßige Testungen der Bewohner bzw. Patienten, deren Besucher und das Personal übernommen werden. Die verfügbaren Schnelltests sollen prioritär für diesen Bereich eingesetzt werden.
  8. Kommt der Anstieg der Infektionszahlen unter den vorgenannten Maßnahmen nicht spätestens binnen 10 Tagen zum Stillstand, sind weitere gezielte Beschränkungsschritte unvermeidlich, um öffentliche Kontakte weitergehend zu reduzieren.

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